European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGST:2018:LVwG.30.22.2907.2017
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch die Richterin Mag. Rappold über die Beschwerde des E M, geb. xx, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 20.09.2017, GZ: BHLB-15.1-3965/2017,
z u R e c h t e r k a n n t:
I. Gemäß § 50 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (im Folgenden VwGVG) wird der Beschwerde
s t a t t g e g e b e n,
das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG iVm § 38 VwGVG
e i n g e s t e l l t.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (im Folgenden VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde vom 20.09.2017 wurde dem Beschwerdeführer als Zulassungsbesitzer des Kraftahrzeuges über 3,5 Tonnen mit dem Kennzeichen XX vorgeworfen, er habe am 13.01.2017 um 09:08 Uhr in der Gemeinde G auf der A9 bei Straßenkilometer xx den Nachweis über die Zuordnung des Fahrzeuges zur erklärten EURO-Emissionsklasse nicht fristgerecht nachgeholt und dadurch die nicht ordnungsgemäße Entrichtung fahrleistungsabhängiger Maut für die Benützung von Mautstrecken verursacht. Das angeführte Fahrzeug sei am angeführten Ort gelenkt worden, ohne die fahrleistungsabhängige Maut für mehrspurige Kraftfahrzeuge mit einem höchst zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen ordnungsgemäß zu entrichten.
Hierdurch habe er die Rechtsvorschriften des § 20 Abs 3 iVm den §§ 6 und 7 Abs 1 Bundesstraßenmautgesetz (im Folgenden BStMG) verletzt und wurde hiefür gemäß § 20 Abs 3 BStMG eine Geldstrafe in Höhe von € 300,00 (im Falle der Uneinbringlichkeit 1 Tag und 9 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Ferner wurde der Beschwerdeführer gemäß § 64 Abs 2 VStG verpflichtet als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens einen Betrag in der Höhe von € 30,00 zu bezahlen.
Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, unter anderem mit der Begründung, es sei nicht richtig ihn als Inhaber der Probefahrtkennzeichen in einen Topf mit einem allgemeinen Fahrzeughalter zu werfen. Im Gesetz werde ein Fahrzeughalter erwähnt, im gegenständlichen Fall gehe es jedoch immer um verschiedene Fahrzeuge. Dies sei bei der Bestrafung nicht richtig erkannt worden.
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat erwogen:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG entscheiden die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark ist gemäß § 3 VwGVG für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung zuständig.
Da im angefochtenen Bescheid eine € 500,00 nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und in der Beschwerde nur eine unrichtig rechtliche Beurteilung behauptet wird und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat, konnte unter Hinweis auf die Bestimmung des § 44 Abs 3 Z 1 und 3 VwGVG von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden.
Aufgrund der Aktenlage werden nachstehende entscheidungsrelevante Feststellungen getroffen:
Bei dem Kennzeichen „XX“ handelt es sich um ein Probefahrtkennzeichen, dessen Inhaber der Beschwerdeführer ist. Das verfahrensgegenständliche Fahrzeug mit der Fahrgestellnummer XX war zu keinem Zeitpunkt in Österreich zugelassen, insbesondere auch nicht auf den Beschwerdeführer.
Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich unzweifelhaft aus dem Akteninhalt, insbesondere der schriftlichen Auskunft der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 29.11.2017 sowie der mündlichen Auskunft der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 15.01.2018. Diese Verfahrensergebnisse wurden der belangten Behörde mit Schreiben vom 16.01.2018 zur Kenntnis und mit der Aufforderung übermittelt, hiezu binnen 14 Tagen Stellung zu nehmen; eine Stellungnahme langte bislang jedoch nicht beim Landesverwaltungsgericht Steiermark ein. Widersprechende Beweisergebnisse liegen nicht vor.
Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 4 BStMG sind Mautschuldner der Kraftfahrzeuglenker und der Zulassungsbesitzer. Mehrere Mautschuldner haften zur ungeteilten Hand.
Gemäß § 6 BStMG unterliegt die Benützung von Mautstrecken mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, der fahrleistungsabhängigen Maut. Mehrspurige Kraftfahrzeuge, die noch nie zum Verkehr zugelassen waren und ein Probefahrt- oder Überstellungskennzeichen führen, unterliegen der fahrleistungsabhängigen Maut, sofern ihr Eigengewicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt. Sofern kein Nachweis des Eigengewichtes erbracht wird, gelten diese Fahrzeuge als solche mit einem Eigengewicht von mehr als 3,5 Tonnen.
Gemäß § 7 Abs 1 BStMG ist die Maut durch Einsatz zugelassener Geräte zur elektronischen Entrichtung der Maut im Wege der Abbuchung von Mautguthaben oder der zugelassenen Verrechnung im Nachhinein zu entrichten. Es ist dafür Sorge zu tragen, dass die Kraftfahrzeuglenker ihre Fahrzeuge vor der Benützung von Mautstrecken mit diesen Geräten ausstatten können.
