OGH 11Os154/03

OGH11Os154/0320.1.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Jänner 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Proksch als Schriftführer, in der Strafsache gegen Harald S***** wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 erster Fall SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft Feldkirch gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 15. Juli 2003, GZ 18 Hv 44/02w-25, nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Harald S***** wegen zweier Verbrechen nach § 28 Abs 2 erster Fall SMG, eines in der Entwicklungsstufe des Versuches nach § 15 StGB gebliebenen Verbrechens nach § 28 Abs 2 erster Fall SMG und dreier Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG schuldig erkannt. Danach hat er in Bezau den bestehenden Vorschriften zuwider

I. ein Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG)

1. erzeugt, und zwar zwischen 1996 und 2002 (US 2 infolge eines offensichtlichen Schreibfehlers: 2001 - vgl US 5, 6) ca 1.065 Gramm Cannabiskraut, beinhaltend minimal 40 Gramm reines THC;

2. zu erzeugen versucht, und zwar zwischen 1996 und 2002 insgesamt 500 bis 600 Gramm Marihuana, beinhaltend minimal 20 Gramm reines THC;

II. Suchtgift erworben und besessen, indem er jeweils Cannabiskraut konsumierte, und zwar Ende Dezember 2002, am 6. Jänner 2003 sowie Anfang Juli 2003.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 4, Z 5 und Z 9 (ersichtlich gemeint: lit b) StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Die Verfahrensrüge (Z 4) zur Einholung eines Gutachtens aus dem Fach der Schmerzmedizin zum Beweis dafür, dass es einer weit verbreiteten (S 203 infolge eines offensichtlichen Schreibfehlers: verbreitenden) menschlichen Verhaltensweise bei chronischen Krankheitszuständen entspräche, auch "alternative" Heilmittel zu versuchen, spricht keinen entscheidungserheblichen Umstand an, da es im Gegenstand nicht um alternative, sondern um mit den bestehenden Vorschriften (§§ 27 Abs 1, 28 Abs 2 SMG) im Widerspruch stehende Heilmittel geht. Die vom Rechtsmittelwerber für sich reklamierte wissenschaftliche Darstellung (Höpfel in WK2 § 10 Rz 16) zum für die Einordnung als entschuldigender Notstand bedeutsamen Kriterium des Vergleichs mit dem Verhalten des maßgerechten Menschen geht im Übrigen gerade nicht von dessen empirischer, sondern normativer Bestimmung aus (vgl zusätzlich aaO Rz 4 und 18).

Der den Schuldspruch I 1 (in der Entwicklungsstufe des Versuchs gebliebene Suchtgifterzeugung) betreffenden Mängelrüge (Z 5) zuwider besteht zwischen der Urteilspassage "offen bleiben muss, ob es sich beim gestohlenen Marihuana um reife Hanfstauden handelte und somit um rauchbares Material" (US 6) und dem von den Erkenntnisrichtern einige Zeilen weiter festgestellten (ersichtlich gemeint: zu erwartenden) THC-Gehalt von "zumindest 20 Gramm" bei dem durch Diebstähle abhanden gekommenen Cannabiskraut kein innerer Widerspruch.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit b) übergeht die erstgerichtlichen Konstatierungen, dass sich der aufgrund eines Bandscheibendefektes unter Schmerzen leidende Angeklagte zwar wegen Nebenwirkungen ärztlich verschriebener Medikamente zum Anbau von Cannabiskraut zwecks Eigenkonsums entschlossen hatte (US 5), jedoch in der Lage war, diesen wieder einzustellen und seine Schmerzen durch gesetzlich erlaubte Medikamente zu lindern, dass Cannabiskraut keinesfalls eine bessere Wirkung als die klinisch erprobten und zugelassenen Schmerzmittel hatte und dass in Anbetracht der Nebenwirkungen und der zahlreichen alternativen Möglichkeiten eine "zwingende Indikation" für Marihuanakonsum nicht vorlag (US 7). Sie lässt solcherart die prozessordnungsgemäße Ausführung vermissen. Auf dem allein maßgeblichen Boden der erstgerichtlichen Feststellungen bedürfen sämtliche Darlegungen zu rechtfertigendem und entschuldigendem Notstand keiner Erwiderung, weil sie mit urteilsfremden Gegebenheiten argumentieren.

Es besteht auch kein Grund zu einem Vorgehen nach § 290 Abs 1 Satz 2 erster Fall StPO: Die Tatrichter gingen weder davon aus, außer Marihuana hätte es keinen Ausweg der Schmerzlinderung gegeben (vgl Fuchs AT I5 17/56; Kienapfel/Höpfel AT10 12/16), noch bieten ihre Konstatierungen Anknüpfungsmöglichkeiten für den bejahenden Vergleich mit dem Verhalten des mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen (§ 10 Abs 1 StGB - vgl 15 Os 106/92 = SSt 61/110; Kienapfel/Höpfel aaO 20/20; Höpfel in WK2 § 10 Rz 16 ff; besonders prägnant Foregger/Bachner-Foregger StGB MTA15 § 10 Anm I:

"Maßgebend ist nicht individuelles Können, sondern generelles Sollen").

Soweit der Nichtigkeitswerber (der Sache nach Z 5) eine Nichtberücksichtigung der Aussage des behandelnden praktischen Arztes aufgreift und für sich deshalb die irrtümliche Annahme reklamiert, es hätte keine alternativen Medikamente gegeben, steht dem die Aussage des genannten Arztes in ihrer Gesamtheit entgegen (S 193 ff). Teils zufolge Nichteinhaltung des auf das Ersturteil bezogenen Darstellungsgebotes materiell-rechtlicher Nichtigkeit, teils als offenbar unbegründet war die Nichtigkeitsbeschwerde bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§§ 285a Z 2, 285d Abs 1 Z 1, Z 2 StPO), woraus die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz für die Erledigung der Berufung der Staatsanwaltschaft folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.

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