European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0130OS00005.25X.0319.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufung des Angeklagten M* werden zurückgewiesen.
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion der vom Schuldspruch der Angeklagten * C* und M* umfassten Taten auch nach § 130 Abs 3 (iVm Abs 1 erster Fall) StGB sowie in der dazu gebildeten Subsumtionseinheit, demzufolge auch im * C* und M* betreffenden Strafausspruch (einschließlich der jeweiligen Vorhaftanrechnung) aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Leoben verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte * C* auf die Aufhebung seines Strafausspruchs verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten S* und I* werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Den Angeklagten S*, I* und M* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerden von Bedeutung – S* und I* je des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 2, 129 Abs 2 Z 1 (iVm Abs 1 Z 1) StGB schuldig erkannt.
[2] Danach haben sie zu den strafbaren Handlungen des * C* und des M*, welche am 4. Juni 2024 und am 10. Juni 2024 in * M* und andernorts im bewussten und gewollten Zusammenwirken teils mit einer weiteren Person als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) in neun Angriffen fremde bewegliche Sachen im Gesamtwert von zumindest 2.010 Euro im Urteil bezeichneten Personen teils durch Einbruch in Wohnstätten, teils in einem der Religionsausübung dienenden Raum wegnahmen und wegzunehmen versuchten (§ 15 StGB), mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz (US 14) beigetragen (§ 12 dritter Fall StGB), indem sie den eigens zur Tatbegehung aus Rumänien in das österreichische Bundesgebiet eingereisten * C* und M* in Kenntnis um die (intendierten und sodann planmäßig ausgeführten) schweren und durch Einbruch begangenen Diebstähle ihre Unterkunft an der Adresse H*, als Ausgangs-, Aufenthalts‑ und Rückzugsort zur Verfügung stellten.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richten sich die in einem Schriftsatz gemeinsam ausgeführten und auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten S* und I*.
[4] Bezugspunkt der Mängelrüge (Z 5) ist der Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen, also – soweit hier von Interesse (Sanktionsfragen werden nicht angesprochen) – über schuld‑ oder subsumtionsrelevante Tatumstände (RIS‑Justiz RS0106268), wobei überdies zur deutlichen und bestimmten Bezeichnung eines Begründungsmangels konkret auf jene Feststellungen Bezug genommen werden muss, auf die sich dieser beziehen soll (RIS‑Justiz RS0130729).
[5] Während sich Unvollständigkeit im Sinn der Z 5 zweiter Fall des § 281 Abs 1 StPO auf die Begründungsebene bezieht (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 16 und 18), ist von einem Mangel an Feststellungen im Sinn der Z 9 und 10 des § 281 Abs 1 StPO dann die Rede, wenn die zur Beurteilung der Strafbarkeit eines Verhaltens oder dessen rechtsrichtiger Subsumtion erforderlichen Tatsachenfeststellungen den Entscheidungsgründen nicht zu entnehmen, also die entscheidenden Tatsachen nicht festgestellt worden sind (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 17).
[6] Soweit die Beschwerde Feststellungen dazu vermisst (der Sache nach Z 9 lit a), „ab welchem Zeitpunkt die Wissentlichkeit der Dritt‑ und des Viertangeklagten vorlag und auf was diese Wissentlichkeit tatsächlich gerichtet war“, „ob der Vorsatz zum Tatbeitrag gemeinsam und gleichzeitig von der Dritt- und dem Viertangeklagten gefasst wurde“ und „wie der jeweilige Vorsatz bei den beiden Angeklagten jeweils ausgeprägt war“, leitet sie nicht aus dem Gesetz ab, weshalb die Konstatierungen des Erstgerichts in Bezug auf das Wissen und Wollen der Beschwerdeführer (US 13 f iVm US 3 f) für eine rechtsrichtige Beurteilung als Verbrechen des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 2, 129 Abs 2 Z 1 (iVm Abs 1 Z 1) StGB in der Täterschaftsform des § 12 dritter Fall StGB nicht ausreichen sollten (RIS‑Justiz RS0116565).
[7] Das Vorbringen, das Erstgericht nehme „[o]hne nähere Feststellung […] im Rahmen der Beweiswürdigung an“, dass davon auszugehen sei, „dass auch die Drittangeklagte Kenntnis vom Tatplan hatte und einen Beitrag hiezu leistete, dies obwohl konträr festgestellt wird, dass lediglich der Viertangeklagte mit seinem Bruder telefoniert und Unterschlupf gewährte“, lässt keinen Bezug zu den Kriterien der Nichtigkeitsgründe erkennen.
[8] Soweit die Rüge die Konstatierungen zur Beitragstäterschaft der S* (US 4) als nicht oder als offenbar unzureichend begründet ansieht (der Sache nach Z 5 vierter Fall), versäumt sie es prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0119370), die Gesamtheit der diesbezüglichen Entscheidungsgründe in den Blick zu nehmen (US 17 bis 21).
