OGH 15Os6/25h

OGH15Os6/25h4.3.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. März 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Sadoghi sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel und Dr. Farkas in Gegenwart der Schriftführerin FOI Bayer in der Strafsache gegen * R* wegen der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 28. Oktober 2024, GZ 11 Hv 45/24g‑53, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0150OS00006.25H.0304.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Sexualdelikte

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * R* der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (I./), des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 und 3 StGB (II./), der Vergehen der Tierquälerei nach § 222 Abs 1 Z 1 StGB (III./), des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (IV./), des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (V./) und der Vergehen der Amtsanmaßung nach § 314 (zu ergänzen:) erster Fall StGB (VI./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – in Z* und an anderen Orten des Bundesgebiets

I./ zwischen Oktober und Anfang Dezember 2023 in fünf Angriffen * E* mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie an den Händen erfasste, sie festhielt, auf ein Bett drückte, teils am Hals würgte und sodann mit seinem Penis in ihre Vagina eindrang;

II./ von Mitte Oktober bis 11. Dezember 2023 (US 8) gegen E* eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, indem er ihr in „zumindest zehn Angriffen“ Ohrfeigen versetzte, in den Oberarm biss, in den Bauch schlug, sie würgte, sie gegen die Wand drückte oder ihren Oberschenkel ergriff und zusammenquetschte, wodurch sie teilweise Rötungen, ein Hämatom und eine Bisswunde erlitt, und sie ferner am 9. Dezember 2023 (US 8) durch Drohung mit einer Verletzung am Körper zu einer Unterlassung, nämlich der Beendigung der Beziehung, nötigte, indem er ihr gegenüber äußerte, er werde sie umbringen, wenn sie Schluss mache, wobei er durch die Taten eine umfassende Kontrolle des Verhaltens der E* herstellte und eine erhebliche Einschränkung ihrer autonomen Lebensführung bewirkte (US 8 f);

III./ im November 2023 Tiere, nämlich zwei 12 bis 14 Wochen alte Katzen, roh misshandelt und ihnen unnötige Qualen zugefügt, indem er sie am Genick erfasste und mehrfach „mit Wucht“ gegen die Wand warf;

V./ zwischen 6. und 7. Jänner 2024 * K* mit Gewalt zu einer Handlung, nämlich zum abrupten Abbremsen seines PKWs, genötigt, indem er sein Fahrzeug unmittelbar vor jenem des Genannten ohne verkehrsbedingte Notwendigkeit (US 11) mittels Vollbremsung zum Stillstand brachte;

VI./ zwischen Oktober 2023 und 7. Jänner 2024 sich die Ausübung eines öffentlichen Amtes angemaßt, indem er sich in vier Fällen gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern als Polizist ausgab, Fahrzeuganhaltungen, teils unter Einsatz von Sirenenton und Blaulicht aus einem Video durchführte sowie daran anschließend Lenker‑ und Fahrzeugkontrollen vornahm bzw dies versuchte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

[4] In der am 24. Juni 2024 (ON 34.2, 46) und 28. Oktober 2024 (ON 52.2, 7 ff) durchgeführten Hauptverhandlung beantragte der Nichtigkeitswerber die „Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens in Bezug auf die vorliegenden Aussagen der Zeugin E*“ zum Beweis dafür, dass er die ihm „laut Anklageschrift zu Punkt I. und II. genannten Straftaten der Vergewaltigung und der fortgesetzten Gewaltausübung nicht begangen hat“.

[5] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung (ON 34.2, 47; ON 52.2, 12) dieses Beweisantrags Verteidigungsrechte nicht geschmälert.

[6] Die Beurteilung der Aussagefähigkeit und Glaubwürdigkeit (hier) einer Zeugin obliegt – als Akt freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) – den Tatrichtern. Die Hilfestellung durch einen Sachverständigen kommt nur ausnahmsweise in Betracht, etwa bei objektiven Anhaltspunkten für eine psychische Erkrankung, eine Entwicklungsstörung oder einen geistigen Defekt, wobei die Störungen erheblich seien und dem Grad des § 11 StGB nahekommen oder gegen die allgemeine Wahrnehmungs‑ oder Wiedergabefähigkeit oder die (vom Einzelfall unabhängige) Aussageehrlichkeit des Zeugen sprechen müssen (RIS‑Justiz RS0097733, RS0120634 [T2, T4]).

