OGH 11Os62/25i

OGH11Os62/25i9.9.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. September 2025 durch dieVizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz, Dr. Oberressl, Dr. Brenner und Mag. Riffel in Gegenwart der Rechtspraktikantin Schurich LL.M., LL.M. als Schriftführerin in der Strafsache gegen * A* und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens der Schädigung fremder Gläubiger nach § 157 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten * A* und * H* sowie die beide Angeklagte betreffende Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom 11. März 2025, GZ 24 Hv 9/24x‑80.12, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0110OS00062.25I.0909.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des * H* sowie in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des * A* wird das angefochtene Urteil, das sonst unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen zu A und B, demgemäß in den Strafaussprüchen sowie im Adhäsions‑ und im Verfallserkenntnis aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Krems an der Donau verwiesen.

Mit seiner gegen das Verfallserkenntnis gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde wird der Angeklagte * H* auf die Aufhebung verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * A* im Übrigen wird zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung der Strafaussprüche verwiesen.

Dem Angeklagten * A* fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden * A* (A) und * H* (B) je des Verbrechens der Schädigung fremder Gläubiger nach § 157 StGB (Letzterer als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB) sowie * A* überdies des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (C) schuldig erkannt.

[2] Danach haben

A/ * A* am 26. Februar 2024 in Z* einen Bestandteil des Vermögens des Schuldners * Sc* ohne dessen Einverständnis beiseite geschafft und dadurch die Befriedigung zweier im Urteil namentlich genannter Gläubiger geschmälert, indem er eine im Urteil näher bezeichnete, gerichtlich gepfändete Traubenvollerntemaschine im Wert von 110.000 Euro mit einem Tieflader vom Areal des L* abholte und in die Verfügungsmacht des * H* verbrachte, wodurch ein Gläubigerausfall in der Höhe von zumindest 50.000 Euro entstand;

B/ * H* an einem nicht mehr feststellbaren Ort vor dem 26. Februar 2024 * A* dazu bestimmt, die zu A angeführte strafbare Handlung zu begehen, indem er ihm den entsprechenden Auftrag erteilte (US 7);

C/ * A* am 17. Juli 2024 in L* M* S* gefährlich mit zumindest der Zufügung von Körperverletzungen bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er mehrmals die Geste des „Halsabschneidens“ zeigte.

[3] Nach § 20 Abs 3 StGB wurde hinsichtlich * H* ein Geldbetrag von 110.000 Euro für verfallen erklärt.

Rechtliche Beurteilung

[4] Dagegen richten sich die – gemeinsam ausgeführten – auf § 281 Abs 1 Z 3, 5, 5a, 9 lit a und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten.

 

Zum berechtigten Teil der Nichtigkeitsbeschwerden:

[5] Zutreffend weisen diese auf einen den Schuldsprüchen zu A und B anhaftenden Rechtsfehler mangels Feststellungen (nominell auch Z 5 und 5a, der Sache nach nur Z 9 lit a) zu einer Tathandlung in Bezug auf einen Bestandteil des Vermögens des Schuldners im Sinn des § 157 StGB hin:

[6] Geschütztes Rechtsgut des § 157 StGB ist – wie bei § 156 StGB – das Gläubigerinteresse an der Forderungsbefriedigung (Kirchbacher in WK² StGB § 157 Rz 1). Tatobjekt sind daher alle Bestandteile des Schuldnervermögens, die dem Zugriff der Gläubiger durch Zwangsvollstreckung unterliegen (zu § 156 StGB: RIS‑Justiz RS0094825 und RS0094739; Kirchbacher in WK² StGB § 156 Rz 7).

