OGH 10Ob63/24y

OGH10Ob63/24y3.6.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Hon. Prof. PD Dr. Rassi sowie die Hofräte Mag. Schober, Dr. Annerl und Dr. Vollmaier und die Hofrätin Dr. Wallner‑Friedlals weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*, vertreten durch Dr. Josef Fromhold, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Ly* GmbH, *, vertreten durch Mag. Katharina Kurz, Rechtsanwältin in Wien, und 2. m* GmbH, *, vertreten durch die Reif und Partner Rechtsanwälte OG in Graz, wegen 9.185,90 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. September 2024, GZ 60 R 31/24z‑28, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 31. Jänner 2024, GZ 21 C 454/22a‑23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0100OB00063.24Y.0603.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

1. Der Revision wird in Ansehung der erstbeklagten Partei Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die hinsichtlich der Abweisung eines Teilbetrags von 880,90 EUR sA gegenüber der erstbeklagten Partei in Rechtskraft erwachsen sind, werden im Übrigen (Abweisung von 8.300 EUR sA) aufgehoben und die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind insofern weitere Verfahrenskosten.

2. In Ansehung der zweitbeklagten Partei wird der Revision nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit 1.000,75 EUR (darin 166,79 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die L* AG, eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz, betreibt eine Einkaufsgemeinschaft, die es den Teilnehmern ermöglicht, durch den Bezug von Waren und/oder Dienstleistungen bei L*‑Partnerunternehmen Vorteile (Cashbacks und Shopping Points) zu erwerben. Dieses „Cashback World Programm“ wird insbesondere über ein unter dem Begriff „Ly*“ geführtes Vertriebssystem vermarktet.

[2] Am 1. März 2018 registrierte sich der Kläger als Mitglied der L* AG, die für ihn ein Mitgliedskonto einrichtete. Zwischen 1. März 2018 und 8. März 2019 erwarb erbei dieser „Discount Voucher“ und „Clouds“ („Limited Edition Discount Vouchers“ um insgesamt 10.800 EUR sowie ein „Starter Pack“ um 107,90 EUR. Er akzeptierte dabei die Ly*‑Vereinbarung für unabhängige Ly* Marketer in der FassungNovember 2017 und die Zusatzbedingungen für Rabattgutscheine in der Fassung 2017. Die Zahlungen leistete der Kläger an die L* AG, die sie zu Mitglieds-ID * bestätigte. Durch die Vereinbarungen hatte der Kläger auch die für den Erwerb der Produkte notwendige Stellung als „Marketer“ erlangt.

[3] Am 7. März 2019 versandte die L* AG (auszugsweise) folgende Rundmail an ihre Mitglieder:

Warum etwas Altbewährtes ändern, wenn es gut läuft?

Weil es noch besser laufen kann! Ly* öffnet Ihnen die Tür zu einer Welt mit noch mehr Chancen und Vorteilen.

Das Wichtigste vorab: Ihr Network, das Sie sich bisher aufgebaut haben, bleibt natürlich bestehen. Zusätzlich erwarten Sie zahlreiche neue und attraktive Tools und Features, mit denen Sie Ihr Kundenbindungsprogramm effizient betreiben können.

Wenn Sie alle neuen Optionen nutzen wollen, um noch eigenständiger und effizienter zu arbeiten, können Sie jederzeit kostenlos unter www.ly*.com registrieren.“

[4] Daraufhin vollzog der Kläger am 8. März 2019 ein „Update“ auf das Ly*-New respektive das „my* Share Program“.

[5] Die FAQ zum my* Share Program lauteten auszugsweise:

F1: Wie kann ich am my* Share Program teilnehmen?

A: Um am my* Share Program teilnehmen zu können, musst du die Geschäftsbedingungen von my* und Ly* aus dem Jahr 2021 akzeptieren.

F2: Wie kann ich als Marketer my* Share Points (mSP) sammeln?

A: Als Marketer erhältst du my* Share Points für ...

[...]

F6: Wie werden meine bisherigen Bestellungen (Anzahlungen, Rabattgutscheine, mVoucher und eingelöste Benefit Voucher) für das my* Share Program gewertet, wenn ich das Angebot annehme?

A: Du erhältst für alle deine bisherigen Bestellungen mSP (1 EUR Bestellwert = 1 mSP).

[...]

F7: Was passiert mit meinen Units, wenn ich das my* Share Program Angebot annehme?

A: Du behältst alle deine bestehenden Units und bekommst weiterhin Ausschüttungen aus dem Balance Program.

