OGH 10ObS137/24f

OGH10ObS137/24f11.2.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Nowotny als Vorsitzenden, die Hofräte Mag. Schober und Dr. Annerl sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Alexander Noga (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Maria Buhr (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dipl.‑HTL. Ing. H*, vertreten durch Mag. Peter Mayerhofer, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Feststellung von Versicherungs-zeiten, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. November 2024, GZ 9 Rs 130/24 i‑31, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:010OBS00137.24F.0211.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Sozialrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger war – unstrittig – in der Zeit von 1. Jänner 2008 bis 31. August 2008 nach dem GSVG pflichtversichert.

[2] Am 17. Oktober 2009 schrieb die (nunmehr) Sozialversicherung der Selbständigen dem Kläger für diesen Zeitraum Beiträge zur Kranken- und Pensionsversicherung mit Fälligkeit 30. November 2009 vor.

[3] Aufgrund eines vom Kläger am 9. November 2009 gestellten Antrags (nach § 410 Abs 1 Z 7 ASVG iVm § 194 GSVG) wurde mit Bescheid des (damals) Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (BMASK) vom 12. November 2012 die monatliche Beitragsgrundlage in der Kranken- und Pensionsversicherung für den Zeitraum 1. Jänner 2008 bis 31. August 2008 festgestellt (Spruchpunkt I.), die monatlichen Kranken- und Pensionsversicherungsbeiträge für diesen Zeitraum festgesetzt (Spruchpunkt II.) und der Kläger verpflichtet, die (noch nicht geleisteten) Beiträge der Monate Mai 2008 bis August 2008 zu entrichten. Sämtliche dagegen erhobene Rechtsmittel wurden ab- bzw zurückgewiesen.

[4] Die Beitragsschuld des Klägers für die Monate Mai 2008 bis August 2008 wurde erst durch Aufrechnung gegen die Berufsunfähigkeitspension in den Jahren 2019 und 2020 beglichen.

[5] Seit 1. November 2010 bezieht der Kläger eine Berufsunfähigkeitspension von der Beklagten (bei der die Monate Mai 2008 bis August 2008 nicht als leistungswirksame Beitragsmonate berücksichtigt wurden).

[6] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren auf Feststellung, dass aufgrund der (nunmehr) wirksam geleisteten Beiträge zur Pensionsversicherung für den Zeitraum Mai 2008 bis August 2008 eine Pflicht zu Nachzahlung der sich daraus ergebenden höheren Pensionsleistung bestehe, ab. Zeiten der Beitragspflicht seien gemäß § 115 Abs 1 Z 1 GSVG nur dann als Beitragszeiten anzusehen, wenn dafür die Beiträge wirksam iSd § 118 GSVG entrichtet worden seien. Das sei für die strittigen Monate nicht der Fall, weil der Kläger entgegen § 118 Abs 1 GSVG die Beiträge für die Zeit von 1. Mai 2008 bis 31. August 2008, die durch den Bescheid des BMASK vom 12. November 2012 nicht herabgesetzt worden seien, nicht innerhalb der vor dem Pensionsstichtag (1. November 2010) liegenden ursprünglichen Fälligkeitsfrist (30. November 2009) gezahlt habe. Er habe sie auch nicht in der (durch den Bescheid vom 12. November 2012 ausgelösten) Frist des § 35 Abs 4 GSVG bezahlt, sodass er sich auch nicht auf die Ausnahme des § 118 Abs 2 lit g GSVG berufen könne. Die erst im Wege der Aufrechnung geleisteten Beiträge seien daher in allen Varianten verspätet und daher nicht leistungswirksam entrichtet. Sie könnten demgemäß für die Pensionsberechnung nicht berücksichtigt werden.

