European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0110OS00026.25W.0401.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde die strafrechtliche Unterbringung des * G* in einem forensisch‑therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet.
[2] Danach hat er am 24. August 2024 in L* unter dem maßgeblichen Einfluss einer schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung, nämlich einer paranoiden Schizophrenie, * S* eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) absichtlich zuzufügen versucht (§ 15 StGB), indem er nach einem zunächst verbalen Streit ein Küchenmesser mit ca 30 cm Klingenlänge holte, eine Stichbewegung in Richtung des linken Schulterblattes des S* ausführte, auf S* zusprang, ihn am Hals sowie im Bereich des linken Schlüsselbeins erfasste und mit dem Messer wiederholt auf S* einzustechen trachtete, wobei S*die Stiche ablenken konnte, sodass Genannter durch den Angriff eine 2,5 cm lange Stichwunde am linken Oberarm sowie eine Prellung des Halses samt Würgemalen und ein Hämatom am linken inneren Schlüsselbeindrittel erlitt, sohin eine Tat begangen, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist und die ihm, wäre er zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig gewesen, als das Verbrechen der absichtlich schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB zuzurechnen wäre.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und Z 9 lit a und Z 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen.
[4] Aktenwidrig (Z 5 letzter Fall) sind die Entscheidungsgründe, wenn sie den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder einer Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergeben, mit anderen Worten: wenn sich im Urteil ein falsches Zitat aus den Akten findet (vgl RIS‑Justiz RS0099547). Die Richtigkeit von auf freier Beweiswürdigung beruhenden Schlüssen kann unter dem Gesichtspunkt der Aktenwidrigkeit hingegen nicht angefochten werden (RIS‑Justiz RS0099524).
[5] Daran scheitert die im Übrigen bloß auf eine isoliert herausgegriffene Passage der Angaben des Tatopfers betreffend den ersten Stich (ON 59.2 S 16; vgl aber ON 59.2 S 14 iVm ON 18.8 S 5) Bezug nehmende Mängelrüge (Z 5 letzter Fall), weil die Passage im Urteil gar nicht wiedergegeben, vielmehr der Tathergang insgesamt aus den für nachvollziehbar befundenen Angaben des Opfers hergeleitet wurde (US 4).
[6] Eine Bekämpfung aus Z 5 (oder Z 5a) des § 281 Abs 1 StPO steht in Verbindung mit dem ersten Fall, nicht jedoch mit dem – hier angesprochenen – zweiten Fall des § 281 Abs 1 Z 11 StPO offen (RIS‑Justiz RS0118581). Indem sich die weitere Mängelrüge (Z 5 letzter Fall) gegen die Prognoseentscheidung wendet, verfehlt sie demnachden Bezugspunkt der Anfechtung (vgl auch RIS‑Justiz RS0135227).
[7] Zur „hilfsweise[n]“ Relevierung derunter Z 5 vorgebrachten Kritikpunkte „auch unter dem Gesichtspunkt eines Feststellungsmangels im Sinne der Z 9 lit a StPO“ ist festzuhalten, dass es dem Beschwerdeführer obliegt, die einzelnen Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt zu bezeichnen und insbesondere jene Tatumstände, die einen Nichtigkeitsgrund bilden sollen, ausdrücklich oder durch deutliche Hinweisungen anzuführen (§ 285a Z 2 StPO; RIS‑Justiz RS0100183, RS0099597). In Bezug auf welchen Umstand aus welchem Grund ein Feststellungsmangel (vgl RIS‑Justiz RS0118580) vorliegen soll, lässt die Beschwerde mit diesem Vorbringen nicht erkennen.
[8] Das auf die tatsächlich eingetretenen Folgen der Tathandlung abstellende, für eine rechtliche Beurteilung der in Rede stehenden mit Strafe bedrohten Handlung bloß nach § 83 Abs 1 StGB eintretende Rechtsmittel (nominell Z 10, dSn Z 9 lit a – vgl RIS‑Justiz RS0132762) vernachlässigt die Urteilsaussagen (US 3, 5 iVm US 1) zur subjektiven Tatseite im Zusammenhang mit den mehrfachen intensiven Stichbewegungen in Richtung der Brust des * S* sowie zu dessen Abwehr‑ und Verteidigungshandlungen (vgl aber RIS‑Justiz RS0099810). Der Beschwerdeführer legt auch nicht dar, welche darüber hinausgehenden Konstatierungen (insbesondere in subjektiver Hinsicht) für eine rechtsrichtige Subsumtion der Anlasstat nach § 15 Abs 1, § 87 Abs 1 StGB (US 2) hätten getroffen werden müssen (vgl RIS‑Justiz RS0116565).
[9] Die prozessordnungsgemäße Geltendmachung eines Feststellungsmangels erfordert die auf Basis des Urteilssachverhalts vorzunehmende Argumentation, dass sich aus einem nicht durch Feststellungen geklärten, aber durch in der Hauptverhandlung vorgekommene Beweise indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz ergebe, weil das Gericht ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz oder eine andere rechtliche Unterstellung bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat. Wurden im Urteil (Negativ‑)Feststellungen betreffend eine entscheidende Tatsache getroffen, kann diesbezüglich kein Feststellungsmangel vorliegen (RIS‑Justiz RS0118580 [T15, T24]).
[10] Mangels Orientierung am Urteilssachverhalt kann somit der unter Berufung auf die – vom Schöffengericht berücksichtigten (US 4) – Angaben des Betroffenen für das Vorliegen von Putativnotwehr (vgl dazu aber US 2) und das Fehlen einer Absicht auf Zufügung einer schweren Körperverletzung (vgl aber US 1, 3, 5) eintretenden Beschwerde (nominell Z 10) kein Erfolg beschieden sein.
[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 iVm § 429 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die (implizite) Berufung des Betroffenen zur Gefährlichkeitsprognose folgt (§ 285i iVm § 290 Abs 1 letzter Satz StPO; 11 Os 67/20t; RIS‑Justiz RS0116499).
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