F8: Wie wird meine bisherige Teilnahme an Incentive-Programmen (Customer Cloud, Infinity und Enterprise Program) für das my* Share Program gewertet, wenn ich mich dazu entscheide, das Angebot anzunehmen?

A: Du erhältst mSP für alle deine bisherigen Bestellungen (1 EUR Bestellwert = 1 mSP).

Zusätzlich bekommst du für jeden Cloud-Anteil (kostenloses Incentive) 500 mSP. Für jeden Anteil an der Enterprise Cloud X erhältst du 1.000 mSP. Sämtliche Ausschüttungen aus den oben genannten Incentive‑Programmen, die du bereits erhalten hast, werden bei der Berechnung deiner mSP in Abzug gebracht.“ (Beilage ./AV iVm RS0121557).

[6] Im Zuge des „Updates“ akzeptierte der Kläger die Ly* Marketing Vereinbarung in der Fassung 2019, die Zusatzbedingungen zum Erwerb von „mVoucher“ in der Fassung März 2019 und die Zusatzbedingungen für das Marketing+ Pack in der Fassung Oktober 2019.

[7] In der Folge akzeptierte der Kläger auch die Zusatzbedingungen der Zweitbeklagten zum Erwerb von „Benefit Voucher“ in der Fassung Juli 2020.

[8] Der Kläger begehrt die (Rück‑)Zahlung von zuletzt 9.185,90 EUR sA. Er habe von der L* AG unter anderem „Discount Voucher“ und „Clouds“ („Limited Edition Discount Voucher“) erworben, bei denen es sich aber um wertlose Scheingutscheine handle. Im März 2019 habe er ein „Update“ auf Ly* New durchgeführt, wobei ihm versichert worden sei, dass seine Guthaben bestehen blieben. Zu diesem Zweck habe er der Ly* Marketer Vereinbarung in der Fassung 2019 zugestimmt, wodurch sein Mitgliedskonto auf my* Share Points umgestellt worden und die L* AG aus dem Vertragsverhältnis ausgeschieden sei. An deren Stelle seien die Beklagten gemeinsam die Betreiber des Mitgliedskontos geworden; die bisherige Geschäftsbeziehung zur L* AG sei auf die neuen Vertragspartner transferiert worden. Darüber hinaus hafteten die Beklagten ihm auch aufgrund des kollusiven Zusammenwirkens im Rahmen der verschleierten Scheinkonstruktion für den eingetretenen Totalverlust deliktisch wegen absichtlicher und sittenwidriger Schädigung nach § 1295 Abs 2 ABGB, weil sie ihn bewusst und absichtlich unter dem Vorwand, alles bliebe beim Alten, dazu verleitet hätten, der Vertragsübernahme zuzustimmen.

[9] Die Beklagtenbestritten ihre Passivlegitimation. Der Kläger fordere Ersatz für von ihm bei der L* AG erworbene Produkte. Seine Verträge mit dieser seien von ihnen aber nicht übernommen worden. Sie hätten von der L* AG auch weder Zahlungen des Klägers erhalten noch sein L*-Mitgliedskonto (weiter-)betrieben oder damit in Zusammenhang stehende Dienstleistungen erbracht. Die Voraussetzungen für eine Vertragsübernahme oder einen Schuldbeitritt lägen nicht vor. Eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung habe nur im Verhältnis der Vertragspartner, hier also zwischen dem Kläger und der L* AG zu erfolgen, von der er die „(Limited Edition) Discount Voucher“ auch erworben habe. Schadenersatzansprüche seien schon wegen fehlender Kausalität ausgeschlossen. Mit der Zweitbeklagten habe der Klägereinen eigenständigen Vertrag über die Teilnahme an einem kostenlosen Benefit Programm abgeschlossen und dabei diverse Voucher erworben. Auf Wunsch des Klägers sei dieses Vertragsverhältnis aber bereits rückabgewickelt worden; weitere Produkte habe der Kläger vonder Zweitbeklagten nicht erworben.

[10] Das Erstgerichtverpflichtete die Zweitbeklagte, dem Kläger 5 EUR sA zu zahlen und wies das weitereBegehren von 9.180,90 EUR sA gegenüber beiden Parteien ab. Bei den einzelnen Vertragswerken handle es sich um selbständige, voneinander unabhängige Vereinbarungen mit unterschiedlichen Vertragspartnern, sodass ausschließlich die L* AG Vertragspartnerin des Klägers sei. Die Voraussetzungen für eine Vertragsübernahme oder einen Schuldbeitritt der Beklagten lägen nicht vor, weshalb die Beklagten nicht passiv klagslegitimiert seien.

