Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 15 (fünfzehn) Monate herabgesetzt.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 3.Februar 1937 geborene Hilfsarbeiter Josef A wurde mit dem angefochtenen Urteil des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach § 83 Abs. 2, 86 StGB schuldig erkannt. Inhaltlich des Schuldspruchs hat er am 15.August 1983 in Wien Anton B dadurch, daß er ihm eine Ohrfeige versetzte und ihn sodann mit der Hand gegen die Brust oder Schulter stieß, sodaß er rücklings über vier Stufen stürzte und dabei mit dem Kopf aufschlug, am Körper mißhandelt, wobei die Tat den Tod des Anton B zur Folge hatte.
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 4, 5, 9 lit. a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt. Den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf Vornahme eines Lokalaugenscheins im Beisein der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen (S. 110). Er wurde jedoch durch das bezügliche Zwischenerkenntnis (S. 111 in Verbindung mit S. 119) in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt. Denn der Lokalaugenschein war 'zur Rekonstruktion jener Wegstrecke, die der später Verstorbene vom Empfang des Stoßes bis zur Türe zurücklegte' und zum Beweis dafür beantragt worden, 'daß der Verstorbene nicht durch die Wucht des ihm vom Angeklagten versetzten Stoßes, sondern infolge seiner Alkoholisierung aus der Türe stürzte'. In bezug auf die erwähnte Wegstrecke, der überdies, wie das Erstgericht zutreffend annahm, keine entscheidende Bedeutung zukommt, folgte aber der Schöffensenat ohnedies der eigenen Darstellung des Angeklagten (vgl. S. 102 und S. 116, 117), und zur Klärung der Frage, ob Anton B infolge des ihm vom Angeklagten versetzten Stoßes oder ohne Zusammenhang mit diesem infolge seiner Alkoholisierung aus der Türe stürzte, war es keineswegs erforderlich, die Zeugen (auch) an Ort und Stelle zu vernehmen.
Unrichtig ist die auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO gestützte Beschwerdebehauptung, das Erstgericht habe im Urteil den sich auf Notwehr berufenden Teil der Verantwortung des Angeklagten (S. 103) übergangen.
Denn abgesehen davon, daß in der Urteilsbegründung hierauf sogar ausdrücklich Bezug genommen wird (S. 121), traf das Erstgericht die einschlägigen Feststellungen in tatsächlicher Hinsicht ohnehin gemäß der Darstellung des Angeklagten, wonach die Tätlichkeiten von Anton B eröffnet wurden, der 'vorerst dem Angeklagten zwei Ohrfeigen versetzte' (S. 116). Daß die Gefahr bestand, Anton B werde weiter auf den Angeklagten einschlagen und dabei dessen körperliche Unversehrheit angreifen oder daß der Angeklagte einen weiteren Angriff auf seine körperliche Unversehrtheit irrigerweise angenommen hätte, hat der - sich in der Hauptverhandlung im Sinn der Anklage schuldig bekennende (S. 101) - Angeklagte hingegen nicht behauptet. In dieser Beziehung waren daher weitere Urteilserörterungen in tatsächlicher wie auch in rechtlicher Hinsicht, insbesondere darüber, ob der Angeklagte allenfalls in Putativnotwehr gehandelt haben könnte, worauf die Beschwerde unter Bezugnahme auf § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO anspielt, entbehrlich.
Mit der Rechtsfrage aber, ob auf Grund der in tatsächlicher Hinsicht getroffenen Feststellungen eine Notwehrsituation gegeben war und ob sich der Angeklagte zur Abwehr eines allfälligen auf seine körperliche Unversehrtheit gerichteten Angriffs (nur) der notwendigen Verteidigung bediente, hat sich das Schöffengericht ohnedies auseinandergesetzt, jedoch das Vorliegen einer Notwehrsituation - der vom Beschwerdeführer der Sache nach unter Geltendmachung des Nichtigkeitsgrunds des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO vertretenen Ansicht zuwider - zutreffend verneint. Dies nicht nur deshalb, weil der Angriff des stark betrunkenen Anton B kaum Verletzungsfolgen befürchten ließ, sodaß nach Lage des Falls erhebliche Zweifel daran bestehen, ob er überhaupt als ein Angriff auf die körperliche Unversehrtheit des Angeklagten beurteilt werden kann (vgl. hiezu Leukauf-Steininger 2 , § 3, StGB, RN. 78 sowie Steininger: Die Notwehr in der neuen Rechtsprechung des OGH., ÖJZ. 1980 S. 229), sondern vor allem deshalb, weil der von Anton B geführte (lediglich das Versetzen zweier Ohrfeigen umfassende) Angriff den tatsächlichen Urteilsannahmen zufolge zu jenem Zeitpunkt, zu dem der Angeklagte die ihm angelastete entscheidende Tathandlung (Stoß) setzte, bereits abgeschlossen war. Der Angeklagte hatte auf diesen Angriff seinerseits schon mit zwei Schlägen in das Gesicht des Anton B reagiert. Nicht wegen eines noch andauernden, im Zuge befindlichen oder unmittelbar drohenden Angriffs, sondern 'da der Angeklagte über das (zu ergänzen: vorangegangene) Verhalten des Anton B zornig war, versetzte er diesem als weitere Mißhandlung einen Stoß' (S. 117), der sodann zu den schweren, letztlich den Tod des Anton B bewirkenden Schädelverletzungen führte. Auf die weitere (im angefochtenen Urteil angeschnittene) Frage, ob es dem Angeklagten zuzumuten war, eine Konfrontation mit dem (betrunkenen) Angreifer überhaupt zu vermeiden (vgl. hiezu Leukauf-Steininger 2 , § 3 StGB, RN. 87; Steininger in ÖJZ. 1980, S.