Gemäß § 20 Abs 3 BStMG begehen Zulassungsbesitzer, die den Nachweis über die Zuordnung des Fahrzeuges zur erklärten EURO-Emissionsklasse nicht fristgerecht nachholen und dadurch die nichtordnungsgemäße Entrichtung fahrleistungsabhängiger Maut für die Benutzung von Mautstrecken verursachen, eine Verwaltungsübertretung und sind mit Geldstrafe von € 300,00 bis € 3.000,00 zu bestrafen. Gemäß § 20 Abs 4 BStMG gelten Verwaltungsübertretungen gemäß Abs 3 als an jenem Ort begangen, an dem die Benützung von Mautstrecken mit einem gemäß § 9 Abs 6 vierter Satz vorläufig einer Tarifgruppe zugeordneten Fahrzeug durch automatische Überwachung oder durch dienstliche Wahrnehmung eines Mautaufsichtsorgans festgestellt wurde.
§ 45 Abs 1 KFG in der zur Tatzeit geltenden Fassung BGBl. I Nr. 40/2016 lautet wie folgt:
„Probefahrten mit nicht zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeugen oder Anhängern oder Fahrgestellen solcher Fahrzeuge dürfen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur mit Bewilligung der Behörde durchgeführt werden, in deren örtlichem Wirkungsbereich der Ort liegt, von dem aus der Antragsteller hauptsächlich über die Verwendung der Probefahrtkennzeichen verfügt. Probefahrten sind Fahrten zur Feststellung der Gebrauchsfähigkeit oder der Leistungsfähigkeit von Fahrzeugen oder ihrer Teile oder Ausrüstungsgegenstände oder Fahrten, um Fahrzeuge vorzuführen. Als Probefahrten gelten auch
1. Fahrten zur Überführung eines Fahrzeuges an einen anderen Ort im Rahmen des Geschäftsbetriebes sowie Fahrten um unbeladene Fahrzeuge der Klassen M2, M3, N2 oder N3 gewerbsmäßig im Auftrag von Nutzfahrzeugherstellern oder Nutzfahrzeughändlern zu überführen,
2. Fahrten zur Überführung des Fahrzeuges durch den Käufer bei der Abholung des Fahrzeuges vom Verkäufer,
3. Fahrten zum Ort der Begutachtung oder Überprüfung des Fahrzeuges nach dem III. und V. Abschnitt und
4. das Überlassen des Fahrzeuges mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von nicht mehr als 3 500 kg an einen Kaufinteressenten für die Dauer von bis zu maximal 72 Stunden, wobei auch Fahrtunterbrechungen zulässig sind.“
Gemäß § 20 Abs 2 BStMG begehen Kraftfahrzeuglenker, die Mautstrecken benützen, ohne die nach § 6 geschuldete fahrleistungsabhängige Maut ordnungsgemäß zu entrichten, eine Verwaltungsübertretung und sind mit Geldstrafen von € 300,00 bis zu € 3.000,00 zu bestrafen.
Die im vorliegenden Fall herangezogene Strafbestimmung des § 20 Abs 3 BStMG richtet sich ausdrücklich gegen den Zulassungsbesitzer. Gemäß § 45 KFG handelt es sich aber im vorliegenden Fall um keine Zulassung im Sinne des KFG, sondern um die Bewilligung zur Durchführung einer Probefahrt. Fraglich ist nun, ob die Bestimmung des § 20 Abs 3 BStMG dahingehend extensiv ausgelegt werden darf, dass der Inhaber der Bewilligung für die Probefahrt hinsichtlich der Strafbarkeit dem Zulassungsbesitzer gleichgestellt werden darf.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hatte sich in seiner Entscheidung vom 21.06.2017, GZ: LVwG-S-1381/001-2016Text mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Bestimmung des § 20 Abs 3 BStMG dahingehend extensiv ausgelegt werden darf, dass der Inhaber der Bewilligung für die Überstellungsfahrt hinsichtlich der Strafbarkeit dem Zulassungsbesitzer gleichgestellt werden darf. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führt diesbezüglich aus wie folgt:
„Gemäß § 1 Abs. 1 VStG kann eine Tat nur bestraft werden, wenn sie vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war.
Nach Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG 2 § 1 (Stand 1.5.2017, rdb.at) legt § 1 Abs. 1 auch fest, dass die Bestrafung einer Tat nur insoweit zulässig ist, als ihre „Begehung mit Strafe bedroht“ war; es besteht also das Erfordernis einer – die Tatbegehung als solche erfassenden – einschlägigen Strafvorschrift. Auch wenn § 1 Abs. 1 VStG nicht davon spricht, dass die Tat „ausdrücklich“ mit Strafe bedroht sein muss, so ergibt sich dieses Erfordernis doch aus dem teleologischen Gesamtzusammenhang der Regelung (sog „Orientierungsfunktion der Strafgesetze“): Schon der Sprachkundige, nicht erst der Rechtskundige soll die Grenzen des strafrechtlich Verbotenen – und damit umgekehrt die Grenzen der bürgerlichen Freiheit – verlässlich bestimmen können (vgl schon VfSlg 3207/1957).
