BVergG 2018 §20 Abs1
BVergG 2018 §78 Abs1 Z2
BVergG 2018 §79 Z1
BVergG 2018 §84 Abs2
BVergG 2018 §141 Abs1 Z7
BVergG 2018 §143
LVergRG Krnt 2018 §6
LVergRG Krnt 2018 §14 Abs1
LVergRG Krnt 2018 §19 Abs1
62012CJ0100 Fastweb VORAB
62013CJ0689 PFE VORAB
European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGKA:2021:KLVwG.S1.847.13.2021
Das Landesverwaltungsgericht Kärnten, Senat xxx, hat durch den Vorsitzenden xxx, den Berichterstatter xxx und xxx als weiteres Senatsmitglied über den Nachprüfungsantrag der xxx, xxx, xxx, vertreten durch xxx, xxx, xxx, betreffend das von der xxx (im Nachprüfungsverfahren vertreten durch xxx, xxx, xxx) durchgeführte Vergabeverfahren hinsichtlich des Bauauftrages „xxx“ (mitbeteiligte Partei: xxx, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. xxx, xxx, xxx), nach am 31. Mai 2021 durchgeführter öffentlicher mündlicher Verhandlung, gemäß § 6 Kärntner Vergaberechtsschutzgesetz 2018 – K-VergRG 2018, LGBl. Nr. 84/2018, wie folgt zu Recht erkannt:
I. Dem Nachprüfungsantrag vom 06. Mai 2021 wird
F o l g e g e g e b e n
und die Zuschlagsentscheidung der xxx vom 28. April 2021 zugunsten der xxx betreffend den Bauauftrag „xxx“ wird für
n i c h t i g e r k l ä r t.
II. Der Antragstellerin wird die zu viel eingezahlte Pauschalgebühr in der Höhe von Euro 10,-- rücküberwiesen.
III. Die Antragsgegnerin (xxx) hat der Antragstellerin die von dieser entrichteten Pauschalgebühr für den Nachprüfungsantrag in der Höhe von Euro 3.241,-- binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
IV. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG
n i c h t z u l ä s s i g.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1.1. Am 06. Mai 2021 ist beim Landesverwaltungsgericht Kärnten ein Antrag der xxx (im Folgenden: Antragstellerin) betreffend den von der xxx (im Folgenden: Antragsgegnerin) ausgeschriebenen Bauauftrag „xxx“ eingelangt und wird im gegenständlichen Nachprüfungsantrag die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 28. April 2021 zugunsten der xxx (im Folgenden: mitbeteiligte Partei) begehrt.
Nach der Sachverhaltsschilderung wird im Nachprüfungsantrag zur inhaltlichen Begründung im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
„[…]
7. Über das Vermögen der präsumtiven Zuschlagsempfängerin, der xxx ist mit Beschluss vom xxx des LG xxx (xxx) ein Insolvenzverfahren eröffnet worden, welches mit einem Sanierungsplan beendet worden ist. Das Ende der Zahlungsfrist ist für den 20.03.2021 festgelegt worden.
Zum Zeitpunkt der Angebotseröffnung am 25.01.2021 ist das Rating des KSV 1870 aufgrund der noch offenen Erfüllung des Sanierungsplans ausgesetzt gewesen. Dies bedeutet, dass kein Rating durchgeführt worden ist. Aktuell (Stand 19.04.2021) weist die präsumtive Zuschlagsempfängerin ein Rating des KSV 1870 von 425 auf. Soweit die Antragsgegnerin darauf verweist, dass das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin durch einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer aus xxx zum Stichtag der Angebotsabgabe nochmals geprüft worden sei, ist dem entgegenzuhalten, dass es sich bei einem Wirtschaftsprüfer um keine dem KSV 1870 vergleichbare Ratingagentur handelt. Die Antragsgegnerin hat daher das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin entgegen der bestandfesten Festlegung in ihrer Ausschreibung zu Unrecht für den Zuschlag vorgesehen und wäre verpflichtet gewesen, deren Angebot gemäß § 141 Abs 1 Z 2 BVergG 2018 auszuscheiden.
Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass bei pflichtgemäßer Ausscheidung des Angebotes der präsumtiven Zuschlagsempfängerin die Antragstellerin das beste Angebot gelegt hat und entgegen der Darstellung der Antragsgegnerin nicht an dritter Stelle, sondern an zweiter (richtig: an erster) Stelle zu reihen gewesen wäre. Dem an zweiter Stelle gereihten Bieter sind hinsichtlich des Kriteriums Ökologie zu Unrecht drei Punkte zuerkannt worden. Richtigerweise wäre diesem hinsichtlich dieses Kriteriums nur ein Punkt zuzuweisen gewesen.
8. Die Entscheidung der Antragsgegnerin, dass dem Angebot des Bieters xxx der Zuschlag erteilt werden soll, ist aus den genannten Gründen rechtswidrig.“
1.2. Der gegenständliche Nachprüfungsantrag war auch mit einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verbunden, welchem mit Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom 11. Mai 2021, Zahl: xxx, Folge gegeben wurde und der Antragsgegnerin die Erteilung des Zuschlages für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagt wurde.
1.3. Die Antragsgegnerin hat die Vergabeunterlagen vorgelegt und mit Schriftsatz vom 28. Mai 2021 auf den Nachprüfungsantrag repliziert.
Zunächst wird die mangelnde Beschwer der Antragstellerin eingewendet, da das Angebot der Antragstellerin zu Recht an die dritte Stelle gereiht wurde, sodass die Antragstellerin auch bei Vorliegen der behaupteten Rechtswidrigkeit „evidenter und nachgewiesener Maßen“ keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlags hätte.
Weiters wird in der Stellungnahme ausgeführt, dass beim Angebot der mitbeteiligten Partei schwerpunktmäßig die Eignung geprüft wurde. Da das Insolvenzverfahren bereits mit Beschluss vom xxx aufgehoben wurde, liegt der Ausschlussgrund nach § 78 Abs. 1 Z 2 BVergG nicht vor. Hinsichtlich der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit hat die mitbeteiligte Partei Unterlagen vorgelegt, die belegen, dass die entsprechende Leistungsfähigkeit gegeben ist. In rechtlicher Hinsicht wurde auf folgende Judikatur des VwGH Bezug genommen:
„Doch selbst wenn in den Ausschreibungsunterlagen zwingend (bzw. ausschließlich) die Vorlage einer KSV-Auskunft mit dem Rating < 400 gefordert worden wäre, wie dies die Nachprüfungswerberin offenbar vermeint, wäre für die Nachprüfungswerberin nichts gewonnen. § 84 Abs. 2 BVergG eröffnet nämlich einem Unternehmer dann, wenn er aus einem berechtigten Grund die vom öffentlichen Auftraggeber geforderte Nachweise nicht beibringen kann, die Möglichkeit den Nachweise der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit durch Vorlage jedes anderen vom öffentlichen Auftraggeber für geeignet erachteten Nachweises zu erbringen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem Fall, in welchem eine KSV-Auskunft mit einem geforderten Rating vorzulegen war, der Bieter jedoch dieses Rating aufgrund des Umstandes, dass er aufgrund der vorherigen Insolvenz mit 0 geratet war, nicht erbringen konnte, ausgeführt, dass in diesem Fall ein berechtigter Grund im Sinne des § 74 Abs. 2 BVergG 2006 (entspricht § 84 Abs. 2 BVergG 2018) zur Vorlage anderer geeigneter Nachweise vorliegt und der Bieter daher mit dem anderen Nachweis seine finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nachweisen kann, sofern mit diesem Nachweis das geforderte Eignungsniveau bescheinigt wird (VwGH 17.09.2014, 2013/04/056; VwGH 04.07.2016, Ra 2015/04/0085).