231) braucht demnach nicht mehr eingegangen zu werden. Da zur Zeit der Vornahme der entscheidenden Tathandlung keine Notwehrsituation gegeben war, scheidet aber auch die - vom Beschwerdeführer mit Berufung auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO reklamierte - Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes als Notwehrexzeß aus.
Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 86 StGB eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren. Bei der Strafbemessung waren die fünf auf gleicher schädlicher Neigung beruhenden Vorstrafen sowie die rasche Aufeinanderfolge der letzten Verurteilungen und dieser Tat erschwerend, mildernd hingegen das Geständnis und die Provokation durch das spätere Tatopfer. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe an. Er verweist auf die vom Erstgericht angenommenen Strafzumessungsgründe und behauptet, der Tod des Anton B sei durch einen 'unglücklichen tragischen Zufall' eingetreten.
Diesem Rechtsmittel kommt im Ergebnis Berechtigung zu:
Aus den Vorstrafakten zeigt sich, daß mehrere der Vorfälle, die zu den fünf Verurteilungen des Angeklagten wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB führten (mehr oder weniger erkennbar) auf eine Provokation, oft im Familienkreis, zurückgingen und die Tätlichkeiten dann auch auf den Familienkreis beschränkt blieben.
Der Angeklagte reagierte mithin - so auch im vorliegenden Fall - nur auf Angriffe anderer gleichfalls aggressiv. Dies nimmt den Vorverurteilungen etwas von ihrem erschwerenden Gewicht. Dazu kommt, daß der Angeklagte offenbar zu jenen Menschen gehört, denen es an der Fähigkeit zur verbalen Austragung von Konflikte weitgehend gebricht, Auseinandersetzungen mit andern also handgreiflich ausgetragen werden. Die Herausforderung des Angeklagten durch Anton B war jedoch auch hier auslösendes Moment und wurde daher vom Landesgericht - zutreffend - als Milderungsumstand gewertet. Über den nunmehr 47-jährigen Angeklagten waren bisher immer nur Geldstrafen (zwischen 1.600 S und 5.000 S) verhängt worden. Unter den aufgezeigten Gesichtspunkten hält der Oberste Gerichtshof bei der nicht sonderlich aggressiven Tathandlung (ein Stoß gegen die Brust oder die Schulter des andern; S. 117) eine erstmalige Freiheitsstrafe von fünfzehn Monaten für tat- und tätergerecht. Dafür war unter anderem auch bestimmend, daß nicht Verletzungs- (§ 83 Abs. 1 StGB), sondern nur Mißhandlungsvorsatz (§ 83 Abs. 2 StGB) angenommen worden war (S. 117).
Allerdings kann der Eintritt der Todesfolge - der Meinung des Rechtsmittelwerbers zuwider - nicht als unglücklicher Zufall in der Bedeutung eines (zusätzlichen) Milderungsgrunds herangezogen werden. Diese Folge ist ihm strafrechtlich voll zuzurechnen, weil es für den Tatbestand nach § 83 Abs. 2, 86 StGB deliktsspezifisch ist, daß sich der Vorsatz des Täters nur auf eine Mißhandlung am Körper bezieht, die an eine besondere Folge der Tat geknüpfte schwerere Strafe - hier des § 86 StGB - den Täter aber trifft, wenn er diese Folge - hier den Tod des Angegriffenen - wenigstens fahrlässig herbeigeführt hat (§ 7 Abs. 2 StGB).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)