Genauso unzulässig ist jede sonstige (allenfalls methodisch nicht einmal als Analogie im technischen Sinn darstellbare) – den äußerst möglichen Wortsinn einer Strafnorm überschreitende – Auslegung zu Lasten des Täters (vgl zuletzt VwGH Ro 2015/02/0003 ZFR 2015/252; weiters VwGH 21.4.1997, 96/17/0488; 24.1.1997, 96/02/0479; 18.1.1991, 90/18/0236; 15.2.1967, 0666/66; auch VwGH 10.12.2013, 2013/05/0162.
Da § 20 Abs. 3 BStMG an den Zulassungsbesitzer gerichtet ist, eine Bewilligung für eine Überstellungsfahrt keine Zulassung im Sinne des KFG darstellt, konnte § 20 Abs. 3 BStMG nicht als Strafbestimmung herangezogen werden. Dies wäre eine extensive Auslegung, die über den Wortsinn hinausgeht. Daran ändert auch die grundsätzliche Verpflichtung zur Zahlung einer fahrleistungsabhängigen Maut nichts, da diese Verpflichtung nicht durch eine entsprechende Strafbestimmung sanktioniert ist.“
Nach Ansicht der erkennenden Richterin lässt sich diese Rechtsansicht uneingeschränkt auch auf den hier vorliegenden Fall des Inhabers der Bewilligung einer Probefahrt bzw. eines Probefahrtkennzeichens übertragen. Auch eine Probefahrt stellt keine Zulassung im Sinne des KFG dar und kann § 20 Abs 3 BStMG auch im gegenständlichen Fall nicht als Strafbestimmung herangezogen werden, da dies eine extensive, über den Wortsinn hinausgehende, Auslegung darstellen würde.
Für diese Rechtsansicht spricht im Übrigen auch der Umstand, dass in § 103 Abs 2 KFG explizit erwähnt ist, dass der Zulassungsbesitzer – im Falle von Probe- oder Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung – die Lenkerauskunft zu erteilen hat. Eine Erwähnung der Bewilligungsinhaber von Probe- oder Überstellungsfahrten wäre entbehrlich, wenn diese vom kraftfahrrechtlichen Begriff des „Zulassungsbesitzers“ ohnehin umfasst wären. Der Verwaltungsgerichtshof judiziert hiezu in ständiger Rechtsprechung, dass die Pflichten des Zulassungsbesitzers gemäß § 103 KFG nicht bei Probefahrten mit nicht zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeugen gelten.
Wesentliches Tatbestandsmerkmal bei Übertretungen des KFG (und analog wohl auch des BStMG) ist, ob der Täter als Zulassungsbesitzer oder Lenker zur Verantwortung gezogen wird (VwGH vom 03.04.1985, 84/03/0208).
„Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in ständiger Judikatur, dass bei Übertretungen des § 103 Abs. 1 KFG in Strafbescheiden stets das Tatbestandsmerkmal ‚als Zulassungsbesitzer‘ anzuführen ist. In dieser Funktion muss der Beschuldigte bereits innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist bezeichnet werden. In Analogie ist deshalb auch zu fordern, dass der Inhaber einer Bewilligung zur Durchführung von Probefahrten im Sinne des § 45 Abs 1 KFG bei einschlägigen Übertretungen innerhalb der Frist des § 31 Abs. 2 VStG als solcher verfolgt und schließlich auch im Strafbescheid so benannt wird.“ (UVS Kärnten vom 06.09.2011, KUVS-1467/5/2011)
Auch hat der UVS Steiermark am 07.05.2007, 30.16-34/2007 bereits entschieden, dass ein Probefahrtschein einem Zulassungsschein nicht gleichgesetzt werden kann.
Ebenfalls hat der UVS Steiermark am 03.07.2006, 30.18-101/2005, entschieden, dass eine Bewilligung zur Durchführung von Probefahrten nach § 45 Abs 1 KFG mit einer Zulassung nicht gleichzusetzen ist und daher den Besitzer einer Bewilligung zur Durchführung von Probefahrten, der nicht auch Zulassungsbesitzer jenes Fahrzeuges ist, an dem die Änderungen nach § 33 Abs 1 KFG vorgenommen wurde, keine Anzeigepflicht nach § 33 Abs 1 KFG trifft.
Ob in der Mautordnung geregelt ist, dass sämtliche Nachweise bei Probe- und Überstellungsfahrten durch den näher definierten „Übersteller“ zu übermitteln sind, kann dahingestellt bleiben, da in jedem Fall keine ordnungsgemäße Tatanlastung als Besitzer einer Bewilligung zur Durchführung von Probefahrten erfolgte.
Da der Beschwerdeführer sohin nicht Zulassungsbesitzer des verfahrensgegenständlichen Fahrzeuges ist, bzw. keine ordnungsgemäße Tatanlastung erfolgte hat der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen und war das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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