OGH 15Os130/24t

OGH15Os130/24t22.1.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Jänner 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Sadoghi sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel und Dr. Farkas in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Prieth in der Strafsache gegen * M* und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * N* sowie die Berufungen des Angeklagten M* und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 26. Juni 2024, GZ 39 Hv 14/24m-46, ferner über die Beschwerde des M* gegen den gleichzeitig gefassten Beschluss gemäß § 494a Abs 6 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0150OS00130.24T.0122.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des * N* wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche, die Berufung der Staatsanwaltschaft sowie die Beschwerde des * M* werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten N* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier relevant – * N* des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 12 dritter Fall, 201 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 31. Oktober 2023 in S*zur strafbaren Handlung des * M*, der die schwer alkoholisierte * F* mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs nötigte, indem er sie mit seinem Oberkörper auf die Couch drückte, ihre Beine auseinander zwängte und trotz Gegenwehr in Form von Tritten den Vaginalverkehr an ihr vollzog, dadurch beigetragen, dass er F*, während sie sich zur Wehr setzte, am Körper erfasste, niederdrückte und M* in seinem Tatplan bestärkte, indem er F* selbst einen Kuss aufzwang, sich mit ihm unterhielt und während des Vollzugs des Vaginalverkehrs im selben Raum anwesend war (US 5 f).

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten N*, der keine Berechtigung zukommt.

[4] Die Verfahrensrüge (Z 4) kritisiert die Abweisung des in der Hauptverhandlung am 24. April 2024 gestellten und (nach Verzicht auf deren Wiederholung wegen Überschreitung der Frist von zwei Monaten; ON 38, 71; ON 45, 2; § 276a StPO; zur prozessualen Relevanz siehe Danek/Mann, WK-StPO § 276a Rz 8) am 26. Juni 2024 aufrecht erhaltenen Antrags auf Einholung eines pharmakologischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass „einerseits durch die Wechselwirkungen von Venaflaxin und Alkohol ein Druckgefühl auf der Brust entsteht, bzw dafür, dass bei bestehender Diagnose von Panik- und Angststörungen durch die Einnahme von Venaflaxin in Kombination mit Alkohol Einbildungen und vielleicht Übertreibungen eines Sachverhalts entstehen können“ (ON 38, 70, ON 45, 4).

[5] Die Rüge scheitert schon daran, dass der Antrag kein Vorbringen enthielt, zu welchen für Schuldspruch oder Subsumtion erheblichen Tatsachen (RIS‑Justiz RS0118319 [T1, T3]) in Ansehung der Tatbeteiligung durch den Beschwerdeführer der Sachverständige Ausführungen hätte tätigen können, sondern sich auf rein allgemeine Fragen beschränkte. Er lief solcherart auf eine im Hauptverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung hinaus (RIS-Justiz RS0118444 [T6], RS0099453 [T1]).

[6] Die in der Beschwerde nachgetragenen Gründe sind prozessual verspätet und daher unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099618 [T26], RS0099117).

[7] Soweit die Rüge die Begründung des abweisenden Beschlusses des Erstgerichts kritisiert, entfernt sie sich vom Prüfungsmaßstab des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0116749 [T9], RS0121628 [T4]).

[8] Dem Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider haben die Tatrichter die verschiedenen Angaben des Opfers zur Tatbeteiligung des Beschwerdeführers nicht unberücksichtigt gelassen (US 10; RIS‑Justiz RS0118316 [T1]). Indem die Rüge diese Aussagen einer eigenständigen Bewertung unterzieht, um daraus für ihren Standpunkt günstige Schlüsse einzufordern und dabei die Erwägungen des Erstgerichts zu den Ergebnissen der molekulargenetischen Untersuchung ander Bluse des Opfers – in Form von DNA-Spuren des N*–gänzlich übergeht (US 10; siehe aber RIS-Justiz RS0119370), kritisiert sie lediglich die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer – im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) – Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

[9] Die von der weiteren Rüge erhobene Behauptung, wonach das Erstgericht festgestellt habe, der Beschwerdeführer habe durch Auseinanderdrücken der Beine nicht unerhebliche Gewalt angewendet, ist urteilsfremd (siehe US 6), womit sich das darauf abstellende Vorbringen der Mängel- und Tatsachenrüge (Z 5 fünfter Fall und Z 5a) einer inhaltlichen Erwiderung entzieht.

[10] Mit dem Hinweis, dass die Angaben des Opfers zum Niederdrücken durch den Beschwerdeführer lediglich auf Vermutungen beruhen und diesem konkrete Erinnerungen fehlen würden, weckt die weitere Tatsachenrüge (Z 5a) keine erheblichen Bedenken (zum Maßstab vgl RIS-Justiz RS0119583; zur prozessförmigen Darstellung vgl RS0118780 [T1]) gegen die Feststellungen zur Tatbeteiligung des N*.

[11] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) entfernt sich zunächst prozessordnungswidrig (RIS-Justiz RS0099810) von den Urteilskonstatierungen, wonach der Beschwerdeführer das Opfer am Oberkörper festgehalten und niedergedrückt hat sowie zur strafbaren Handlung des unmittelbaren Täters auch durch Aufzwingen eines Kusses, Unterhalten und Anwesenheit im selben Raum während des Vollzugs des Vaginalverkehrs beitrug (US 5).

[12] Sie leitet ferner nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS-Justiz RS0116565), weshalb diese Handlungen keinen Tatbeitrag (§ 12 dritter Fall StGB) zur Vergewaltigung darstellen sollten (siehe dazu RIS-Justiz RS0090508; Fabrizy in WK2 StGB § 12 Rz 87 ff), und darüber hinaus die Anwendung von Gewalt durch den Beitragstäter erforderlich wäre.

[13] Die Nichtigkeitsbeschwerde des N* war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Dies gilt auch für die angemeldete (ON 50, 2), im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehene (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld des Genannten (RIS‑Justiz RS0098904 [T18]).

[14] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche, die Berufung der Staatsanwaltschaft sowie die implizite Beschwerde des M* (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

[15] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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