[11] Im Umfang des Zuspruchs blieb das Ersturteil ebenso unbekämpft, wie hinsichtlich der Abweisung eines Betrags von 880,90 EUR (Starter Pack und verschenkte bzw verbrauchte Voucher).

[12] Das Berufungsgericht gab der vom Kläger gegen die Abweisung eines Teilbetrags von 8.300 EUR sA („Discount Voucher“ und „Clouds“) erhobenen Berufung nicht Folge. Es teilte die Auffassung des Erstgerichts und ließ die Revision zu, weil zur Vertragsübernahme bei Online-Einkaufsgemeinschaften noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

[13] Dagegen richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, dem (verbliebenen) Klagebegehren stattzugeben. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[14] Die Beklagten beantragen jeweils, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[15] Die Revision ist zulässig und hinsichtlich der Erstbeklagten berechtigt. Hinsichtlich der Zweitbeklagten ist sie hingegen nicht berechtigt.

[16] 1. Vorauszuschicken ist, dass die Vorinstanzen gegenüber der Erstbeklagten über einTeilbegehren von 5 EUR sA – den sie nur gegenüber der Zweitbeklagten zusprachen – nicht erkannt haben. Mangels Ergänzungsantrags nach § 423 ZPO oder entsprechender Rüge in der Berufung ist dieser Betrag gegenüber der Erstbeklagten daher aus dem Verfahren ausgeschieden (RS0041490; RS0041503; RS0039606).

[17] 2. Nachdem der Kläger in der Berufung auf eine Novation und ein Anerkenntnis der Beklagten nicht mehr zurückkam,thematisiert er in der Revision den behaupteten Schuldbeitritt inhaltlich nicht mehr. Erstütztdie Passivlegitimation der Beklagten nur mehr auf eine gemeinsame Vertragsübernahme hinsichtlich der von ihm bei der L* AG erworbenen „Investitionen“ („Voucher“ und „Clouds“).

[18] 2.1. Nach österreichischem Recht ist eine Vertragsübernahme ein einheitliches Rechtsgeschäft, mit dem die Gesamtheit aller wechselseitigen Rechte und Pflichten übertragen wird und der Vertragsübernehmer (Neupartei) an die Stelle der aus dem Schuldverhältnis ausscheidenden Partei (Altpartei) tritt. Die Neupartei übernimmt die gesamte vertragliche Rechtsstellung der Altpartei, ohne dass dadurch der Inhalt oder die rechtliche Identität des bisherigen Schuldverhältnisses verändert werden (vgl RS0032623). Die Neupartei muss das Vertragsverhältnis in jener Lage übernehmen, in der es sich gerade befindet, wobei es auf den Kenntnisstand der Neupartei nicht ankommt (RS0032623 [insb T4]). Der Umfang der Vertragsübernahme richtet sich nach der Parteienvereinbarung (Thöni in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 1406 ABGB Rz 71). Die Neupartei übernimmt nach Maßgabe der Vereinbarung die gesamte vertragliche Rechtsstellung der Altpartei (vgl Lukas/Geroldinger in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON § 1406 Rz 17). Die Altpartei haftet in der Folge weder für bisherige noch für später begründete Ansprüche oder Anwartschaften der Restpartei. Die Vertragsübernahme führt im Sinn der Einheitstheorie auch zum Übergang der gesamten rechtlichen Rahmenbeziehung, also auch der vertragsbezogenen Gestaltungsrechte (vgl 4 Ob 355/97b; Ertl in Rummel, ABGB3 § 1406 Rz 2). Wird die gesamte vertragliche Rechtsstellung übertragen, so umfasst der Übergang auch Sekundäransprüche der Restpartei gegen die Altpartei. Das entspricht einerseits dem erkennbaren Interesse der Altpartei nach der Befreiung vom Leistungsaustausch durch die Vertragsübernahme und andererseits dem der Restpartei, die es in der Regel nur noch mit dem neuen Vertragspartner zu tun haben und sich nicht teils mit der Altpartei, teils mit der Neupartei auseinandersetzen möchte (vgl Thöni aaO § 1406 ABGB Rz 74). Das muss bei einem Gesamtübergang des Rechtsverhältnisses auch für auf § 877 ABGB gestützte Kondiktionsansprüche der Restpartei gelten, die auf Leistung an die ausgeschiedene Altpartei beruhen und deren Rückabwicklung aufgrund Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts zu erfolgen hat (3 Ob 44/22z Rz 26).

