European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:010OBS00011.25B.0318.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiete: Sozialrecht, Zivilverfahrensrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Klägerin begehrt die Wiederaufnahme des Verfahrens 18 Cgs 79/21g des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht, in welchem ihr Begehren auf Leistung einer Versehrtenrente aus einem Dienstunfall abgewiesen wurde. Sie stützt sich auf die Wiederaufnahmegründe des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO und des § 530 Abs 1 Z 5 (iVm Z 6) ZPO (analog). Sie legte drei in einem späteren Verfahren (zur Versetzung in den dauernden Ruhestand) eingeholte Sachverständigengutachten vor und behauptet, dass diese unter Berücksichtigung des weiteren Krankheitsverlaufs zu einem anderen Ergebnis als der im wiederaufzunehmenden Verfahren bestellte Sachverständige gekommen seien. Zudem sei in diesem späteren Verfahren eine Versetzung in den Ruhestand erfolgt, was die Wiederaufnahme nach § 530 Abs 1 Z 5 iVm Z 6 ZPO analog rechtfertige.
[2] Die Vorinstanzen wiesen die Klage zurück. Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
[3] Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekursder Klägerin ist mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[4] 1. Das Rekursgericht verneinte den Wiederaufnahmegrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO aus zwei Gründen. Es sah keinen Widerspruch zwischen dem im Vorverfahren erstatteten Gutachten und den von der Wiederaufnahmeklägerin vorgelegten Gutachten, weil sich diesen nicht entnehmen lasse, welcher Zustand der Klägerin in dem im Vorverfahren maßgeblichen Zeitraum vorgelegen habe. Darüber hinaus stellten die nachträglich beigebrachten Gutachten den geltend gemachten Wiederaufnahmegrund mangels unzulänglicher Grundlage oder neuer wissenschaftlicher Methode nicht her.
[5] 1.1. Wird die angefochtene Entscheidung auch auf eine selbständig tragfähige alternative Begründung gestützt, muss auch diese im Rechtsmittel bekämpft werden (RS0118709). Lässt das Rechtsmittel eine derartige alternative Begründung unbekämpft, wird keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung aufgezeigt (RS0118709 [T3, T7]), weil die ins Treffen geführte Rechtsansicht für die Lösung des konkreten Falls nicht (mehr) präjudiziell ist (vgl RS0088931 [T2, T4]).
[6] 1.2. Der – ausschließlich auf den Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte – Revisionsrekurs enthält zwar Ausführungen dazu, aus welchen Gründen das im wiederaufzunehmenden Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten entgegen der Beurteilung des Rekursgerichts auf einer untauglichen Grundlage (nämlich dem damals noch nicht bekannten weiteren Krankheitsverlauf, ohne den eine Diagnose nicht gesichert erstellt werden habe können) beruht habe. Mit der – selbständig tragfähigen – alternativen Begründung des Rekursgerichts, dass die von der Klägerin nunmehr vorgelegten Sachverständigengutachten kein für sie günstigeres Ergebnis herbeiführen könnten, weil sich diesen nicht entnehmen ließe, welcher Zustand der Klägerin in dem im Vorverfahren maßgeblichen Zeitraum vorgelegen habe, setzt sich der Revisionsrekurs hingegen nicht konkret auseinander. Die bloße Behauptung im Revisionsrekurs, dass die nunmehr vorliegenden Gutachten in Verbindung mit einer Einvernahme der Klägerin zu einer anderen Feststellung hinsichtlich der Minderung der Erwerbsfähigkeit führen hätten müssen und jedenfalls geeignet seien, eine für sie günstige Entscheidung herbeizuführen, geht auf die diesbezügliche Argumentation des Rekursgerichts und den konkreten Inhalt der vorgelegten Gutachten überhaupt nicht ein und ist somit einer in diesem Punkt nicht erhobenen Rechtsrüge gleichzuhalten, sodass sie insofern keine Überprüfung der vertretenen Rechtsansicht bewirken kann (RS0043654 [T6, T14]).
[7] 2. Die Klägerin beruft sich im Revisionsrekurs weiter auf den Wiederaufnahmegrund des § 530 Abs 1 Z 5 iVm Z 6 ZPO analog, weil sie nunmehr in den Ruhestand versetzt worden sei und in diesem Verfahren das Vorliegen von durch den Dienstunfall bedingten Dauerschäden eine erhebliche Vorfrage gebildet habe.
[8] 2.1. Der Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 5 ZPO setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass eine rechtskräftige präjudizielle Vorentscheidung, auf die sich die angefochtene Entscheidung stützt, durch eine andere rechtskräftige Entscheidung aufgehoben worden ist (RS0108294). Der Wiederaufnahmegrund wird ausdehnend bzw analog angewendet, wenn es sich bei der Vorentscheidung um ein Zivilurteil (RS0108294 [T5]) oder um einen Bescheid (RS0044616) handelt. Hat das Gericht allerdings eine Rechtsfrage selbst beurteilt, bildet eine nachträgliche anderslautende Entscheidung der anderen (zuständigen) Behörde keinen Wiederaufnahmegrund (RS0108294 [T2]). Daran wurde trotz der von einem Teil der Literatur geäußerten Kritik (Jelinek in Fasching/Konecny³ § 530 ZPO Rz 119 ff) ausdrücklich festgehalten (1 Ob 35/10v; 1 Ob 103/11w).
[9] 2.2. Soweit sich die Klägerin auf die zuletzt zitierte Lehrmeinung stützt, verwies überdies bereits das Rekursgericht zutreffend darauf, dass diese eine analoge Anwendung des § 530 Abs 1 Z 5 ZPO nur dann befürwortet, wenn ein nachträglicher Verwaltungsakt den Gegenstand der Vorfragenbeurteilung als Hauptfrage abweichend entscheidet (Jelinek in Fasching/Konecny³ § 530 ZPO Rz 119 und 121). Dass eine im wiederaufzunehmenden Verfahren als Vorfrage beurteilte Frage im späteren Verfahren über die Versetzung in den Ruhestand als Hauptfrage (anders) entschieden worden wäre, wird im Revisionsrekurs nicht behauptet.
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