European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0130NS00011.25H.0319.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Für die Durchführung des Strafverfahrens ist das Bezirksgericht Wels zuständig.
Gründe:
[1] Mit beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien eingebrachtem Strafantrag vom 29. November 2024 legte die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption * M* und* Ma* als jeweils mehrere Vergehen der Fälschung eines Beweismittels nach §§ 12 dritter Fall, 293 Abs 2 StGB beurteilte Verhaltensweisen zur Last.
[2] Danach haben sie jeweils vom März 2019 bis zum Mai 2019 in acht Angriffen zur strafbaren Handlung eines (nicht angeklagten) Dritten beigetragen, der falsche Beweismittel, nämlich inhaltlich unrichtige Bestätigungen verschiedener Unternehmen über (angeblich erbrachte) Vortragstätigkeiten des Ma*, durch Vorlage in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren vor der Präsidentin des Handelsgerichts Wien gebrauchte, um die Verlängerung der Eintragung des Ma* in die Gerichtssachverständigen- und Gerichtsdolmetscherliste (§ 2 Abs 1 SDG) zu erreichen, indem M* „in Absprache mit […] Ma* jeweils die falschen Vortragsbestätigungen durch die Unternehmen ausstellen ließ“ (ON 27).
Rechtliche Beurteilung
[3] Mit „Beschluss“ (richtig Verfügung) vom 14. Jänner 2025 überwies das Bezirksgericht Innere Stadt Wien mit dem Bemerken, nach der Aktenlage seien „zumindest die ersten Vortragsbestätigungen allesamt durch Firmen in Wels ausgestellt“ worden, die Strafsache dem Bezirksgericht Wels (ON 1.6). Dieses bezweifelte seine Zuständigkeit mit dem Hinweis, „aus dem Anklagevorwurf“ ergebe sich „der Tatort Wien (HG Wien)“, und verfügte am 5. Februar 2025 gemäß § 38 letzter Satz StPO die Vorlage der Akten an den Obersten Gerichtshof (ON 1.7).
Dieser hat erwogen:
[4] Gemäß § 37 Abs 1 erster Satz StPO ist im (hier gegebenen) Fall gleichzeitiger Anklage mehrerer beteiligter Personen (§ 12 StGB) oder einer Person wegen mehrerer Straftaten das Hauptverfahren vom selben Gericht gemeinsam zu führen. Da vorliegend keiner der übrigen Anknüpfungspunkte des § 37 Abs 2 StPO eingreift (zur mangelnden Zuständigkeitsbegründung über die das Ermittlungsverfahren leitende Staatsanwaltschaft vgl RIS‑Justiz RS0129078), kommt das Verfahren dem Gericht zu, in dessen Zuständigkeit die frühere Straftat fällt (§ 37 Abs 2 zweiter Satz StPO). Diese wiederum bestimmt sich nach der Rangfolge des § 36 Abs 3 StPO.
[5] Danach ist primär jenes Gericht zuständig, in dessen Sprengel die Straftat ausgeführt wurde oder ausgeführt werden sollte (§ 36 Abs 3 erster Satz StPO). Ausführungsort ist jener Ort, an dem der Täter gehandelt hat oder hätte handeln sollen (RIS-Justiz RS0127231 [T2]). Insofern gäbe – weil keinem der Angeklagten unmittelbare Täterschaft (§ 12 erster Fall StGB) zur Last liegt – vorliegend den Ausschlag, wo die früheste vom Anklagevorwurf umfasste Beitragshandlung eines der Angeklagten gesetzt worden sein soll.
[6] Täterin dieser „frühere[n]“ Tat wäre nach der Verdachtslage (vgl ON 25.2 S 2 ff und 26.2 S 2 ff) M* gewesen, weil danach ihre (erste, im Auftrag eines nicht mitangeklagten Dritten gesetzte) Beitragshandlung, nämlich das Erstellen einer „Blanko-Vortragsbestätigung“, jener des (erst in die nachfolgende „Korrektur“ derselben eingebundenen) Ma* zeitlich vorgelagert gewesen wäre.
[7] Aus der – insoweit maßgeblichen (RIS-Justiz RS0131309 [insbesondere T3]) – Aktenlage geht aber nicht hervor, wo sie dabei gehandelt hat. Der Sitz des die betreffende Bestätigung ausstellenden Unternehmens in Wels trägt dazu nichts aus, weil er weder auf den Ort der „Absprache“ zwischen den Angeklagten noch auf den des – keinen Aufenthalt am selben Ort voraussetzenden – „Ausstellenlassens“ schließen lässt (vgl die zahlreichen Erhebungsergebnisse zur Korrespondenz der Beteiligten per E-Mail, zB ON 26.2 S 2 ff). Bloße Vermutungen stellen diese Anknüpfung ebenso wenig her wie ein allenfalls wahrscheinlicher Tatort (11 Ns 46/19g und RIS-Justiz RS0127231 [T4]).
[8] Bei § 293 Abs 2 StGB handelt es sich um ein schlichtes Tätigkeitsdelikt (Plöchl in WK2 StGB § 293 Rz 6). Anknüpfung an einen Ort des Erfolgseintritts (§ 36 Abs 3 zweiter Satz StPO) kommt daher von vornherein nicht in Betracht (RIS-Justiz RS0127317), das Gelingen eines Beitrags (§ 12 dritter Fall) ist nicht als „Erfolg“ im Verständnis dieser Bestimmung zu werten (vgl Salimi in WK2 StGB § 67 Rz 40).
[9] Ihren Wohnsitz (§ 36 Abs 3 zweiter Satz StPO) wiederum hatte M* zum – insoweit maßgeblichen (RIS‑Justiz RS0130478) – Zeitpunkt des Einbringens der Anklage (nach dem Aktenstand) in A* (ON 18.4), somit im Sprengel des Bezirksgerichts Wels.
[10] Da in Bezug auf die früheste von der Anklage umfasste Tat (§ 37 Abs 2 zweiter Satz StPO) – nach dem zuvor Gesagten – keiner der vorrangigen Anknüpfungspunkte des § 36 Abs 3 StPO eingreift, gibt dies hier den Ausschlag.
[11] Daraus folgt – mit der Stellungnahme der Generalprokuratur im Ergebnis übereinstimmend – die Zuständigkeit des Bezirksgerichts Wels.
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