European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0140OS00014.25B.0401.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht Linz zu.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * A* des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er am 1. Mai 2024 in L* * P* zu töten versucht, indem er ihm mit einem Klappmesser mit einer Klingenlänge von neun Zentimetern einen kraftvollen Stich in den Bauchbereich versetzte, wodurch dieser eine tiefe Stichverletzung mit arterieller Verletzung der Leber erlitt.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 4, 5 und 13 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
[4] Die Verfahrensrüge (Z 4) behauptet einen Verstoß gegen § 252 StPO, weil zwar das molekulargenetische Gutachten (ON 23) mangels Einverständnis des Angeklagten nicht verlesen wurde, das diesbezügliche Verlesungsverbot aber dadurch umgangen worden sei (§ 252 Abs 4 StPO), dass der polizeiliche Abschlussbericht vom 13. August 2024, welcher „eine Zusammenfassung der molekulargenetischen Auswertung und damit des Inhalts des Gutachtens Dris. N* (ON 23)“ beinhalte (ON 34.2, 7), vorgekommen und den Geschworenen „durch Bereitstellung des Gesamtaktes, der auch (gemeint:) ON 34 enthielt“, zugänglich gemacht worden sei.
[5] Sie vernachlässigt, dass nach dem (insoweit) ungerügt gebliebenen, aus Sicht des Obersten Gerichtshofs unbedenklichen (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 312) Protokoll über die Hauptverhandlung am 27. November 2024 (ON 76, 20) der Akteninhalt – nur (arg: „ansonsten“) mit Ausnahme der ON 23 – „gemäß § 252 Abs 1 Z 4 und Abs 2, 2a StPO“ einverständlich vorgetragen wurde und weder der Angeklagte noch der Verteidiger eine dieser (generellen) Zustimmung widersprechende Erklärung abgegeben haben (vgl zur Möglichkeit der Beschränkung der Zustimmung zum Vortrag auf einzelne Aktenstücke oder einzelne Teile eines Aktenstücks RIS‑Justiz RS0127712 [T1]). Da somit der (gesamte) Abschlussbericht des Landeskriminalamts Oberösterreich vom 13. August 2024 mit – nicht bloß konkludentem, wie dies die Rüge unter Hinweis auf RIS‑Justiz RS0099242 behauptet (vgl abermals ON 76, 20) – Einverständnis des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung vorgekommen ist (§ 258 Abs 1 iVm § 302 Abs 1 StPO), war der Vorsitzende der Beschwerde zuwider nicht gehalten (und auch gar nicht berechtigt), diesennach Maßgabe des § 322 zweiter Satz StPO auszusondern und geht der diesbezügliche Vorwurf einer Verletzung des Umgehungsverbots nach § 252 Abs 4 StPO (siehe dazu RIS‑Justiz RS0118038; Kirchbacher, WK‑StPO § 252 Rz 111) ins Leere.
[6] Entgegen der weiteren Verfahrensrüge (Z 5) wurde der Beschwerdeführer durch die Abweisung (ON 76, 18 ff) seiner in der Hauptverhandlung gestellten Anträge (ON 76, 17 ff) auf (mündliche) Erörterung des molekulargenetischen Sachverständigengutachtens (ON 23.2) in seinen Verteidigungsrechten nicht verletzt.
[7] Die Anträge wurden (zusammengefasst) zum Beweis gestellt, dass auf dem Griff des tatgegenständlichen Messers „eine Misch‑DNA des Opfers und des Angeklagten gefunden worden ist“, wobei aufgrund der einander widersprechenden Aussagen von Angeklagtem und Opfer zur Herkunft des Messers die Abklärung notwendig sei, „ob auch Hautpartikel und sonstige DNA‑haltige Partikel des späteren Opfers unabhängig vom Blut bei der Auswertung vorgefunden wurden oder ob es sich ausschließlich um Blut handelt, welches vom Opfer stammt“. Erst dadurch sei „eine Zuordnung der Tatwaffe auf Fakten fundiert möglich“ und würden sich Hautabriebe des Opfers nicht mit dessen Angaben decken, das Messer nie gesehen oder berührt zu haben.
[8] Während die Antragsprämisse, am Griff des Messers sei ein DNA‑Mischprofil festgestellt worden, für den Schwurgerichtshof ohnedies als erwiesen galt (ON 76, 19; RIS‑Justiz RS0099135), zielte der übrige Beweisantrag schon seinem Wortlaut nach (arg: „ob“) auf eine im Hauptverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung ab (RIS‑Justiz RS0099353, RS0118123), und sprach im Übrigen die „Zuordnung der Tatwaffe“ keinen für die Schuld‑ oder die Subsumtionsfrage erheblichen Umstand an (siehe aber RIS‑Justiz RS0116503, RS0118319). Soweit der Antrag des sich auf Notwehr berufenden Angeklagten zur Erschütterung der Glaubwürdigkeit des Opfers gestellt wurde, blieb wiederum offen, weshalb die begehrte Beweisaufnahme ergeben sollte, das Opfer habe in Bezug auf entscheidende Tatsachen die Unwahrheit gesagt (RIS‑Justiz RS0120109 [T3]).
[9] Beschwerdekritik an der Begründung des abweisenden Beschlusses des Erstgerichts entfernt sich vom Prüfungsmaßstab des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0116749, RS0121628).
[10] Die Sanktionsrüge (Z 13 zweiter Fall) behauptet einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot, weil das Erstgericht die einschlägigen Vorverurteilungen, den raschen Rückfall sowie das Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 Abs 1 und Abs 1a StGB erschwerend gewertet hat (US 5), „die Anwendung eines durch § 39 StGB erweiterten Strafrahmens, wie grundsätzlich auch fallkonkret zwingend“, der Annahme dieser Erschwerungsgründe aber zuwiderlaufe.
[11] Sie übersieht, dass sich das in § 32 Abs 2 erster Satz StGB enthaltene Gebot, Erschwerungs‑ und Milderungsgründe nur soweit bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen, als sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, ausschließlich auf – gegenständlich nicht vorliegende – subsumtionsrelevante Umstände bezieht (RIS‑Justiz RS0130193; vgl auch RIS‑Justiz RS0091527, RS0091749), und dass das Erstgericht bei einem Strafrahmen von zehn bis zu zwanzig Jahren oder lebenslanger Freiheitsstrafe (US 5) zutreffend von einem durch § 39 StGB gar nicht mehr erweiterbaren Strafrahmen ausging (vgl § 39 Abs 1 letzter Satz und Abs 1a StGB).
[12] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1, § 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 285i, 344 StPO).
[13] Die Beschwerde des Angeklagten (ON 89) gegen denBeschluss des Vorsitzenden des Schwurgerichtshofs vom 22. Jänner 2025 (ON 85), mit welchem sein Antrag auf Berichtigung des Protokolls über die Hauptverhandlung abgewiesen wurde, ist damit – ohne dass es einer inhaltlichen Erwiderung bedarf – erledigt, weil die Nichtigkeitsbeschwerde auch im Fall der beantragten Berichtigung, welche lediglich darauf abzielte, ein „Interesse“ eines Geschworenen am DNA-Gutachten aufzuzeigen, erfolglos geblieben wäre (RIS‑Justiz RS0126057 [T2]).
[14] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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