OGH 10ObS76/23h

OGH10ObS76/23h12.3.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Nowotny als Vorsitzenden, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Herbert Böhm (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Univ.‑Doz. Dr. Bernd Oberhofer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1100 Wien, Wienerbergstraße 11, wegen Versehrtenrente, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 30. Mai 2023, GZ 23 Rs 14/23 i‑19, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:010OBS00076.23H.0312.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Sozialrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger nahm an einem von seiner Dienstgeberin, einer Versicherungsgesellschaft, veranstalteten mehrtägigen Schiausflug und dem den Höhepunkt der Veranstaltung bildenden Riesentorlauf mit Team- und Einzelwertung teil. Dabei stürzte er im ersten Durchgang des Riesentorlaufs und verletzte sich.

[2] Die Dienstgeberin veranstaltet jährlich derartige Schitage. Der Ausflug wird für gewöhnlich ausgeschrieben und die Vertriebsmitarbeiter und die für die Versicherungsgesellschaft tätigen selbständigen Versicherungsmakler können sich dafür melden. Die Mitarbeiter mussten sich für die Teilnahme durch die von ihnen vermittelten Umsätze qualifizieren. Es wurden nur die umsatzstärksten 10 bis 15 % der Vertriebsmitarbeiter des Außendienstes der Dienstgeberin zu dem Schitag eingeladen. Weiters nahmen selbständige Vertriebspartner sowie die vier Vorstände der Dienstgeberin teil. An der Veranstaltung nahmen darüber hinaus drei ehemalige Schirennläufer teil, die die in drei Teams aufgeteilten Teilnehmer betreuten, mit ihnen den ausgesteckten Kurs besichtigten, ihnen Tipps gaben und selbst am Rennen teilnahmen. Die Teilnahme am Rennen war nicht verpflichtend, von den 58 Teilnehmern beteiligten sich daran 43 Personen.

[3] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren auf Feststellung, die Verletzungen des Klägers seien Folge eines Arbeitsunfalls, und auf Gewährung einer Versehrtenrente ab.

[4] Das Berufungsgericht verneinte die Qualifikation des Unfalls des Klägers als Arbeitsunfall mit der Begründung, dass der Schiausflug nicht den Voraussetzungen einer (versicherten) betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung entspreche. Die Behauptung, die Veranstaltung habe einem betrieblichen Zweck der Umsatzsteigerung gedient, verstoße gegen das Neuerungsverbot. Tätigkeiten mit einem typischen und immanenten Wettkampfcharakter seien grundsätzlich vom gesetzlichen Unfallversicherungsschutz ausgenommen. Bei dem Schiausflug habe es sich nicht um einen dem Ausgleichszweck dienenden Betriebssport gehandelt.

Rechtliche Beurteilung

[5] Die außerordentliche Revision des Klägers ist nicht zulässig.

[6] 1.1. Betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen stehen insoweit unter Unfallversicherungsschutz, als die Teilnahme an ihnen ein Ausfluss der Ausübung der Erwerbstätigkeit ist (RS0084560; RS0084544; 10 ObS 13/20i). Eine unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehende betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung kann nur angenommen werden, wenn sie der „betrieblichen Zielsetzung“, die Verbundenheit zwischen Unternehmensleitung und Beschäftigten sowie der Beschäftigten untereinander zu fördern, dient (vgl 10 ObS 13/20i). Daher muss die betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung allen Betriebsangehörigen, oder, wenn die Größe oder die Erfordernisse des Betriebs keine gemeinsame Veranstaltung erlauben, wenigstens den Angehörigen der Abteilungen oder Gruppen, bei denen dies möglich ist, offen stehen (10 ObS 13/20i; siehe dort [ErwGr 2.] sowie Müller in Mosler/Müller/Pfeil, SV‑Komm [Stand 1. 3. 2022, rdb.at] § 175 ASVG Rz 62 ff zu den weiteren Voraussetzungen einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung).

[7] 1.2. Auch sportliche Betätigungen wie etwa ein Schitag ohne Wettkampfcharakter können im betrieblichen Interesse liegen bzw der Betriebsverbundenheit dienen (10 ObS 13/20i [ErwGr 2.]). Die Grenze zwischen dem betrieblichen Interesse einerseits und den privaten Interessen des Verletzten andererseits ist dort zu ziehen, wo die Veranstaltung sportlichen Wettkampfcharakter annimmt (10 ObS 30/01m; 10 ObS 141/15f [ErwGr 3.1.]; vgl Müller in Müller/Mosler/Pfeil, SV‑Komm [Stand 1. 3. 2022, rdb.at] § 175 ASVG Rz 76). Tätigkeiten im Zusammenhang mit einem geradezu typischen und immanenten Wettkampfcharakter werden grundsätzlich vom gesetzlichen Unfallversicherungsschutz ausgenommen (RS0084601 [T3]).

[8] 1.3. Die Vorinstanzen verneinten aufgrund der selektiven Teilnahmemöglichkeit der Mitarbeiter der Dienstgeberin an dem Schiausflug das Vorliegen einer unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung fallenden betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung.

[9] Dem tritt der Kläger in seiner außerordentlichen Revision nicht entgegen.

[10] 2. Er wendet sich auch nicht gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Schiausflug nicht als dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterliegende betriebssportliche Veranstaltung zu werten sei, weil der Ausgleichszweck und eine gewisse Regelmäßigkeit der Sportausübung gefehlt hätten (vgl RS0084657 [T1]; 10 ObS 13/20i [ErwGr 1.]; 10 ObS 141/15f).

[11] 3. Der Kläger erblickt eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO darin, dass höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Unfallversicherungsschutz für unmittelbar dem Betriebszweck dienende Sportveranstaltungen mit Wettkampfcharakter fehle. Im vorliegenden Fall habe die Veranstaltung der Umsatz- und Gewinnsteigerung durch Motivation der Vertriebsmitarbeiter und ‑partner gedient.

[12] Dazu hat bereits das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass dieses Vorbringen gegen das Neuerungsverbot verstoßen habe. Dieser Begründung hält der Kläger in der außerordentlichen Revision nichts entgegen.

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