[7] Nach den hier wesentlichen Urteilsfeststellungen (US 4 ff) schloss * Sc* zur Finanzierung des urteilsgegenständlichen Traubenvollernters am 10. September 2021 mit der ab* GmbH einen Kauf- und Übereignungsvertrag („Sale-and-Mietkauf-back“). Die ab* GmbH wurde damit Eigentümerin der Maschine, während * Sc* diese selbst „weiternutzen wollte“. Aufgrund diverser Zahlungsrückstände kündigte die ab* GmbH den Vertrag am 15. Juni 2022 auf. * Sc* fasste sodann „den Entschluss, den Traubenvollernter […] für sich zu behalten und in sein Vermögen zu überführen“. Mit Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 18. September 2023 (GZ 19 Hv 74/23y‑82.5 [ON 80.2]) wurde * Sc* wegen Veruntreuung der Erntemaschine verurteilt, weil er diese „für sich behielt, in sein Vermögen überführte und erklärte, sie sei von Mitarbeitern der AV* abgeholt worden“. Ihr „Aufenthaltsort“ blieb zunächst unbekannt; erst am 4. Jänner 2024 gelang es, sie in einem Stall im Waldviertel ausfindig zu machen. Von dort wurde sie nach gerichtlicher Pfändung auf Veranlassung des Gerichtsvollziehers auf das Areal des L* in Z* verbracht, „wo sie bis zur Versteigerung verbleiben sollte“.

[8] Der nach den Feststellungen seit September 2021 unverändert im Eigentum der ab* GmbH stehende Traubenvollernter stellte zu den Tatzeitpunkten daher – selbst unter dem Blickwinkel der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise (vgl Kirchbacher in WK² StGB § 156 Rz 7/1, RIS‑Justiz RS0094171) – keinen Bestandteil des Vermögens des Schuldners * Sc* dar (die im Ersturteil angeführte Entscheidung 15 Os 32/02 [US 17] steht mit dem gegenständlichen Sachverhalt in keinem Zusammenhang).

[9] Solcherart vermag schon die objektive Tatsachenbasis des Urteils eine rechtliche Unterstellung unter § 157 StGB nicht zu tragen.

[10] Hinzugefügt sei, dass auch eine rechtliche Beurteilung des Urteilssachverhalts als Betrugnach §§ 146 f StGB (zum Nachteil der ab* GmbH: vgl dazu US 7, wonach * A* bei Abholung des Traubenvollernters dem Leiter des L* noch einmal den Pfandschein vorwies und den Eindruck vermittelte, „dass die Verbringung mit Zustimmung des Gerichts erfolgte“ sowie das gemäß § 263 Abs 2 StPO vorbehaltene „Faktum“ [US 3]) oder als Verstrickungsbruch nach § 271 StGB auf der Basis der Feststellungen nicht vorgenommen werden kann.

[11] Es waren daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – die Schuldsprüche zu A (betreffend * A*) und B (betreffend * H*) bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort aufzuheben (§ 285e StPO), weshalb auf das weitere dazu erstattete Beschwerdevorbringen der beiden Nichtigkeitswerber nicht mehr einzugehen war.

[12] Aus der Aufhebung der Schuldsprüche folgte die Aufhebung der Strafaussprüche, des Adhäsions- (vgl RIS‑Justiz RS0100493 und RS0101303; Ratz, WK‑StPO § 289 Rz 7) und des Verfallserkenntnisses.

[13] Mit seiner gegen Letzteres gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde war der Angeklagte * H* auf dessen Aufhebung zu verweisen.

[14] Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf die Kassation der Strafaussprüche zu verweisen.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des * A* im Übrigen:

[15] Als unvollständig, widersprüchlich, unzureichend begründet und aktenwidrig (Z 5 zweiter, dritter, vierter und fünfter Fall) bekämpft der Beschwerdeführer die Feststellungen, wonach er „gegenüber M* S* und A* S* [richtig: S*] aggressiv und bedrohlich“ wirkte sowie jene zur subjektiven Tatseite zum Schuldspruch zu C (US 9). Mit eigenen Erwägungen zu den Angaben des M* S* und der A* S* sowie den Einwänden, unter Berücksichtigung der langjährigen Freundschaft mit dem Opfer und des Umstands, dass dieses „überhaupt nicht besorgt“ war, habe es sich bei der inkriminierten Geste um eine „harmlose Unmutsäußerung“ gehandelt, erschöpft sich das Vorbringen allerdings in einem Angriff auf die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

[16] In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher – erneut in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[17] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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