OGH 15Os60/25z

OGH15Os60/25z10.9.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. September 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Sadoghi sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel und Dr. Farkas in Gegenwart der Schriftführerin Rechtspraktikantin Schurich LL.M., LL.M. in der Strafsache gegen * K* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 27. März 2025, GZ 32 Hv 107/24y‑62.4, sowie über dessen Beschwerde gegen einen zugleich ergangenen Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0150OS00060.25Z.0910.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch II./, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) ebenso wie der Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht St. Pölten verwiesen.

Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde wird der Angeklagte darauf verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * K* – soweit hier von Bedeutung – des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (I./) sowie des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (II./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in A*, W*, L* und G*

I./ von 2019 bis 2024 vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich 331,7 Gramm Cocain sowie 296,6 Gramm THCA und 23,6 Gramm Delta‑9‑THC jeweils in Reinsubstanz (US 7), in einer Vielzahl von Angriffen (1./ bis 25./) im Urteil genannten Abnehmern überlassen;

II./ wenn auch nur fahrlässig eine Waffe, nämlich ein Klappmesser, besessen, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG verboten war.

Rechtliche Beurteilung

[3] Nur gegen diePunkte I./1./, I./2./, I./3./, I./6./, I./10./, I./21./ und I./23./ des Schuldspruchs wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – keine Berechtigung zukommt.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde:

[4] Mit der Beschwerdekritik, wonach das Erstgericht in Verwerfung der leugnenden Verantwortung des Angeklagten, den diesen widersprechenden, in Ansehung der Suchtgiftquanten teilweise widersprüchlichen, Deponaten der Zeugen gefolgt sei und dabei eine detaillierte und nachvollziehbare Begründung vermissen lasse (siehe dazu aber US 9 ff), wird kein Begründungsdefizit im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (Z 5 zweiter Fall) aufgezeigt (RIS‑Justiz RS0098646, RS0098377 [T17, T20, T21, T24]). Vielmehr wird damit bloß in unzulässiger Weise die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (§ 283 Abs 1 StPO) kritisiert.

[5] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

 

Zur amtswegigen Maßnahme:

[6] Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon, dass dem Schuldspruch II./ amtswegig wahrzunehmende, dem Angeklagten zum Nachteil gereichende Nichtigkeit anhaftet (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

[7] Anders als beim strafrechtlichen (funktionalen) Waffenbegriff, der neben Waffen im technischen Sinn (nach § 1 WaffG) auch solche Gegenstände umfasst, die diesen nach ihrer Anwendbarkeit und Wirkunggleichkommen, ist nach der Legaldefinition des § 1 WaffG für die Qualifikation eines Gegenstands als Waffe im Sinn des Waffengesetzes nur die objektive Zweckwidmung maßgeblich, die subjektive Zweckwidmung durch den Inhaber des Gegenstands spielt dabei keine Rolle (RIS‑Justiz RS0122916).

[8] Gewöhnliche Messer (das sind solche mit stumpfen Rücken, wie Jagdmesser, Hirschfänger, Brot-, Tisch- und Küchenmesser) und insbesondere Taschenmesser aller Art sind selbst dann, wenn sie eine Feststellungsvorrichtung für die Klinge besitzen (sogenanntes „Fixiermesser“), in der Regel nicht als Waffen im technischen Sinn, sondern als Gebrauchsgegenstände anzusehen. Erst dann, wenn ein solches Messer überdies noch eine besondere Vorrichtung zum Ausspringen der Klinge, sohin besondere Eigenschaften, besitzt („Springmesser“ und „Fallmesser“), ist es eine Stichwaffe und Stoßwaffe und als Waffe im technischen Sinn (§ 1 Z 1 WaffG) zu werten (RIS-Justiz RS0082031 [T6, T7], RS0121298 [T13], RS0122916 [T2]; Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB15 § 1 WaffG Rz 1).

[9] Im Gegenstand besagen die Konstatierungen lediglich, dass der Angeklagte ein „Klappmesser“ besaß (US 8); besondere Merkmale dieses Messers im Sinn der dargestellten Judikatur lassen sich dem Urteil hingegen nicht entnehmen.

