OGH 13Os93/25p

OGH13Os93/25p15.10.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Oktober 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Mag. Schiener in der Strafsache gegen * M* wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen sowie im Verfahren zur strafrechtlichen Unterbringung des Genannten in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Geschworenengericht vom 22. Mai 2025, GZ 29 Hv 10/25g-115.13, ferner über die Beschwerde des Angeklagten gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und einer bedingten Entlassung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0130OS00093.25P.1015.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wirdzurückgewiesen.

Aus deren Anlass werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Anordnung der strafrechtlichen Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB und demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie der Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und einer bedingten Entlassung aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang an das Geschworenengericht des Landesgerichts Krems an der Donau zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung verwiesen.

Mit seiner Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe und seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * M* jeweils eines Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, 3 und 3a Z 3 StGB (I), des Mordes nach §§ 15, 75 StGB (II) und der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB (III) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er – soweit hier von Bedeutung – in G* und andernorts

(I) von Mitte Mai 2024 bis zum 11. August 2024 gegen * H* eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, indem er sie am Körper misshandelte und vorsätzliche mit Strafe bedrohte Handlungen gegen Leib und Leben und die Freiheit beging, wobei er dadurch die umfassende Kontrolle des Verhaltens der verletzten Person herstellte und eine erhebliche Einschränkung ihrer autonomen Lebensführung bewirkte, indem er ihr zum Beispiel nicht gestattete, die Wohnung ohne seine Erlaubnis zu verlassen, ihr das Handy abnahm und sie nur mit seinem Einverständnis essen oder duschen ließ, und zwar dadurch, dass er

a) sie durch die nahezu tägliche Drohung, er würde Kurden anheuern, die sie abstechen und ihrer Familie etwas antun, gefährlich mit dem Tod auch nahestehender Personen bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen,

b) sie am 29. Juli 2024 mit Gewalt, und zwar indem er sie auf den Balkon drängte und zu ihr sagte, sie solle ihm zeigen, wie sehr sie sterben will, genötigt, sich auf die Brüstung zu setzen, und

c) sie durch nahezu tägliche Verabreichung von Suchtgift in einen andauernden Drogenrausch versetzte, somit an der Gesundheit schädigte,

wobei er im Rahmen dessen wiederholt Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und Integrität beging, indem er sie in zumindest fünf Fällen durch Gewalt, nämlich der erwähnten Verabreichung von Drogen, zur Duldung des Beischlafs mit anderen Personen nötigte und in einer Vielzahl von Angriffen gegen ihren Willen den Beischlaf mit ihr unternahm, sowie

(II) vom 2. auf den 3. Juni 2024 * H* dazu gedrängt, mehrere Ecstasy-Tabletten auf einmal einzunehmen, um sie durch eine Überdosis Suchtgift zu töten, wobei es nur deshalb beim Versuch blieb, weil sie die Vergiftung überlebte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegen den Schuldspruch II richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 6 und 8 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Die Fragenrüge (Z 6) wendet sich gegen das Unterbleiben einer Zusatzfrage zur von den Geschworenen bejahten Eventualfrage, und zwar danach, „ob ein absolut untauglicher Versuch im Sinne des § 15 Abs 3 StGB vorliegt“. Da sie nicht sagt, welcher konkrete Straflosigkeitsgrund (dazu Lässig, WK‑StPO § 313 Rz 3 f) aus ihrer Sicht insoweit verwirklicht sein soll, entzieht sie sich schon von vornherein einer meritorischen Erledigung (vgl RIS‑Justiz RS0100622).

