European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:010OBS00059.25M.0710.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Sozialrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage, ob sich der Anspruch der Klägerin auf pauschales Kinderbetreuungsgeld als Konto gemäß § 3 Abs 4 KBGG reduziert, weil die dritte und fünfte Untersuchung während der Schwangerschaft nicht in den nach § 3 Abs 4 und 6 MuKiPassV vorgesehenen Zeiträumen vorgenommen wurden.
[2] Die Klägerin wohnte während der Schwangerschaft zunächst in Vorarlberg. Nach Durchführung einer Untersuchung während der Schwangerschaft bei einer Frauenärztin wurde der jeweils nächste Termin mit der Klägerin vereinbart. Konkret fanden bei dieser Frauenärztin vier Termine statt, wobei der dritte Untersuchungstermin außerhalb des nach § 3 Abs 4 MuKiPassV vorgesehenen Zeitraums stattfand.
[3] Die fünfte Untersuchung während der Schwangerschaft wäre im nach § 3 Abs 6 MuKiPassV vorgesehenen Zeitraum vereinbart gewesen. 15 Tage vor diesem Termin übersiedelte die Familie der Klägerin nach Linz. Nach der Übersiedelung nach Linz bemühte sich die Klägerin umgehend bei mehr als zehn Frauenärzten, einen Termin für die fünfte Untersuchung während der Schwangerschaft zu erhalten, bekam aber nur abschlägige Auskünfte. Den Termin bei der Frauenärztin in Vorarlberg sagte die Klägerin zwei Tage vorher ab, weil sie sich die lange Zugreise dorthin wegen ihrer Beschwerden und der fortgeschrittenen Schwangerschaft nicht zutraute.
[4] Die Vorinstanzen gaben dem auf Zahlung von 1.300 EUR binnen vier Wochen gerichteten Klagebegehren statt. Sie bejahten den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld in voller Höhe nach § 7 Abs 3 KBGG. Es sei von der Klägerin nicht zu vertreten, dass die Frauenärztin den Termin für die dritte Untersuchung während der Schwangerschaft außerhalb des vorgesehenen Zeitraums vergeben habe und die Klägerin nach dem Umzug keinen rechtzeitigen Termin für die fünfte Untersuchung während der Schwangerschaft bekommen habe.
Rechtliche Beurteilung
[5] Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Beklagten ist mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[6] 1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kommt es für die Beurteilung, ob die nicht fristgerechte Vornahme oder der nicht rechtzeitige Nachweis der Untersuchungen von den Eltern im Sinn des § 7 Abs 3 Z 1 KBGG zu vertreten sind, darauf an, ob ihnen ein rechtlich relevanter Vorwurf gemacht werden kann (10 ObS 31/24t Rz 26). Die Beantwortung dieser Frage hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0130213), sodass sie im Regelfall keine die Zulässigkeit einer Revision begründende Rechtsfrage bildet.
[7] 2. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass der Klägerin kein rechtlich relevanter Vorwurf darin zu machen ist, dass die dritte und die fünfte Untersuchung während der Schwangerschaft nicht in den dafür vorgesehenen Zeiträumen vorgenommen wurden, überschreitet den ihnen zukommenden Beurteilungsspielraum nicht.
[8] 2.1. Zur nicht vorgenommenen dritten Untersuchung während der Schwangerschaft stellte das Erstgericht – wenn auch disloziert im Rahmen der rechtlichen Beurteilung (RS0043110) – fest, dass der Termin von der Frauenärztin unrichtig (dh außerhalb des vorgegebenen Zeitraums) vergeben wurde. Das Berufungsgericht legte diese Feststellung seiner Entscheidung zugrunde. An diese tatsächliche Annahme durch die Vorinstanzen ist der Oberste Gerichtshof – der nicht Tatsacheninstanz ist – gebunden. Es kann daher keine Rede davon sein, dass die Vorinstanzen ihre rechtliche Beurteilung „ohne konkrete Feststellungen“ trafen. Wenn zu einem bestimmten Thema Tatsachenfeststellungen getroffen wurden, mögen diese auch von den Vorstellungen des Rechtsmittelwerbers abweichen, können diesbezüglich auch keine rechtlichen Feststellungsmängel erfolgreich geltend gemacht werden (RS0053317 [T1]).
[9] Die in der Revision aufgeworfene Frage, ob das Erstgericht diese tatsächlichen Annahmen seiner Entscheidung – wie die Beklagte behauptet – „ohne Beweisaufnahme“ und „ohne entsprechende Beweiswürdigung“ zugrunde legte, ist in dritter Instanz nicht zu prüfen (RS0043061; RS0043371).
[10] In diesem Zusammenhang ist es auch unstrittig, dass die dritte Untersuchung während der Schwangerschaft nicht innerhalb des vorgegebenen Zeitraums erfolgte, sodass die Relevanz der von der Beklagten thematisierten Frage, welche konkreten Seiten des Eltern-Kind-Passes zur Dokumentation einer Untersuchung maßgebend wären, nicht ersichtlich ist.
[11] Auf den vom Berufungsgericht weiters erörterten Aspekt, aus welchem Grund der Termin für diese Untersuchung von der Frauenärztin nicht innerhalb des vorgegebenen Zeitraums vergeben wurde, kommt es nicht entscheidend an, sodass auf die diesbezüglichen Ausführungen der Beklagten nicht einzugehen ist.
[12] 2.2. Die fünfte Untersuchung während der Schwangerschaft wurde nach dem festgestellten Sachverhalt nicht innerhalb des dafür vorgesehenen Zeitraums vorgenommen, obwohl sich die Klägerin (nach dem Umzug) bei mehreren Ärzten (und in einem Krankenhaus) in der Umgebung um einen Untersuchungstermin bemühte. Da sich die Klägerin nach den getroffenen Feststellungen umgehend um diese Termine bemühte (und zwar erkennbar zu einem Zeitpunkt, zu dem ein Untersuchungstermin noch innerhalb des vorgegebenen Zeitraums möglich gewesen wäre), ist die Feststellungsgrundlage hinsichtlich des Zeitpunkts der angestellten Versuche nicht unvollständig (RS0053317 [T1]).
[13] Auf die Fragen, inwiefern der letztlich zur Absage des bereits vereinbarten Termins führende Umzug erforderlich war und die Schwangerschaft (oder bestimmte Beschwerden) die Reisefähigkeit der Klägerin (von Linz nach Vorarlberg) einschränkten, kommt es nicht entscheidend an, weil die Entscheidung, den Wohnsitz an einem bestimmten Ort zu nehmen und die Untersuchungen – zu deren Durchführung nach § 35 KBGG die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung verpflichtet sind – in dieser Region vornehmen zu lassen, dem beziehenden Elternteil im Rahmen des KBGG schon grundsätzlich nicht zum Vorwurf zu machen ist.
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