[19] 2.2. Eine wirksame Vertragsübernahme bedarf nach der Rechtsprechung einer Vereinbarung zwischen Überträger und Übernehmer sowie der – zumindest schlüssig erteilten – Zustimmung des verbleibenden Vertragspartners (RS0032607 [T2]).

[20] 2.3. Bereits abgewickelte, also schon beiderseitig erfüllte Verträge können nicht mehr Gegenstand einer Vertragsübernahme sein (RS0123377; vgl 8 Ob 34/08w).

[21] 3. Auf der Basis dieser Grundsätze hat sich der Oberste Gerichtshof in den Entscheidung 3 Ob 189/24a vom 22. Jänner 2025 und 6 Ob 78/24z vom 18. Februar 2025 bereits eingehend mit dem auch im Anlassfall zu beurteilenden Geschäftsmodell und der Frage der Vertragsübernahme durch die beiden auch hier Beklagten auseinandergesetzt. Er kam dabei zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine Vertragsübernahme durch die Erstbeklagte hinsichtlich der „Cloud-Beteiligungen“ erfüllt waren, während hinsichtlich der von den dortigen Klägern jeweils erworbenen Voucher noch klärungsbedürftige Fragen bestünden. Hingegen wurde eine Vertragsübernahme durch die Zweitbeklagte verneint (3 Ob 189/24a Rz 53 ff; 6 Ob 78/24z Rz 57 ff).

3.1. Der Oberste Gerichtshof führte dabei aus:

L*-Gutscheine (mit unterschiedlichen Bezeichnungen) waren in den Jahren 2018 bis 2022 Teil eines Geschäftsmodells der L* AG, das auf einem Cashback System basierte. Kunden (Mitglieder) der L* AG konnten bei Einkäufen bei Partnerunternehmen Rabatte und Rückvergütungen erhalten, die aus Cashbacks und aus Rabattgutscheinen (Voucher oder Shopping Points) bestanden.

„L* Rabattgutscheine“ (Discount Voucher) im Sinn der Zusatzbedingungen für Rabattgutscheine in der Fassung 2017 konnten von L*-Marketern erworben werden, die dafür Shopping Points erhielten, die bei den L*Partnerunternehmen eingelöst werden konnten.

„L* Customer Clouds“ und „L* Enterprise Clouds“ wurden zu unterschiedlichen Zeitpunkten mit unterschiedlichen Laufzeiten ausgegeben und konnten von Marketern erworben werden. Bei diesen Cloud-Beteiligungen wurde den Teilnehmern für ihre Einzahlungen ein potentieller finanzieller Gewinn durch die Beteiligung an Umsätzen versprochen, die auf den Einkäufen der L*-Mitglieder in einem bestimmten Land oder bei bestimmten Projektgesellschaften basierten. So wurden etwa bei „Enterprise Clouds“ die in einzelnen Projektgesellschaften der my*-Unternehmensgruppe bzw der my* E* Ltd erwirtschafteten Gewinne in Shopping Points umgewandelt und das sich daraus ergebende Shopping Points-Volumen anteilig auf die Cloud-Beteiligten in Form von Shopping Points verteilt.

Das Cashback System wurde früher von der L* AG und später von der my* International Ltd betrieben. Auch das neue Benefit Programm (my* Share Program ab 2021) wird von der my* International Ltd betrieben und in Österreich von der my* Austria GmbH (Zweitbeklagte) abgewickelt und durchgeführt.

Ly* Marketer waren und sind – anders als bloße Kunden (Mitglieder) – Vermittler, die Einkaufsumsätze der Partnerunternehmen im Rahmen des jeweiligen Benefit Programms vermitteln und dafür Vergütungen (Cashbacks und Shopping Points) erhalten. Das Vermittler-Netz wurde früher von der L* AG betrieben. Seit 2021 wird es von der Ly* Marketing Agency Ltd betrieben, wobei Vertragspartnerin der Ly* Marketer in Österreich die [Erstbeklagte] ist (3 Ob 189/24a Rz 20 ff).