Die Stellungnahme der xxx vom 21.04.2021 erfüllt jedenfalls diese Vorgaben an einem alternativen Nachweis und wird darin ausdrücklich die Bonität auf den in der Ausschreibungsunterlage geforderten Eignungsniveau, also vergleichbar mit einem KSV-Rating < 400 bestätigt.“
1.4. Die mitbeteiligte Partei hat mit Schriftsatz vom 20. Mai 2021 rechtzeitig Einwendungen erhoben.
Von der mitbeteiligten Partei wird vorgebracht, dass es der Antragstellerin an der Beschwerdelegitimation fehle, da ihr Angebot lediglich an die dritte Stelle gereiht worden ist.
Weiters wird auch den Ausführungen im Nachprüfungsantrag entgegnet und Folgendes ausgeführt:
„[…]
2.2. Entgegen der Ausführungen der Antragstellerin liegt tatsächlich die von ihr behauptete Rechtswidrigkeit nicht vor.
Die Antragstellerin übersieht im Rahmen ihrer Ausführungen, dass im Sinne der Ausschreibung, die Antragsgegnerin dazu berechtigt war, ihre finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit durch eine aktuelle Bonitätsauskunft des Kreditschutzverbandes 1870 (nicht älter als 30 Tage) oder einer gleichwertigen Einrichtung nachzuweisen.
Diesbezüglich geht die Antragstellerin irrtümlich davon aus, dass es betreffend dieses Nachweises zwingend um einen Nachweis mit einer dem KSV 1870 vergleichbaren Rating-Agentur handeln muss.
Dies ist unrichtig. Aus dem Wortlaut der AusschreibungsunterIagen ergibt sich, dass dieser Nachweis auch durch eine dem Kreditschutzverband 1870 gleichwertige Einrichtung erbracht werden kann. Keinesfalls ist darauf abzustellen, wonach ein derartiger Nachweis nur durch eine mit dem KSV 1870 vergleichbare „Rating-Agentur" erfolgen könne. Dies würde dem Wortlaut der Ausschreibung widersprechen.
Jedenfalls hat die Antragsgegnerin die Bestätigung über die wirtschaftliche Zuverlässigkeit zum 25.1.2021 der xxx zur Vorlage gebracht. Hiezu ist weiters zu erwähnen, dass es sich hiebei im Vergleich zum Rating des KSV, sowie der dortigen Prüfmöglichkeiten, um eine umfassendere bzw. aussagekräftigere Überprüfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Antragsgegnerin handelt. Seitens des KSV 1870 können lediglich die veröffentlichen Jahresabschlüsse sowie vorliegende Marktinformationen über das Zahlungsverhalten einer Prüfung unterzogen werden. Weitergehende Informationen stehen dem KSV 1870, hinsichtlich einer Bonitätseinstufung, nicht zur Verfügung.“
1.5. In dieser Angelegenheit fand am 31. Mai 2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung statt; aufgrund der umfangreichen Beweisaufnahme und der Komplexität der gegenständlichen Angelegenheit konnte von einer mündlichen Verkündung nach Schluss der Verhandlung abgesehen werden.
2. Das Landesverwaltungsgericht hat über den Nachprüfungsantrag wie folgt erwogen:
Feststellungen und Beweiswürdigung
Die Antragsgegnerin (xxx) hat den Bauauftrag der Baustufe xxx „xxx“ in einem offenen Verfahren im Oberschwellenbereich ausgeschrieben; im Leistungsverzeichnis ist im Punkt „xxx“ Folgendes festgehalten:
„KSV-Rating
Zum Nachweis der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist ergänzend zumindest Folgendes nachzuweisen:
Die aktuelle Bonität mit einem Rating des Kreditschutzverbandes von 1870 mit einem Wert von <400 bzw. Vorlage eines vergleichbaren Ratings einer vergleichbaren Ratingagentur.
Dieser Nachweis ist durch Beilage folgender Unterlagen zu führen:
Aktuelle Bonitätsauskunft des Kreditschutzverbandes von 1870 (nicht älter als 30 Tage) oder einer gleichwertigen Einrichtung.“
Die Angebotsfrist endete am 25. Jänner 2021 um 12:00 Uhr. Sowohl die Antragstellerin als auch die mitbeteiligte Partei haben fristgerecht ein Angebot eingereicht. Nach der Angebotsöffnung wurde von der Antragsgegnerin eine Prüfung der Angebote vorgenommen.