[7] Anhaltspunkte für eine solche Ausnahmekonstellation legte der Antrag mit dem Vorbringen, die Zeugin habe einen Selbstmordversuch unternommen, sie werde von den Mitschülern „gemobbt“ und leide am „ADS‑Syndrom“, ebenso wenig dar wie mit eigenständigen Erwägungen zum Beweiswert ihrer Aussagen. Solcherart war er auf eine im Hauptverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet (RIS‑Justiz RS0097576).

[8] Die in der Beschwerde nachgetragenen Argumente zur Antragsfundierung sind prozessual verspätet und daher unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099618).

[9] Die gegen Schuldspruch V./ gerichtete Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) moniert, die Tatrichter hätten sich nicht damit auseinandergesetzt, dass der Zeuge K* bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung – entgegen seiner polizeilichen Aussage – nicht mehr von einer „Vollbremsung“ gesprochen habe. Dabei lässt sie jedoch außer Acht, dass der Genannte seine bis dahin getätigten (polizeilichen) Angaben ausdrücklich aufrecht hielt (ON 34.2, 30; vgl RIS‑Justiz RS0116504 [T4]).

[10] Der in diesem Zusammenhang gleichzeitig erhobene Vorwurf der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) scheitert schon am Erfordernis der Wiedergabe des Inhalts einer Aussage in den Entscheidungsgründen (RIS‑Justiz RS0099547).

[11] Soweit die gegen I./ bis III./ gerichtete Tatsachenrüge (Z 5a) die Versendung von Liebesnachrichten durch die Zeugin E*, deren Aussageverhalten sowie die Verfahrensergebnisse zu einer vor und während ihrer Beziehung zum Angeklagten auftretenden Verhaltensänderung eigenständig analysiert und die diesbezügliche Beurteilung der Tatrichter – insbesondere deren Erwägungen zu ihrer Glaubwürdigkeit (US 13 ff) – als „völlig lebensfremd“ bezeichnet, verfehlt sie den Bezugspunkt des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (vgl RIS‑Justiz RS0099649).

[12] Die zu II./ des Schuldspruchs ausgeführte Rechtsrüge (Z 9 lit a), die ausschließlich auf die Dauer des Tatzeitraums Bezug nimmt, leitet nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (vgl aber RIS‑Justiz RS0116565), warum die festgestellten, in „zumindest zehn Angriffen“ erfolgten Misshandlungen und Körperverletzungen in Zusammenschau mit der weiteren Nötigungshandlung (US 8) nicht jedenfalls die Beurteilung der Tatbestandsmäßigkeit des vorgeworfenen Verhaltens nach § 107b Abs 1 StGB in einer Gesamtschau zuließen (vgl zum Maßstab RIS‑Justiz RS0127377).

[13] Welche Konstatierungen zur subjektiven Tatseite über die ohnedies getroffenen hinaus (US 13) zu VI./ des Schuldspruchs für die rechtsrichtige Subsumtion erforderlich gewesen wären, vermag die Beschwerde (Z 9 lit a) nicht darzulegen (RIS‑Justiz RS0116569). Ferner nimmt das weitere Vorbringen, das die Ernsthaftigkeit des Handelns des Angeklagten bestreitet, prozessordnungswidrig nicht Maß am konstatierten Urteilssachverhalt (vgl aber RIS‑Justiz RS0099810), wonach sich der Angeklagte willentlich als Polizeibeamter ausgab, Anhaltungen anderer Verkehrsteilnehmer vornahm und Ausweiskontrollen durchführte (US 12 f).

[14] Die sich gegen II./ des Schuldspruchs richtende Subsumtionsrüge (Z 10) lässt eine prozessförmige Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes schon deshalb vermissen, weil sie nicht darlegt, welchem Strafgesetz die davon umfassten Handlungen aus ihrer Sicht bei richtiger Gesetzesauslegung hätten unterzogen werden müssen (RIS‑Justiz RS0117247 [T7]).

[15] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[16] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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