[22] 3.2. Zu den konkret erworbenen „Clouds“ führte der Oberste Gerichtshof aus, dass diese nach den dortigen Feststellungen in mSP „umgewandelt“ werden sollten, was bei verständiger Betrachtung nach dem Empfängerhorizont nur dahin verstanden werden könne, dass diese in den umgetauschten mSP fortwirken sollten. Durch den Umstieg auf das neue my* Share Programm sollten daher die Rechte aus den bestehenden Cloud-Beteiligungen auf das neue my* Share Programm übertragen und schließlich sogar in Unternehmensanteile (Aktionärsrechte) umgewandelt werden (3 Ob 189/24a Rz 33 bis 35; 6 Ob 78/24z Rz 38 bis 40).

[23] Diesen Vorgang, bei dem zunächst ein bestimmtes (Dauer‑)Schuldverhältnis (Cloud‑Beteiligungen) unverändert auf ein neues Rechtssubjekt übertragen wird und in der Folge eine einvernehmliche Neugestaltung der wechselseitigen Rechte und Pflichten erfolgt, qualifizierte der Oberste Gerichtshof als Übertragung einer bestehenden Geschäftsbeziehung auf ein neues Rechtssubjekt. Ob die vom jeweiligen Marketer an die L* AG geleisteten Zahlungen an die übernehmende Gesellschaft weiterüberwiesen wurden, wurde dabei als nicht maßgeblich erachtet (3 Ob 189/24a Rz 36; 6 Ob 78/24z Rz 41).

[24] 3.3. Zu den „Discount Voucher“ verwies der Oberste Gerichtshof darauf, dass bereits vor dem Umstieg eingelöste Voucher endgültig abgewickelte Erwerbsvorgänge darstellten. Für die noch nicht eingelösten Voucher führte er aus, dass die auf das my* Share Programmumgestiegenen Marketer lediglich eine bestimmte Anzahl von mSP „erhalten“ sollten, wobei nicht klar sei, wie diese genau erworben werden sollten: Entweder – wie beim „Umwandeln“ bei den „Clouds“ – durch Substituieren offener Ansprüche oder bloß in Form einer Prämie und damit unabhängig von offenen Ansprüchen (3 Ob 189/24a Rz 39 ff; 6 Ob 78/24z Rz 44 ff).

[25] 3.4. Für die Frage der Passivlegitimation im Fall einer Vertragsübernahme erachtete der Oberste Gerichtshof als entscheidend, von welchem Unternehmen die mSP verwaltet werden (3 Ob 189/24a Rz 43; 6 Ob 78/24z Rz 46).

[26] 4. Diese Erwägungen sind auch im vorliegenden Fall maßgeblich.

4.1. Zur Erstbeklagten

[27] Aus der Präambel der festgestellten Ly* Marketing Vereinbarung in der Fassung 2019 ergibt sich nur, dass die Erstbeklagte die Vertragspartnerin des Klägers ist. Klar ist auch, dass die AGB beiderBeklagten an das my* Share Programm bzw das neue Geschäftsmodell angepasst wurden.

[28] Damit allein lässt sich eine Vertragsübernahme aber nicht abschließend beurteilen. Der Kläger hat nämlich Umstände behauptet, die jenen ähneln, die zu 3 Ob 189/24a und 6 Ob 78/24z zur Annahme einer Vertragsübernahme geführt haben, weil Kunden und Marketer daraus den Eindruck gewinnen mussten, das neue my* Share Programm sei lediglich die Neugestaltung des von der L* AG zuvor betriebenen Einkaufs- und Investitionsmodells, in die die Beklagten auch willentlich eingebunden waren (vgl die dargestellten FAQ). Dafür spräche etwa der vom Kläger behauptete Umstand, nach dem „Update“ seien sein bei der L* AG erworbenes Mitgliedskonto und seine Mitgliedsnummer dieselben geblieben. Auch wenn die Beilage ./AN (Seite 6) nicht den Kläger betrifft, ergeben sich daraus auch Hinweise darauf, dass die Marketer und damit auch der Kläger für das „Update“ – wie von ihm vorgebracht – der Übertragung und der Übernahme aller Geschäftsdaten, einschließlich der Mitgliedskontodaten und der Daten zu den erworbenen Programmen und Shopping Points von der L* AG an die Erstbeklagte zustimmen mussten.

[29] Feststellungen zu allen diesen Umständen wurden aber nicht getroffen. Trotz dahingehender Behauptungen steht zur Zeit nicht einmal fest, dass die „Investitionen“ überhaupt in mSP „umgewandelt“ wurden (oben 3.2.) und für welche (an die L* AG geleisteten) Zahlungen wie viele mSP gutgeschrieben wurden.