[10] Dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) erfordert – ebenso in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – die Aufhebung des Schuldspruchs II./ und des Strafausspruchs sowie des Beschlusses nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung und die Verweisung der Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht (§ 285e StPO).

[11] Darauf war der Angeklagte mit seiner Berufung und seiner Beschwerde zu verweisen.

Zur weiteren Stellungnahme der Generalprokuratur sei ausgeführt:

[12] Einziehung nach § 26 Abs 1 StGB setzt voraus, dass die vorbeugende Maßnahme nach der besonderen Beschaffenheit des betroffenen Gegenstands geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen durch den Täter selbst oder durch andere Personen entgegenzuwirken. Dabei spricht das Wort „geboten“ die Deliktstauglichkeit des Gegenstands an (RIS‑Justiz RS0121298; Haslwanter in WK2 StGB § 26 Rz 13). Davon kann bei einem Klappmesser ohne Hinzutreten besonderer Eigenschaften in der Regel nicht die Rede sein (vgl RIS‑Justiz RS0082031 [T8, T11]; Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB15 § 1 WaffG Rz 1). Feststellungen dazu als (notwendige) Grundlage der Gefährlichkeitsprognose hat das Erstgericht, das die Maßnahme (Einziehung „des sichergestellten Klappmessers nach § 26 StGB“) bloß mit der Gesetzesstelle begründet hat (US 16), nicht getroffen.

[13] Mangels jeglicher Konstatierung dazu sowie zu einer Verwendung bei der Tatbegehung ist das Einziehungserkenntnis insoweit – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – mit Nichtigkeit behaftet.

[14] Auch die gemäß „§ 34 SMG iVm § 26 Abs 1 StGB“ erfolgte Einziehung einer „Grammwaage mit weißen pulvrigen Anhaftungen von Cocain sowie pflanzlichen Anhaftungen von THCA“ (US 4) unterliegt einem Rechtsfehler.

[15] Zutreffend zeigt die Generalprokuratur auf, dass § 34 SMG (soweit hier relevant) nur bei Suchtmitteln (§ 1 Abs 2 SMG) anwendbar ist, während die Einziehung nach § 26 Abs 1 StGB sich einerseits (soweit hier von Bedeutung) auf Gegenstände bezieht, die der Täter zur Begehung der mit Strafe bedrohten Handlung verwendet hat oder die von ihm dazu bestimmt waren, bei der Begehung dieser Handlung verwendet zu werden sowie andererseits voraussetzt, dass die vorbeugende Maßnahme nach der besonderen Beschaffenheit des betroffenen Gegenstands geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen entgegenzuwirken, wobei das Wort „geboten“ die Deliktstauglichkeit des Gegenstands anspricht (RIS-Justiz RS0121298).

[16] Eine Grammwaage ist – per se – keineswegs besonders deliktstauglich (vgl RIS-Justiz RS0107294, RS0088201 [T5, T7, T12, T16]). Bestehende Suchtgiftanhaftungen könnten ohne Weiteres entfernt werden, sodass die Einziehung nur zulässig wäre, wenn dem Berechtigten zuvor Gelegenheit gegeben wurde, dies (auf eigene Kosten) zu veranlassen (§ 26 Abs 2 erster Satz StGB, RIS-Justiz RS0088184 [T5]).

[17] Mangels jeglicher Konstatierungen dazu (vgl US 16) ist der Ausspruch der Einziehung im Umfang der „Grammwaage mit weißen pulvrigen Anhaftungen von Cocain sowie pflanzlichen Anhaftungen von THCA“ mit Nichtigkeit aus Z 11 erster Fall des § 281 Abs 1 StPO belastet.

[18] Mit beiden Rechtsfehlern ist jedoch – insoweit entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur – im Gegenstand kein Nachteil verbunden, weil sich der Angeklagte mit der Vernichtung der in Rede stehenden Gegenstände einverstanden erklärt hat (ON 20.3, 4, ON 62.3, 35; vgl RIS-Justiz RS0088201 [T11, T14]).

[19] Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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