OGH 11Os15/25b

OGH11Os15/25b1.4.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. April 2025 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz, Dr. Oberressl, Dr. Brenner und Mag. Riffel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin als Schriftführerin Brüggler LL.M., BSc in der Strafsache gegen * F* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall, Abs 2 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 5. November 2024, GZ 46 Hv 39/24v‑51.3, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0110OS00015.25B.0401.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Suchtgiftdelikte

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das sonst unberührt bleibt, in der Nichtannahme der Privilegierung des § 28a Abs 3 zweiter Fall SMG zu I/3/, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * F* „des“ Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (I/1/), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall SMG (I/2/), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall, Abs 2 Z 3 SMG (I/3/), des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach § 223 Abs 2, § 224 StGB (II/), des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (III/), des Vergehens der Unterschlagung nach § 134 Abs 1 StGB (IV/1/a/), des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (IV/1/b/), des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 erster Fall StGB (I/1/c/) und des Vergehens des betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs nach §§ 15, 148a Abs 1 und 3 StGB (IV/2/) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde relevant – in W* und anderen Orten

I/ vorschriftswidrig Suchtgift

1/ von einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt (US 8: nach dem 19. Juli 2020) bis zumindest Mai 2024 über die zu I/2/ und I/3/ genannte Menge hinaus metamphetaminhältiges Crystal Meth mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 77,62 % (US 8: für den Eigenkonsum) erworben und besessen;

3/ in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen durch gewinnbringenden Verkauf

a/ von Dezember 2023 bis Mai 2024 in mehreren Angriffen insgesamt 200 Gramm metamphetaminhältiges Crystal Meth mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 77,62 % an nicht mehr auszuforschende Abnehmer überlassen;

b/ im Juni 2023 20 Gramm cocainhältiges Kokain mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 78,88 % über den abgesondert verfolgten * K* einem gewissen „Doktor“ verschafft;

wobei er die Straftat nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG in Bezug auf Suchtgift in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge übersteigenden Menge beging.

Rechtliche Beurteilung

 

[3] Gegen den Schuldspruch zu I/3/ richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider ist die Ableitung der zu I/3/a/ überlassenen Menge an Methamphetamin (US 5, 7 f) aus Angaben des Angeklagten vor der Polizei (ON 2.1 S 4 und ON 45.5 S 5) und dem Haft- und Rechtsschutzrichter (ON 8 S 3) sowie aus Depositionen der Zeugen H* (ON 51.2 S 6, 8, 10) und M* (ON 51.2 S 13 f) zur Berechnung dieser Menge (an Hand des damit finanzierten Eigenkonsums und eines kleinen Teils der Lebenshaltungskosten) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden. Mit eigenständigenErwägungen zur Hochrechnung der überlassenen Menge richtet sich die Beschwerde bloß gegen die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

 

[5] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[6] Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof allerdings, dass dem Urteil vom Angeklagten nicht geltend gemachte, ihm zum Nachteil gereichende materiell-rechtliche Nichtigkeit anhaftet:

[7] Die bereits erwähnten, in der Hauptverhandlung vorgekommenen Verfahrensergebnisse (insbesondere ON 2.1 S 3 f und ON 51.2 S 6, 13 f) indizieren einen Lebenssachverhalt, bei dessen Bejahung zu I/3/ die Privilegierung nach § 28a Abs 3 zweiter Fall SMG zum Tragen käme.

[8] Trotz dieser Indikation (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 600, 604) hat das Schöffengericht nicht durch Feststellungen geklärt, in welchen zeitlichen Abständen und aus welchem Grund der Angeklagte im zu I/3/ relevanten Zeitraum Suchtmittel „regelmäßig“ konsumierte (RIS‑Justiz RS0124621) und in welchem Ausmaß er die zu I/3/a/ und I/3/b/ inkriminierten Handlungen zur Beschaffung von Suchtmitteln für den persönlichen Gebrauch oder von Mitteln für deren Erwerb zu begehen trachtete (RIS‑Justiz RS0125836, RS0124622).

[9] Dieser – die Subsumtion (vgl RIS‑Justiz RS0131857) der zu I/3/ zu einer Subsumtionseinheit nach § 28a Abs 2 Z 3 SMG (vgl 11 Os 93/21t [Rz 20]) zusammengefassten Taten (I/3/a/ [vgl dazu 11 Os 93/21t {Rz 22}] und I/3/b/ [vgl dazu 11 Os 93/21t {Rz 15 erste Variante}]) tangierende – Feststellungsmangel erforderte die amtswegige Aufhebung des Urteils im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e iVm § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall iVm § 281 Abs 1 Z 10 StPO).

[10] Hinzugefügt sei, dass der zu I/1/ angelastete Erwerb und Besitz nach dem Urteilssachverhalt (US 5 iVm US 1; vgl RIS‑Justiz RS0114639 [T6] und Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 19) lediglich dem Eigenkonsum des Angeklagten diente, sohin (erkennbar gemeint) ausschließlich zu dessen persönlichem Gebrauch. Eine Unterstellung der zu I/1/ inkriminierten Handlungen unter die Privilegierung nach § 27 Abs 2 SMG unterblieb daher rechtsirrig.

[11] Zur amtswegigen Wahrnehmung darin gelegener materiell-rechtlicher Nichtigkeit (Z 10; RIS‑Justiz RS0131857) bestand jedoch kein Anlass, weil eine unrichtige Subsumtion den Angeklagten (schon mit Blick auf § 28 Abs 1 StGB) nicht ohne weiteres im Sinn des § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO benachteiligt (Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 22 ff) und das Schöffengericht im zweiten Rechtsgang diesem Umstand– ohne Bindung an die verfehlte rechtliche Unterstellung – bei der Fällung seines Ergänzungsurteils Rechnung zu tragen hat (RIS‑Justiz RS0129614 [T1]).

[12] Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

[13] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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