[30] Träfe das Vorbringen des Klägers zu, wäre daraus – so wie zu 3 Ob 189/24a und 6 Ob 78/24z – eine Übernahme der Vertragsbeziehung zwischen dem Kläger und der L* AG durch die Erstbeklagte ableitbar.

4.2. Zur Zweitbeklagten

[31] Wie aus der Entscheidung 3 Ob 189/24a hervorgeht, hatte das dort durchgeführte Verfahren ergeben, dass die Zweitbeklagte nicht Betreiberin des neuen my* Share Programms war, sondern dieses in Österreich nur abwickelte, worauf in den AGB für my*‑Mitglieder in der Fassung 2021 auch hingewiesen wurde und woraus keine Vertragsbeziehung des Klägers zur Zweitbeklagten ableitbar sei. Eine solche Feststellung wurde hier zwar nicht getroffen, weil die AGB für my*‑Mitglieder nicht vorgelegt wurden. Allerdings hat das vorliegende Verfahren keine verlässlichen Anhaltspunkte für eine Vertragsübernahme durch die Zweitbeklagte ergeben (so auch 6 Ob 78/24z Rz 54).

[32] Denn zu ihr steht nur fest, dass sie dem Kläger die von ihm nach dem „Update“ erworbenen Voucher im eigenen Namen und auf eigene Rechnung verkaufte, diese Geschäftsbeziehung (außergerichtlich) aber schon rückabgewickelt wurde. Hinweise darauf, dass die Zweitbeklagte etwaige aus den „Investitionen“ bei der L* AG resultierende mSP (mit‑)verwaltet, liegen (ebenfalls) nicht vor. Auch in der Revision legt der Kläger keine stichhältigen Gründen dar, die für eine Vertragsübernahme (auch) durch die Zweitbeklagte sprechen.

5. Ergebnis

[33] 5.1. Hinsichtlich der Zweitbeklagten haben die Vorinstanzen die Passivlegitimation für die geltend gemachten Ansprüche zu Recht verneint.

[34] 5.2. Hinsichtlich der Erstbeklagten lassen die bisher getroffenen Feststellungen eine abschließende Beurteilung ihrer Passivlegitimation dagegen noch nicht zu, sodass die Entscheidungen der Vorinstanzen insoweit aufzuheben und dem Erstgericht die Verfahrensergänzung und neuerliche Entscheidung aufzutragen ist.

[35] 6. Sofern sich im fortgesetzten Verfahren die Voraussetzungen für eine Vertragsübernahme durch die Erstbeklagte ergeben sollten (oben 4.1.), wird zu den „Clouds“ überdies zu klären sein, welche der vom Kläger gezahlten Beträge auf die einzelnen Erwerbsvorgänge entfielen und in welchem Ausmaß diese in mSP „umgewandelt“ wurden. Zu den „Discount Voucher“ wird zudem festzustellen sein, ob und in welchem Ausmaß zum Zeitpunkt des Umstiegs auf das my* Share Programm noch offene Ansprüche bestanden und ob und in welchem Ausmaß der Kläger dafür mSP „erhalten“ hat. Für diesen Fall ist auch zu klären, ob die offenen Ansprüche durch den Erhalt von mSP substituiert oder ob durch die gutgeschriebenen mSP bloß die bisherigen „Bestellungen“ wertmäßig berücksichtigt wurden.

[36] Sofern (noch) notwendig, werden zur Beurteilung der vom Kläger behaupteten Nichtigkeit der Erwerbsvorgänge sodann Feststellungen zur Beteiligungsform und der konkreten Ausgestaltung des vorliegenden Geschäftsmodells zu treffen sein. Erst wenn diese vorliegen, kann beurteilt werden, ob die Verträge, mit denen der Kläger „Voucher“ und „Clouds“ um 8.300 EUR erwarb, wegen Gesetz- oder Sittenwidrigkeit nichtig sind und daher die begehrte bereicherungsrechtliche Rückabwicklung in Betracht kommt. Soweit sich der Kläger dazu weiterhin auf die Entscheidungen 9 Ob 40/18z, in der ein Schneeballsystem im Sinn der Z 14 des Anhangs zu § 2 UWG iVm § 27 Abs 2 UWG angenommen wurde, stützen sollte, wird er einen konkreten Tatsachenbezug respektive einen gesicherten Zusammenhang zu den hier zu beurteilenden Erwerbsvorgängen darzulegen haben.

[37] 7. Die Kostenentscheidung stützt sich gegenüber der Erstbeklagten auf § 52 ZPO, gegenüber der Zweitbeklagten auf §§ 41, 50 ZPO.

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