OGH 10ObS1/25g

OGH10ObS1/25g18.3.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Nowotny als Vorsitzenden, die Hofräte Mag. Schober und Dr. Annerl sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Markus Schrottmeyer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und FI Veronika Bogojevic (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. P*, vertreten durch die Reif und Partner Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich‑Hillegeist-Straße 1, wegen Alterspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. November 2024, GZ 8 Rs 79/24 g‑17, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:010OBS00001.25G.0318.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Sozialrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe der der Klägerin gebührenden Alterspension.

[2] Mit Bescheid vom 14. Dezember 2023 anerkannte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt gegenüber der 1963 geborenen Klägerin den Anspruch auf Alterspension ab 1. September 2023 in Höhe von 4.029,21 EUR brutto monatlich.

[3] Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Gewährung einer Alterspension in der Höhe, die sich ohne Anwendung der Regelung des § 12 Abs 3 Z 2 letzter Satz APG errechne. Der dort normierte Ausschluss der Aufwertung der Gesamtgutschrift des letzten Kalenderjahres vor dem Pensionsantritt sei verfassungswidrig, weil gleiche Pensionsbeiträge ohne sachliche Rechtfertigung ungleich behandelt würden.

[4] Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs komme dem Gesetzgeber bei der Beurteilung sozialer Bedarfslagen ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Demgemäß sei es etwa nicht verfassungswidrig, wenn bei der erstmaligen Erhöhung einer Pension ein Modell der verzögerten Anpassung in Form einer Aliquotierung vorgesehen werde, das zwangsläufig zu Einbußen führe, wenn der Pensionsbeginn nahe am Jahresende liege und der erste Anpassungsfaktor besonders hoch sei (§ 108h ASVG). Diese Überlegungen seien auch für die hier zu beurteilende Aufwertung der Gesamtgutschrift maßgeblich. Mit Regelungen über eine Pensionserhöhung sei grundsätzlich auch kein Eingriff in das Grundrecht auf Eigentum verbunden. Dass nur für die Pensionsneuzugänge 2024 eine Schutzklausel vorgesehen worden sei, liege ebenfalls im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers.

Rechtliche Beurteilung

[5] In ihrer außerordentlichen Revision zeigt die Klägerin keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf.

[6] 1. Für die Pension nach dem Pensionskonto bekommt der Versicherte für jedes Jahr Teilgutschriften (1,78 % der Beitragsgrundlagensumme) ausgewiesen, die zu einer Gesamtgutschrift addiert werden. Diese Gesamtgutschrift wird am 1. 1. eines jeden Jahres mit der Aufwertungszahl (§ 108a ASVG) multipliziert und dazu wiederum die neue Teilgutschrift (für dieses Kalenderjahr) hinzugerechnet. Die (aktuelle) Gesamtgutschrift ergibt sich daher aus der Summe der aufgewerteten Gesamtgutschrift des vorangegangenen und der Teilgutschrift des derzeitigen Kalenderjahres (§ 12 APG; im Detail: Milisits/Wolff/Hollarek, Handbuch zur gesetzlichen Pensionsversicherung in Österreich2 209 ff [insb 213]; Rainer/Pöltner in Mosler/Müller/Pfeil, SV-Komm § 12 APG Rz 4 ff [insb Rz 21 bis 23]; Sonntag in Sonntag, ASVG15 § 261 Rz 11 ua).

[7] Die zum Stichtag bestehende Gesamtgutschrift geteilt durch 14 ergibt dann die monatliche Bruttopension (§ 5 Abs 1 APG). In dem Kalenderjahr, in das der Stichtag fällt, hat gemäß § 12 Abs 3 Z 2 letzter Satz APG allerdings keine Aufwertung der Gesamtgutschrift des vorangegangenen Kalenderjahres zu erfolgen.

[8] 2. Der Klägerin ist darin beizupflichten, dass es durch die Aufwertung zu einer „gewissen Valorisierung“ kommt, weil sich die vorgesehene Anpassung an der Entwicklung der durchschnittlichen Beitragsgrundlage in der Pensionsversicherung (§ 108a Abs 2 AVSG), vereinfacht also an der „Lohnsteigerung“ orientiert (Rainer/Pöltner aaO § 12 APG Rz 21). Der Umstand, dass nach § 12 Abs 3 Z 2 APG im Stichtagsjahr keine Aufwertung der Gesamtgutschrift des vergangenen Kalenderjahres erfolgt, bewirkt angesichts des weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraums insbesondere bei Beurteilung sozialer Bedarfslagen und der Ausgestaltung der an diese Bedarfslagen knüpfenden sozialen Maßnahmen (VfGH G 91/2024; VfGH G 73/2024; VfGH G 2575/2023; vgl auch RS0053889) aber keine Verfassungswidrigkeit:

[9] 2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ist in der Sozialversicherung und vor allem in der Pensionsversicherung der Versicherungsgedanke zurückgedrängt. Es gilt innerhalb einer Solidargemeinschaft nicht der Grundsatz der Äquivalenz von Beitragsleistung und Versicherungsleistung. Vielmehr sind die Grundsätze der Einkommens- und der Risikosolidarität bestimmend, woraus folgt, dass es in manchen Fällen trotz Leistung von (höheren) Pflichtbeiträgen zu keiner (höheren) Versicherungsleistung kommt (VfGH G 325/2020 ua; VfGH B 111/09 = VfSlg 18.786 [ErwGr II.2.5.2.] mwN).