Im Zuge der Angebotsprüfung wurde die mitbeteiligte Partei (xxx) ersucht, den Nachweis über das KSV-Rating vorzulegen (Schreiben vom 22. Februar 2021). Mit Schreiben vom 26. Februar 2021 wurde der Antragsgegnerin mitgeteilt, dass ein Großteil der dritten Sanierungsplanquote bereits im Februar 2021 bezahlt wurde und der Rest auch termingerecht ausgeglichen wird, sodass der Sanierungsgewinn per Jahresabschluss 28. Februar 2021 zur Gänze dargestellt werden kann; weiters wird in diesem Schreiben ausgeführt, dass nach Abschluss der Sanierung die mitbeteiligte Partei vom KSV wieder ein entsprechendes Rating erhalten wird und dieses dann auch nachgereicht wird.
Am 18. März 2021 hat die Antragsgegnerin „unter Beachtung des aktuell laufenden oder abgelaufenen Konkursverfahrens“ weitere Nachweise zur Bewertung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von der mitbeteiligten Partei angefordert; unter anderem eine Bestätigung des Masseverwalters, dass alle Zahlungen im Zusammenhang mit dem Konkursverfahren durch die Firma beglichen wurden bzw. idealerweise eine Bestätigung durch den Masseverwalter, dass die mitbeteiligte Partei im Sinne des BVergG 2018 nach Abschluss des Konkursverfahrens wieder als wirtschaftlich leistungsfähig eingestuft werden kann. Auf diese Anfrage teilte die mitbeteiligte Partei mit Schreiben vom 18. März 2021 mit, dass mit der Bestätigung des Sanierungsplanes zum 11. April 2019 die Sanierung vom Insolvenzverwalter bereits rechtsgültig bestätigt und abgeschlossen wurde; weiters seien die Sanierungsplanquoten der Gläubiger vollständig beglichen worden.
Nach rechtlicher Abklärung wurde die mitbeteiligte Partei am 2. April 2021 von der Antragsgegnerin aufgefordert, weitere Unterlagen für die finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aufgrund des aktuell noch fehlenden KSV-Ratings zu erbringen; unter anderem einen Nachweis eines unabhängigen einschlägig berufsbefugten Wirtschaftsprüfers oder Wirtschaftstreuhänders auf Grundlage der aktuellen Finanz- und Bilanzdaten, aus der sich ergibt, dass die finanzielle und wirtschaftliche Situation der mitbeteiligten Partei zum Stichtag der Angebotsöffnung zumindest ein vergleichbares KSV-Rating <400 aufgewiesen hat.
Bezugnehmend auf diese Anfrage hat die mitbeteiligte Partei einen mit 15. April 2021 datierten Schriftsatz der „xxx“, xxx, xxx (Wirtschaftsprüfer Mag. xxx) vorgelegt.
Nach Prüfung der Stellungnahme der „xxx“ hat die Antragsgegnerin eine weitere Bestätigung nachgefordert, da in dieser Stellungnahme zur Aussage, dass die mitbeteiligte Partei ein vergleichbares Rating gemäß KSV <400 aufweist, gefehlt hat; „diese Bestätigung ist Bestandteil der Ausschreibungsunterlagen und damit gemäß vergleichbarer Rechtsprechung fix nachzuweisen“. Von der „xxx“ wurde eine mit 21. April 2021 datierte überarbeitete Stellungnahme erstattet und im Punkt 3 bestätigt, „dass die finanzielle und wirtschaftliche Situation der Firma xxx am 25. Jänner 2021, Tag der Angebotsöffnung „xxx, zumindest ein vergleichbares KSV-Rating <400 aufgewiesen hat“; weiters ist in diesem Schreiben festgehalten, dass die Geschäftsführung der mitbeteiligten Partei am 6. April 2021 die „xxx“ ersucht hat, sie beim Nachweis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit hinsichtlich des gegenständlichen Auftrages „zu unterstützen“.