[9] Nach der Prozessordnung sind ausschließlich die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO), deren Referat im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) und die zu den getroffenen Feststellungen angestellten Erwägungen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) mögliche Bezugspunkte innerer Urteilswidersprüchlichkeit (15 Os 51/04, SSt 2004/43; RIS‑Justiz RS0119089; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 437). Indem die Beschwerde das Vorliegen dieses Nichtigkeitsgrundes (Z 5 dritter Fall) aus der spekulativen Prämisse entwickelt, es sei in einem der gegenständlichen Fälle „zu einer, möglich auch, zufälligen weiteren Tat“ gekommen, verlässt sie demnach den gesetzlichen Anfechtungsrahmen.
[10] Soweit die Rüge Konstatierungen zur Förderungshandlung und zum Vorsatz der S* vermisst (der Sache nach Z 9 lit a), dabei aber die genau dazu getroffenen Feststellungen (US 10 und 13 f) übergeht, verfehlt sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).
[11] Die Feststellungen zur Setzung einer für den Tatablauf kausalen Handlung finden sich auf den US 10 iVm US 13 f. Die Behauptung, „[e]s fehlen jedoch prüfbare Feststellungen welche Handlungen der Dritt‑ und/oder des Viertangeklagten tatsächlich kausal und tatfördernd waren um die Beitragstäterschaft von ihnen festzustellen und zu begründen“ (der Sache nach Z 9 lit a), übergeht diese Feststellungen des Erstgerichts, womit sich die Rüge auch insoweit einer inhaltlichen Erwiderung entzieht (erneut RIS‑Justiz RS0099810).
Zur Berufung des Angeklagten M*:
[12] Nach der Aktenlage erklärte die Verteidigerin des M* mit Schreiben vom 2. Dezember 2024 einen Rechtsmittelverzicht (ON 112.2). Dieser rechtswirksam erklärte Rechtsmittelverzicht ist unwiderruflich (RIS‑Justiz RS0099945).
[13] Am 11. Dezember 2024 langte beim Erstgericht ein selbstverfasstes, als „Beschwerde“ bezeichnetes, aber inhaltlich gegen den Ausspruch über die Strafe gerichtetes und solcherart als Berufung zu wertendes Schreiben des M* ein (ON 115).
[14] Diese Berufung wurde – wie dargestellt – von einer Person eingebracht, die auf sie verzichtet hat (§ 294 Abs 4 erster Satz StPO).
[15] Es waren daher die Nichtigkeitsbeschwerden gemäß § 285d Abs 1 StPO und die Berufung des Angeklagten M* gemäß § 296 Abs 2 StPO iVm § 294 Abs 4 erster Satz StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
[16] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon, dass die Subsumtion der vom Schuldspruch der Angeklagten * C* und M* (je wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 2, 129 Abs 2 Z 1 [iVm Abs 1 Z 1], 130 Abs 3 [iVm Abs 1 erster Fall] und 15 StGB) umfassten Taten (auch) nach § 130 Abs 3 (iVm Abs 1 erster Fall) StGB mit nicht geltend gemachter Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 10 StPO behaftet ist (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):
[17] Den bloß auf den Gesetzeswortlaut des § 70 Abs 1 StGB reduzierten Urteilsannahmen, wonach es den Angeklagten darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung von Einbruchsdiebstählen in Wohnstätten „eine längere Zeit hindurch ein fortlaufendes, über dem Betrag von EUR 400,00 liegendes, monatliches Durchschnittseinkommen zu verschaffen“ (US 10 f und 13), mangelt es zur zeitlichen Komponente der durch wiederholte Tatbegehung beabsichtigten Verschaffung einer fortlaufenden Einnahme an einem hinreichenden Sachverhaltsbezug (RIS‑Justiz RS0119090 [T8, T11, T14 und T15]; Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 70 Rz 7).
[18] Dies führte – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO). In diesem Umfang war die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Leoben zu verweisen.
[19] In Bezug auf den Schuldspruch der Angeklagten S* und I* sah sich der Oberste Gerichtshof hingegen nicht zu einem Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO veranlasst:
[20] Nach den Feststellungen des Erstgerichts wussten S* und I*, dass die unmittelbaren Täter fremde bewegliche Sachen anderen (auch) durch Einbruch in Wohnstätten wegnehmen wollten, um sich oder einen Dritten durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern (US 13 f), und wollten sie die unmittelbaren Täter dabei durch das Zurverfügungstellen ihrer Unterkunft unterstützen (US 14 iVm US 21).
[21] Solcherart hat das Erstgericht auch den auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatz der Beitragstäter (bezogen auf einen Dritten) unmissverständlich festgestellt.
[22] Mit seiner Berufung war der Angeklagte * C* auf die Aufhebung seines Strafausspruchs zu verweisen.
[23] Die Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten S* und I* kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
[24] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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