Rechtliche Beurteilung

[7] In seiner außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

[8] 1. Voranzustellen ist, dass die Vorinstanzen die von der Beklagten bereits in der Klagebeantwortung bestrittene Zulässigkeit des Rechtswegs in den Entscheidungsgründen ausdrücklich bejaht haben. Daran ist der Oberste Gerichtshof nach § 42 Abs 3 JN iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO – bei den Entscheidungen über die Zulässigkeit des Rechtswegs handelt es sich um in die Urteile der Vorinstanzen aufgenommene Beschlüsse – gebunden (RS0039774 [T6]; 10 ObS 68/24h Rz 15 mwN). Eine Prüfung der Zulässigkeit des Rechtswegs ist dem Obersten Gerichtshof daher verwehrt.

[9] 2. Der Kläger meint, die Vorinstanzen hätten zwar „zulässig und wahrscheinlich rechtsrichtig“ die Ausnahme des § 118 Abs 2 lit g GSVG verneint. Die (weitere) Ausnahme des § 118 Abs 2 lit a GSVG hätten sie hingegen übersehen. Deren Voraussetzungen seien offenkundig erfüllt, weil das von ihm noch vor dem Pensionsstichtag eingeleitete Verfahren erst mit dem Bescheid des BMASK vom 12. November 2012 und damit nach dem Pensionsstichtag beendet worden sei.

[10] 3. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung trifft (RS0042656). Entgegen der Ansicht des Klägers ist das hier der Fall, weil bei Auslegung des § 118 Abs 2 lit a GSVG Zweifel nicht entstehen können (vgl RS0042656 [T8]).

[11] 3.1. Nach § 118 Abs 1 GSVG sind Beiträge, die nach dem Stichtag für einen anderen Zeitraum als für das letzte dem Stichtag unmittelbar vorangehende Kalendervierteljahr und für das Kalendervierteljahr, in das der Stichtag fällt, geleistet werden, für die Leistung aus dem eingetretenen Versicherungsfall unwirksam. Der Zweck dieser Regelung liegt darin, zu verhindern, dass der Versicherte durch spekulative Überlegungen das Versicherungsrisiko einseitig zu Lasten des Versicherungsträgers verschiebt (10 ObS 100/13y ErwGr 2. ua).

[12] 3.2. Nach § 118 Abs 2 lit a GSVG ist § 118 Abs 1 GSVG nicht auf Beiträge für Zeiträume anzuwenden, für welche die Versicherungspflicht in der Pensionsversicherung oder die Berechtigung zur Selbst- oder Weiterversicherung erst nach dem Stichtag in einem schon vorher eingeleiteten Verfahren festgestellt wurde.

[13] Diese Ausnahme fußt auf der Überlegung, dass in diesem Fall eine spekulative einseitige Verschiebung der Versicherungslast wohl nicht vorliegen könne (vgl ErläutRV zu § 230 ASVG 599 BlgNR 7. GP [74], die nach den ErläutRV zur Stammfassung des GSVG 865 BlgNR 14. GP [72, 74] die Parallelbestimmung des § 118 GSVG ist).

[14] Unter dem hier interessierenden Verfahren über die „Versicherungspflicht in der Pensionsversicherung“ ist nach dem völlig eindeutigen Wortlaut das Verfahren auf „Feststellung der Versicherungspflicht“ nach § 355 Z 1 ASVG iVm § 194 GSVG zu verstehen (vgl 10 ObS 118/91 zu § 230 Abs 2 lit a ASVG). Das entspricht auch dem Regelungszweck der Ausnahme, die nur zur Verfügung stehen soll, wenn das Bestehen derVersicherungspflicht zum Stichtag offen war.Die Versicherungspflicht war aber nicht Gegenstand des vom Kläger ins Treffen geführten Verfahrens. Vielmehr ging es dort ausschließlich um die Höhe der von ihm zu entrichtenden Beiträge (vgl § 355 Z 3 ASVG), wohingegen das Bestehen der Pflichtversicherung – wie der Kläger in der Revision selbst betont – unstrittig war.

[15] 4. Das aufgrund des Antrags des Klägers vom 9. November 2009 eingeleitete und mit Bescheid des BMASK vom 12. November 2012 beendete Verfahren kann die in der Revision allein begehrte Anwendung der Ausnahme des § 118 Abs 2 lit a GSVG daher nicht begründen.

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