Dem Nachprüfungsantrag war ein Ausdruck aus dem KSV1870 beigelegt, nach welchem die mitbeteiligte Partei zum 19. April 2021 ein KSV Rating von 425 aufweist.
Die am 25. April 2021 ergangene Zuschlagsentscheidung wurde zurückgezogen.
Mittels E-Mail vom 28. April 2021, welches der Antragstellerin am selben Tag zugegangen ist, hat die Antragsgegnerin über die Vergabeplattform des ANKÖ mitgeteilt, dass der Zuschlag im gegenständlichen Vergabeverfahren aufgrund des rechtlich intensiv geführten und begleiteten Ergebnisses der Angebotsprüfung und der Bewertung der Angebote anhand der Zuschlagskriterien voraussichtlich an die mitbeteiligte Partei erfolgen wird (Mitteilung der Zuschlagsentscheidung nach § 143 BVergG 2018). Gleichzeitig wurde im Schreiben festgehalten, dass das Angebot der Antragstellerin an die 3. Stelle gereiht wurde.
Gegen diese Zuschlagsentscheidung wendet sich mit der oben wiedergegebenen Begründung der vorliegende Nachprüfungsantrag.
Die präsumtive Zuschlagsempfängerin hat mit Schriftsatz vom 20. Mai 2021 rechtzeitig Einwendungen erhoben.
Diese Feststellungen stützen sich auf den Inhalt des vorgelegten Vergabeaktes und auf das Vorbringen der Parteien in den Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung; der dargelegte Sachverhalt wird auch von den Parteien nicht bestritten.
Rechtliche Beurteilung
Dass es sich bei der xxx – wie im Nachprüfungsantrag ausführlich dargelegt wurde - um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des BVergG 2018 handelt, wird von den Parteien nicht bestritten; auch sind im Nachprüfungsverfahren keine Umstände hervorgekommen, um an der Eigenschaft der Antragsgegnerin als öffentliche Auftraggeberin zu zweifeln.
Weiters ist festzuhalten, dass es sich bei der Zuschlagsentscheidung um eine gesondert anfechtbare Entscheidung handelt (§ 2 Z 15 lit a sublit aa BVergG 2018)
Zur Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages:
Zum Vorbringen der Antragsgegnerin und der mitbeteiligten Partei, dass es der Antragstellerin an der Antragslegitimation fehle, ist folgendes auszuführen:
Die Antragstellerin hat ein Angebot gelegt und wurde ihr Angebot von der Antragsgegnerin an die dritte Stelle gereiht; daraus folgt, dass ein zuschlagsfähiges Angebot vorliegt.
Nach § 14 Abs. 1 K-VergRG 2018 ist die Antragslegitimation eines Unternehmers dann gegeben, wenn er ein Interesse am Vertragsabschluss behauptet und ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.
Im Nachprüfungsverfahren hat die Antragstellerin dargelegt, dass sie ein Interesse am Vertragsabschluss hinsichtlich des gegenständlichen Auftrages hat; weiters wird von ihr vorgebracht, dass ihr bei Entgang des Auftrages ein Schaden (Erfüllungsinteresse, Referenzprojekt etc) droht.
Mit diesen Ausführungen wird von der Antragstellerin dargelegt, dass die Voraussetzungen nach § 14 Abs. 1 K-VergRG 2018 vorliegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein zuschlagsfähiges Angebot der Antragstellerin vorliegt, sodass die Möglichkeit besteht, dass die Antragstellerin den gegenständlichen Auftrag erhält. Die Reihung nach der präsumtiven Zuschlagsempfängerin ist bei der Prüfung der Voraussetzungen nach § 14 Abs. 1 K-VergRG 2018 insofern irrelevant, als von der Nachprüfungsinstanz kein Auftrag vergeben wird, sondern lediglich die von der Antragsgegnerin erlassene Zuschlagsentscheidung überprüft wird; im Falle einer Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung hat der öffentliche Auftraggeber dann die weiteren Schritte unter Berücksichtigung der Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes zu setzen. So ist es auch nicht Aufgabe des Landesverwaltungsgerichtes, die gesamte Reihung der Angebote zu überprüfen, sondern lediglich die erlassene Zuschlagsentscheidung.