[10] Darauf aufbauend hat der Verfassungsgerichtshof zu G 186/02 ua, VfSlg 16.764 (ErwGr 3.1.1.), und G 197/2023 ua (Rz 207) betont, dass mit den Beiträgen zur gesetzlichen Pensionsversicherung jeweils „nur“ die laufenden Pensionen der Leistungsbezieher finanziert, nicht aber Ansprüche der Beitragszahler „angespart“ werden. Es gelten grundsätzlich daher nicht versicherungsmathematische Grundsätze, sondern das Prinzip des sozialen Ausgleichs. Die Verpflichtung zur Beitragszahlung (welche an sich einen Eingriff in das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentumsrechts darstellt) ist im Rahmen dieses sogenannten „Generationenvertrags“ unter dem Gesichtspunkt sachlich zu rechtfertigen, dass ein der Versicherungsgemeinschaft angehörender Beitragszahler im Versicherungsfall auch selbst durch dieses System jedenfalls so weit geschützt wird, dass er in Abhängigkeit vom Ausmaß seiner Beitragszahlungen grundsätzlich eine nicht außer Verhältnis zu seinem früheren Erwerbseinkommen stehende Versorgung für eben dieselben Versicherungsfälle erwarten kann.

[11] 2.2. Zwar ist richtig, dass diese Rechtsprechung nicht zur Aufwertung der Gesamtgutschrift (§ 12 Abs 3 Z 2 APG iVm § 108a ASVG), sondern der Pensionsanpassung (§ 108h ASVG) erging. Auf die darin referierten Grundlagen des Systems der gesetzlichen Pensionsversicherung sowie die daraus resultierenden Konsequenzen wirkt sich das aber nicht aus: Sind die geleisteten Beiträge kein angespartes Guthaben für die eigene Pension, besteht aus verfassungsrechtlicher Sicht keine Notwendigkeit, diese (bzw das Gesamtguthaben) jedenfalls jährlich aufzuwerten. Der Verfassungsgerichtshof hat auch schon zum NVG 1972 betont, dass der Umstand, dass sich die Beitragsgrundlage des letzten Jahres einer aktiven Tätigkeit als Notar der Höhe nach nicht (mehr) auf einen in diesem Kalenderjahr anfallenden Pensionsanspruch auswirkt, verfassungsrechtlich unbedenklich ist (VfGH B 111/09 = VfSlg 18.786 [ErwGr II.2.5.2.] mwN). Der Versicherte hat vielmehr nur Anspruch auf eine „grundsätzlich nicht außer Verhältnis zu seinem früheren Erwerbseinkommen stehende Versorgung“. Dass eine solche durch die Anwendung des § 12 Abs 3 Z 2 letzter Satz APG im Anlassfall nicht (mehr) gewährleistet wäre, behauptet die Klägerin nicht und ist auch nicht zu sehen.

[12] 2.3. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis zu G 197/2023 ua auch klargestellt, dass kein aus dem verfassungsrechtlich garantierten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums abgeleitetes Recht besteht, Sozialleistungen oder Pensionszahlungen irgendeiner Art oder Höhe zu erhalten, solange dies nicht im innerstaatlichen Recht vorgesehen ist (Rz 215).

[13] 2.4. Dem – ohnehin bloß als weiteres Indiz für die Verfassungswidrigkeit des § 12 Abs 3 Z 2 APG angeführten – Umstand, dass nur für die Pensionsneuzugänge in den Jahren 2024 und 2025 (§ 783 Abs 3 ASVG) sowie 2026 (§ 808 Abs 3 ASVG) „Schutzklauseln“ vorgesehen wurden, hat bereits das Erstgericht die ständige Rechtsprechung entgegengehalten, wonach es grundsätzlich in der rechtspolitischen Freiheit des Gesetzgebers liegt, festzulegen, wann eine neue Bestimmung zu gelten hat (jüngst VfGH G 318/2022, VfGH G 182/2023 mwN; RS0117654; RS0053393 ua). Die Klägerin übergeht auch, dass die Aliquotierung des § 108h Abs 1a ASVG auch für sie abgemildert wurde (§ 775 Abs 6 ASVG).

[14] 3. Zusammenfassend teilt der Oberste Gerichtshof die geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht. Abgesehen davon, dass die Klägerin die Regelung des § 12 Abs 3 Z 2 letzter Satz APG als ungerecht empfindet, setzt sie sich mit der bereits von den Vorinstanzen dargelegten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs inhaltlich auch nicht näher auseinander (vgl RS0053889 [T12]). Eine die Zulässigkeit der Revision begründende Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zeigt sie damit nicht auf (RS0116943; vgl RS0122865; RS0053638).

[15] 4. Im Übrigen beschränkt sich die Klägerin in der Revision darauf, die Ausführungen der Berufung wörtlich zu wiederholen, ohne einen Zusammenhang mit den Argumenten des Berufungsgerichts herzustellen. Die Revision wird damit nicht gesetzmäßig ausgeführt und ist insoweit nicht behandelbar (vgl RS0043603 [T9, T15, T16]; 10 ObS 78/24d Rz 15; 3 Ob 136/24g Rz 6 ua).

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