European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0130OS00049.25T.0702.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Suchtgiftdelikte
Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * M* wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch dieses Angeklagten (III), demzufolge auch im ihn betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben, hinsichtlich * M* eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * P* wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde des Angeklagten * P* werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Der Angeklagte * M* wird mit seiner Berufung auf die Aufhebung des ihn betreffenden Strafausspruchs verwiesen.
Dem Angeklagten * P* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit hier von Bedeutung – * P* mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG (II 1 a), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG (II 2 b), mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall, Abs 2 SMG (II 3) und des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (IV) sowie * M*des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG (III) schuldig erkannt.
[2] Danach haben
(II) vorschriftswidrig Suchtgift mit einem durchschnittlichen Reinheitsgrad von 80 % (US 6 und 9)
1) von etwa der Jahresmitte 2023 bis zum 9. Jänner 2024 im Urteil namentlich genannten Abnehmern überlassen, und zwar
a) * P* teilweise im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit * Z* insgesamt 232 Gramm 3‑CMC und
b) * Z* teilweise im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit * P* insgesamt 262 Gramm 3‑CMC,
2) vom 10. Jänner 2024 bis zum 20. Juni 2024 im Urteil jeweils namentlich genannten Abnehmern überlassen, und zwar
a) * Z* in einer das 25‑Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich insgesamt 1.074 Gramm 3‑CMC,
b) * P* in einer das 15‑Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich890 Gramm 3‑CMC, sowie
3) besessen, und zwar * P*, indem er von Mitte 2023 bis zum 20. Juni 2024 über die zuvor genannten Mengen hinaus unbekannte Mengen 3‑CMC zum persönlichen Gebrauch innehatte,
(III) * M* vom April 2024 bis zum 20. Juni 2024 zu dem zu II 2 a beschriebenen Suchtgifthandel des * Z* in Bezug auf eine das 15‑Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigende Menge von zumindest 640 Gramm 3‑CMC (beinhaltend 512 Gramm 3‑CMC‑Base) dadurch beigetragen (§ 12 dritter Fall StGB), dass er ihm beim Vorbereiten des Suchtgifts sowie beim Verkauf behilflich war und ihn teilweise zu den Suchtgiftübergaben chauffierte, weiters
IV) * P* am 20. Juni 2024, wenn auch nur fahrlässig, eine Waffe, nämlich einen Pfefferspray, besessen, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG verboten worden war.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richten sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * P* und die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * M*.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten P*:
[4] Der Umstand der „gewinnbringenden Veräußerung“ ist für die Frage der Strafbarkeit des vorschriftswidrigen Überlassens von Suchtgift an andere in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG nicht von Bedeutung.
[5] Soweit sich die Mängelrüge (Z 5) gegen diesbezügliche Urteilsaussagen richtet und einwendet, dass der Beschwerdeführer eine Teilmenge von fünf Gramm 3‑CMC nicht gewinnbringend verkauft, sondern „lediglich überlassen“ habe, verfehlt sie somit den Bezugspunkt der vorgenommenen Anfechtung (RIS‑Justiz RS0106268).
[6] Ebenso wenig bezieht sich die Kritik, wonach das Erstgericht nicht geklärt habe, bei welchen Einzelgeschäften der Beschwerdeführer gemeinsam mit dem Mitangeklagten Z* und bei welchen er alleine gehandelt habe, auf eine entscheidende, also für den Schuldspruch oder die Subsumtion maßgebliche Tatsache (siehe aber RIS‑Justiz RS0106268 und RS0013731).
[7] Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang von „Beitragstäterschaft“ (§ 12 dritter Fall StGB) spricht, verkennt sie im Übrigen grundlegend, dass Täter, die – wie hier festgestellt (US 8) – bei der Ausführung der Tat bewusst und gewollt zusammenwirken, Mittäter und solcherart (ebenso wie alleine handelnde Ausführungstäter) unmittelbare Täter (§ 12 erster Fall StGB) sind (Fabrizy in WK2 StGB § 12 Rz 26 mwN). Hinzugefügt sei, dass selbst unterschiedliche Formen der Täterschaft (§ 12 erster, zweiter oder dritter Fall StGB) weder die Schuld‑ noch die Subsumtionsfrage tangieren (RIS‑Justiz RS0013731, RS0090765 und RS0117604).
[8] Die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO sind voneinander wesensmäßig verschieden und daher gesondert auszuführen, wobei unter Beibehaltung dieser klaren Trennung deutlich und bestimmt jene Punkte zu bezeichnen sind, durch die sich der Nichtigkeitswerber für beschwert erachtet (RIS‑Justiz RS0115902).