Daher ist nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes im vorliegenden Fall die Antragslegitimation gegeben; die von der Antragsgegnerin zitierte Judikatur des VwGH ist durch die Rechtsentwicklung, insbesondere die Rechtsprechung des EuGH in den Rs C-100/12 , Fastweb, und C-689/13 , PFE, überholt und nicht mehr aktuell.
Da auch die übrigen im K-VergRG 2018 normierten Voraussetzungen (zB. Bezahlung der Pauschalgebühr, Einhaltung der Antragsfrist etc) erfüllt sind, ist der gegenständliche Antrag zulässig.
Zum Vorbringen im Nachprüfungsantrag:
Von der Antragstellerin wird in der Begründung des Nachprüfungsantrages vorgebracht, dass das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin auszuscheiden gewesen wäre, da zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung das Rating aufgrund der noch offenen Erfüllung des Sanierungsplanes ausgesetzt gewesen ist, sodass das in der Ausschreibung geforderte KSV-Rating <400 nicht erfüllt wurde.
Unbestritten ist, dass die Ausschreibung nicht angefochten wurde, sodass die in der Ausschreibung festgelegten Regelungen im Sinne der Judikatur des VwGH (vgl. VwGH 4.7.2016, Ra 2015/04/0085) bestandsfest geworden sind, sodass der Auftraggeber an diese Festlegungen gebunden ist und hinsichtlich aller Bieter den gleichen Maßstab zugrunde zu legen hat.
Daher haben die Bieter aufgrund der verfahrensgegenständlichen Ausschreibung zum Nachweis der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ein entsprechendes „KSV-Rating <400“ verpflichtend nachzuweisen (Vorlage einer aktuellen Bonitätsauskunft des Kreditschutzverbandes von 1870 (nicht älter als 30 Tage) oder einer gleichwertigen Einrichtung).
Gemäß § 79 Z 1 BVergG 2018 muss im offenen Verfahren die Eignung spätestens im Zeitpunkt der Angebotsöffnung vorliegen.
Nach der Judikatur des VwGH (vgl. VwGH 17.9.2014, 2013/04/0056) ist es grundsätzlich zulässig, dass der Auftraggeber Unternehmer auffordert, nachträglich erforderliche Nachweise vorzulegen bzw vorgelegte Bescheinigungen zu ergänzen. Es ist in solchen Fällen aber zu unterscheiden, ob im maßgeblichen Zeitpunkt die Leistungsfähigkeit als solche gefehlt hat und somit ein unbehebbarer Mangel vorlag oder ob es bloß am Nachweis der bestehenden Leistungsfähigkeit gemangelt hat und somit nur ein behebbarer Mangel vorlag. Im Falle des Nachreichens von Unterlagen ist daher zu prüfen, ob der Aussagewert dieser Unterlage darin besteht, dass der betreffende Bieter schon zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung die erforderliche wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit besessen hat und sie nunmehr bescheinigt.
Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass von der mitbeteiligten Partei das in der Ausschreibung geforderte „KSV-Rating“ zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung gefehlt hat. Im vorliegenden Fall hat die mitbeteiligte Partei dem Angebot überhaupt keinen Nachweis eines entsprechenden „KSV-Rating“ bzw. eine alternative Bescheinigung beigelegt (Ende der Angebotsfrist 25. Jänner 2021). Aufgrund einer Aufforderung der Antragsgegnerin vom 22. Februar 2021 hat die mitbeteiligte Partei selbst eingestanden, dass erst nach Zahlung der dritten Sanierungsplanquote im März 2021 sie wieder ein Rating vom KSV erhalte, sodass dies dann nachgereicht wird. Daher liegt iSd zuvor zitierten Judikatur des VwGH ein unbehebbarer Mangel vor.
