European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0150OS00134.24F.0604.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe:
[1] In der Strafsache des Privatanklägers Dr. * O* gegen den Angeklagten Rechtsanwalt Dr. * T* wurde Letztgenannter mit Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 19. April 2023, GZ 18 U 204/21b‑140, des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
[2] Der dagegen erhobenen Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe gab das Landesgericht für Strafsachen Wien als Berufungsgericht mit Urteil vom 28. Mai 2024, AZ 130 Bl 55/23m, lediglich im zuletzt genannten Berufungspunkt Folge.
Rechtliche Beurteilung
[3] Gegen dieses Urteil richtet sich der auf die Behauptung einer Verletzung von Art 7 und Art 10 MRK gestützte Antrag des sich selbst vertretenden Verurteilten auf Erneuerung des Verfahrens gemäß § 363a StPO im erweiterten Anwendungsbereich. Dieser ist unzulässig.
[4] Gemäß § 61 Abs 1 Z 7 StPO muss der Beschuldigte (Betroffene) – soweit hier von Bedeutung – bei der Ausführung eines Antrags auf Erneuerung des Strafverfahrens (§ 363a Abs 2 StPO; auch im erweiterten Anwendungsbereich siehe dazu 14 Os 54/14v, 13 Os 68/18a) durch einen Verteidiger vertreten sein. Der Antrag muss von einem solchen Vertreter unterschrieben sein (Rebisant, WK-StPO §§ 363a bis 363c Rz 67). Bei Fehlen einer Verteidigerunterschrift auf dem Antrag des Betroffenen sieht das Gesetz kein Verbesserungsverfahren vor (RIS-Justiz RS0122736 [T8], RS0122737 [T30]).
[5] Verteidiger ist nach § 48 Abs 1 Z 5 StPO eine zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft, eine sonst gesetzlich zur Vertretung im Strafverfahren berechtigte Person oder eine Person, die an einer inländischen Universität die Lehrbefugnis für Strafrecht und Strafprozessrecht erworben hat, sobald sie der Beschuldigte (vgl § 48 Abs 1 Z 2 StPO) als Rechtsbeistand bevollmächtigt hat (vgl § 58 StPO), und eine Person, die dem Beschuldigten nach den Bestimmungen der Strafprozessordnung als Rechtsbeistand bestellt wurde (vgl § 62 StPO).
[6] Verteidiger ist solcherart eine vom Beschuldigten (Angeklagten) verschiedene Person. Das gilt auch dann, wenn dieser – wie hier – selbst Rechtsanwalt ist. In Ermangelung einer Ausnahmebestimmung (vgl § 28 Abs 1 ZPO) kann ein Angeklagter, obwohl er Rechtsanwalt ist, nicht für sich selbst als Verteidiger einschreiten (RIS-Justiz RS0116566 [T1]; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 6.78; Kirchbacher, StPO15 § 48 Rz 5).
[7] Abschließend ist festzuhalten, dass Art 6 Abs 3 lit c EMRK – entgegen der Ansicht des Erneuerungswerbers – kein absolutes Recht gewährt, sich selbst zu verteidigen, sondern den nationalen Rechtsordnungen die Möglichkeit einräumt, in bestimmten Verfahrensstadien (insbesondere im Interesse der Rechtspflege) auch für rechtskundige Personen einen anwaltlichen Vertretungszwang vorzusehen (vgl Harrendorf/König/Voigt in Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer, EMRK5 Art 6 Rz 211, Grabenwarter/Pabel, EMRK7 § 24 Rz 124, Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar3 Art 6 Rz 304 jeweils mwN).
[8] Der Erneuerungsantrag war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – mangels Unterschrift eines Verteidigers bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 363b Abs 2 Z 1 StPO zurückzuweisen (11 Os 35/19k, 36/19g, 38/19a, 39/19y; Rebisant, WK-StPO §§ 363a bis 363c Rz 108).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)