[5] Hinzugefügt sei, dass den Geschworenen bei Vorliegen von in die Richtung von Versuchsuntauglichkeit nach § 15 Abs 3 StGB weisenden Verfahrensergebnissen keine Zusatzfrage zu stellen ist, sondern ihnen durch die Aufnahme der die Tatvollendung hindernden Umstände in die Haupt- oder Eventualfrage die Möglichkeit zu geben ist, in ihrem Wahrspruch diesbezügliche Feststellungen zu treffen (RIS‑Justiz RS0090109 und RS0090470; Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 30 und 45; Lässig, WK-StPO § 313 Rz 14 und 17 sowie Bauer/Plöchl in WK2 StGB § 15, 16 Rz 253). Dem wurde bei der Fragestellung entsprochen (ON 115.5 S 5).

[6] Eine prozessordnungsgemäße Ausführung der Instruktionsrüge (Z 8) verlangt den Vergleich des gesamten Inhalts der tatsächlich erteilten Rechtsbelehrung (§§ 321, 323 Abs 1 und 327 Abs 1 StPO) mit deren nach § 321 Abs 2 StPO erforderlichem Inhalt und die darauf gegründete deutliche und bestimmte Darstellung der Unrichtigkeit der den Geschworenen zuteil gewordenen juristischen Information (RIS‑Justiz RS0100695 [insbesondere T7] und RS0119549). Diese Anforderungen verfehlt die Beschwerde, indem sie Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung behauptet, dabei aber jene zur Abgrenzung des straflosen absolut untauglichen vom strafbaren relativ untauglichen Versuch (ON 115.9 S 15 f) übergeht.

[7] Die Behauptung absolut untauglichen Versuchs (der Sache nach Z 11 lit a) leitet nicht aus dem Gesetz ab, weshalb die Verwirklichung eines Mordes nach § 75 StGB durch das von den Geschworenen festgestellte (eingangs dargelegte) Tatgeschehen aus der ex-ante-Sicht eines über den Tatplan informierten verständigen Beobachters bei generalisierender Betrachtung, also losgelöst von den Besonderheiten des Einzelfalls, geradezu denkunmöglich gewesen sein sollte (dazu RIS‑Justiz RS0115363 und RS0098852 sowie Bauer/Plöchl in WK2 StGB §§ 15, 16 Rz 72, 82 ff mwN).

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß §§ 344, 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[9] Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof (ebenfalls in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur), dass dem angefochtenen Urteil im Ausspruch der strafrechtlichen Unterbringung des Angeklagten in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB nicht geltend gemachte materielle Nichtigkeit aus § 345 Abs 1 Z 13 erster Fall StPO anhaftet, die zum Nachteil des Angeklagten wirkt und daher von Amts wegen wahrzunehmen war (§§ 344, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

[10] Bei einer Person, die zur Zeit der Tat das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, kann Anlass einer strafrechtlichen Unterbringung nach § 21 StGB nur eine Tat sein, für die nach den allgemeinen Strafgesetzen lebenslange Freiheitsstrafe oder eine Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens zehn Jahren angedroht ist (§ 19 Abs 2 JGG iVm § 5 Z 6b JGG).

[11] Die vom Schuldspruch III erfasste Tat ist nach § 144 Abs 1 StGB mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bedroht.

[12] Indem das Erstgericht die Unterbringung des im Tatzeitraum jungen Erwachsenen (§ 1 Abs 1 Z 5 JGG) in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB auf alle drei Schuldsprüche (US 7), somit auch auf eine Tat stützte, die – mangels unterbringungsrelevanter Strafdrohung – keine Grundlage für die Anordnung der Maßnahme bildet, hat es seine Sanktionsbefugnis überschritten.

[13] Mit Blick auf den vorliegenden untrennbaren Zusammenhang (§§ 344, 289 StPO) zwischen der Anordnung nach § 21 Abs 2 StGB und dem Strafausspruch (RIS‑Justiz RS0100108 und RS0115054) war auch Letzterer sowie der Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und einer bedingten Entlassung aufzuheben.

[14] Mit seiner Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe und mit seiner Beschwerde war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

[15] Die Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche kommt dem Oberlandesgericht zu (§§ 344, 285i StPO).

[16] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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