An diesem Ergebnis ändert auch nichts der mit 15. April 2021 datierte Schriftsatz der „xxx“ (überarbeitete Fassung ist mit 21. April 2021 datiert), der von der mitbeteiligten Partei nach einer entsprechenden Aufforderung durch die Antragsgegnerin eingebracht wurde. Der VwGH hat in seiner Judikatur zum Ausdruck gebracht, dass erst nach Ablauf der Angebotsfrist ausgestellte Nachweise nicht ausreichend sind, um die notwendige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung zu belegen (vgl. VwGH 11.11.2009, 2009/04/0203); so hat der VwGH in der Entscheidung vom 24.02.2010, 2005/04/0253, auch eine nach Angebotsöffnung datierte Bankerklärung nicht akzeptiert, um die finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung nachzuweisen. Die Schriftsätze der „xxx“ vom April 2021 wurden erst (deutlich) nach dem Ende der Angebotsfrist (25. Jänner 2021) erstellt; dazu ist noch anzumerken, dass die „xxx“ erst am 6. April 2021 den Auftrag von der mitbeteiligten Partei erhalten hat, sie beim Nachweis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit „zu unterstützen“. Daher sind iSd oben zitierten Judikatur des VwGH diese Schriftsätze unbeachtlich.
Bei der gegenständlichen Sachverhaltskonstellation kommt auch eine Anwendung des § 84 Abs. 2 BVergG 2018 nicht in Betracht, da dem Angebot überhaupt keine Nachweise betreffend des geforderten KSV Ratings angeschlossen waren; die nach der Angebotsöffnung erstellen Schriftsätze der „xxx“ sind – wie zuvor dargelegt – für die gegenständliche Angebotsprüfung nicht zu berücksichtigen. Das Akzeptieren von nachträglich erstellten Dokumenten würde auch einen Verstoß gegen das Gebot der Gleichbehandlung aller Bieter gemäß § 20 Abs. 1 BVergG 2018 darstellen, da diesem Bieter ein Wettbewerbsvorteil eingeräumt werden würde, indem er nach Ablauf der Angebotsfrist noch Nachweise generieren darf.
Aufgrund dieser Erwägungen wäre das Angebot der mitbeteiligten Partei aufgrund eines nicht behebbaren Mangels gemäß § 141 Abs. 1 Z 7 BVergG 2018 auszuscheiden gewesen, sodass die vorliegende gesondert anfechtbare Zuschlagsentscheidung mit einer Rechtswidrigkeit behaftet ist.
Gemäß § 19 Abs. 1 K-VergRG 2018 hat das Landesverwaltungsgericht eine im Zuge eines Vergabeverfahrens ergangenen, gesondert anfechtbare Entscheidung eines Auftraggebers mit Erkenntnis für nichtig zu erklären, wenn
a) sie oder eine ihr vorangegangene nicht gesondert anfechtbare Entscheidung den Antragsteller in dem von ihm geltend gemachten Recht verletzt und
b) die Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist.
Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin geltend gemacht, dass sie insofern in ihren Rechten sich verletzt erachte, als beabsichtigt ist, einem Unternehmen, das vom gegenständlichen Verfahren auszuschließen gewesen wäre, den Zuschlag zu erteilen. Wie oben dargelegt, hat das durchgeführte Beweisverfahren ergeben, dass ein vergaberechtlicher Verstoß vorliege, da das Angebot der präsumtiven Zuschlags-empfängerin auszuscheiden gewesen wäre. Somit ist dieser Umstand auch für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss.
Daher liegen die Voraussetzungen für die Nichtigerklärung iSd § 19 Abs. 1 K‑VergRG vor.
Kostenersatz:
Da die Antragstellerin mit ihrem Antragsvorbringen durchgedrungen ist, ist sie als obsiegende Partei anzusehen. Daraus folgt, dass der Antragstellerin gemäß § 12 Abs. 1 K-VergRG 2018 der Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren für den Nachprüfungsantrag durch den Antragsgegner zuzusprechen war; hinsichtlich des Ersatzes der entrichteten Pauschalgebühr für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ergeht noch eine gesonderte Entscheidung.
Die von der Antragstellerin zu viel einbezahlte Pauschalgebühr in der Höhe von € 10,-- wird rücküberwiesen.
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. In der Entscheidung wird die maßgebliche Judikatur zitiert.
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