[9] Die Erklärung der Mängelrüge, wonach hilfsweise auch der Nichtigkeitsgrund gemäß § 281 Abs 1 Z 10 StPO geltend gemacht werde, wird diesen Anforderungen nicht gerecht.
[10] Der Sanktionsrüge (Z 11) zuwider verstößt die Wertung der „mehrfachen Grenzmengenüberschreitung“ im Hinblick darauf, dass dem Angeklagten zum Schuldspruch II 2 b das Überlassen von Suchtgift in einer nicht bloß das 15‑Fache, sondern das 23‑Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge zur Last liegt (US 9), nicht gegen das Doppelverwertungsverbot (vgl RIS‑Justiz RS0088028).
[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde des * P* war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten M*:
[12] Die Mängelrüge (Z 5) zeigt im Ergebnis zutreffend auf, dass die für die Subsumtion nach einem der Tatbestände des § 28a SMG entscheidenden Feststellungen des Erstgerichts zur Menge des tatverfangenen Suchtgifts offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall) sind.
[13] Insoweit wurde vom Erstgericht erwogen, dass der unmittelbare Täter * Z* vom 10. Jänner 2024 bis zum 24. Juni 2024 („also in rund 5 Monaten“) zumindest 1.074 Gramm 3‑CMC diversen Abnehmern überließ (US 21). Ausgehend von dieser Menge und der Annahme, dass der Angeklagte M* vom 1. April 2024 bis zum 20. Juni 2024 („3 Monate“) durch im Urteil beschriebene Handlungen zum Suchtgifthandel des unmittelbaren Täters beitrug (§ 12 dritter Fall StGB), errechnete es eine dem Angeklagten M* zurechenbare Menge von rund 640 Gramm („1074:5=214,8; 214,8x3=644,4 Gramm“; [US 20 f]).
[14] Diese Ableitung – die das Erstgericht einzig und allein als Begründung für die dem Angeklagten M* zugerechnete Suchtgiftmenge anführt – widerspricht den Denkgesetzen, weil die Zeiträume vom 1. April 2024 bis zum 20. Juni 2024 (81 Tage) einerseits und vom 10. Jänner 2024 bis zum 31. März 2024 (82 Tage) andererseits fast gleich lang sind.
[15] Der in Bezug auf den Schuldspruch des Angeklagten M* aufgezeigte Begründungsmangel erforderte – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – die Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO).
[16] Ein Eingehen auf das weitere Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde erübrigt sich.
[17] Mit Blick auf die Feststellungen des Erstgerichts, wonach die Angeklagten P* und Z* das Suchtgift jeweils im Rahmen einer von Mitte 2023 bis zur ihrer Festnahme am 20. Juni 2024 andauernden tatbestandlichen Handlungseinheit (RIS‑Justiz RS0122006) anderen überlassen haben (US 8 und 12), erweist sich das zusätzliche Anlasten der zu den Schuldsprüchen II 1 a und II 1 b beschriebenen, vor dem 10. Jänner 2024 gesetzten Tathandlungen jeweils als (mehrere) Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG als verfehlt. Der Umstand der Festsetzung einer Grenzmenge für den Wirkstoff 3‑CMC (Anhang V.2. der Suchtgiftverordnung) erstmals mit 10. Jänner 2024 durch die Änderung der Suchtgiftgrenzmengenverordnung BGBl II 2024/6 ist hier entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts (US 23) unter dem Aspekt des Bestehens einer tatbestandlichen Handlungseinheit und solcherart auch aus dem Blickwinkel der Subsumtion nicht von Bedeutung (vgl RIS‑Justiz RS0087874).
[18] Da der dargelegte, auch von der Generalprokuratur zutreffend aufgezeigte Subsumtionsfehler (Z 10) hinsichtlich der Angeklagten P* und Z* weder den Strafrahmen (US 4) noch den vom Erstgericht jeweils angenommenen Erschwerungsgrund des Zusammentreffens von Verbrechen mit Vergehen (US 24) berührt, sah sich der Oberste Gerichtshof insoweit zu einem amtswegigen Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO nicht veranlasst.
[19] Die Entscheidung über die Berufung und die als erhoben zu betrachtende Beschwerde (§ 498 Abs 3 dritter Satz StPO) des Angeklagten * P* kommt dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).
[20] Der Angeklagte M* war mit seiner Berufung auf die Aufhebung des ihn betreffenden Strafausspruchs zu verweisen.
[21] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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