BVwG W153 2016336-1

BVwGW153 2016336-127.2.2015

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61
AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:W153.2016336.1.00

 

Spruch:

W153 2016338-1/6E

W153 2016336-1/5E

W153 2016342-1/5E

W153 2016341-1/5E

W153 2016343-1/5E

W153 2016340-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christoph KOROSEC als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX, 2.) XXXX, 3.) XXXX, gesetzlich vertreten durch XXXX, 4.) XXXX, gesetzlich vertreten durch XXXX, 5.) XXXX, gesetzlich vertreten durch XXXX, 6.) XXXX, gesetzlich vertreten durch XXXX, alle StA. von Afghanistan, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.12.2014, Zlen 1.) 1030684200-14937649, 2.) 1030683900-14937657, 3.) 1030684505-14937738, 4.) 1030685110-14937746, 5.) 1030686009-14937762, 6.) 1030685709-14937754, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden gemäß § 5 AsylG 2005 als unbegründet

abgewiesen.

Gemäß § 21 Abs. 5 Satz 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, idF BGBl. I Nr. 144/2013, (BFA-VG) wird festgestellt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide rechtmäßig war.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Erstbeschwerdeführer ist der Ehegatte der Zweitbeschwerdeführerin. Die Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer sind deren Kinder. Am 03.09.2014 brachten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin für sich und als gesetzliche Vertreterin für ihre Kinder jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

Eine EURODAC-Abfrage ergab einen Treffer der Kategorie 1 mit Bulgarien, wonach die Beschwerdeführer dort im August 2014 Anträge auf internationalen Schutz gestellt haben.

1.2. Am 03.09.2014 wurde der Erstbeschwerdeführer erstbefragt, wobei er im Wesentlichen angab, vor ungefähr 3 1/2 Jahren schlepperunterstützt in den Iran gebracht worden zu sein, wo seine Familie bereits auf ihn gewartet habe. Vor ungefähr sechs Monaten sei er gemeinsam mit seiner Familie schlepperunterstützt in die Türkei gebracht worden. Sie seien vier Mal bei dem Versuch über die bulgarische Grenze zu gelangen sofort wieder in die Türkei zurückgeschickt worden. Beim 5. Versuch habe sie die bulgarische Polizei erneut aufgegriffen und man habe ihnen die Fingerabdrücke abgenommen. Die Beschwerdeführer hätten gezwungenermaßen einen Asylantrag gestellt, seien dazu kurz einvernommen worden und hätten eine grüne Karte erhalten. Sie hätten einige Tage in einem Lager verbracht und seien sodann schlepperunterstützt über Serbien und eine dem Erstbeschwerdeführer weiters unbekannte Reiseroute nach Österreich gekommen. Österreich sei ihr Zielland gewesen, weshalb sie auch nicht nach Bulgarien zurückkehren wollen. Es sei dort sehr schwer. Die Bulgaren seien selbst arm. Hinsichtlich seines Gesundheitszustandes gab der Erstbeschwerdeführer an, schon ein wenig schwerhörig zu sein, aber der Einvernahme ohne Probleme folgen zu können.

Im Rahmen der Einvernahme am 28.10.2014 gab der Erstbeschwerdeführer über Nachfrage an, seit einer gewissen Zeit Ohrenprobleme zu haben. In Österreich sei er bereits fachärztlich untersucht worden, jedoch habe man ihm mitgeteilt, dass zuerst sein Aufenthaltsstatus geklärt werden müsse, bevor mit einer Behandlung begonnen werden könne. Abgesehen von seiner mitgereisten Familie habe er in Österreich niemanden. Er habe aber einen in Deutschland lebenden Neffen und einen Stiefbruder in der Schweiz. Letztgenannter sei wie ein Bruder für ihn. Was seinen Aufenthalt in Bulgarien betreffe, gab der Erstbeschwerdeführer zusammengefasst an, dass er eigentlich gar keinen Asylantrag habe stellen wollen und er eine Abnahme der Fingerabdrücke durch Schmiergeldzahlungen hätte abwenden können, jedoch gerade zu diesem Zeitpunkt kein Geld gehabt habe. Er wisse auch nicht, wie das dortige Asylverfahren ausgegangen sei. Als die Beschwerdeführer in Bulgarien angekommen seien, habe man zunächst ihr Geld und all ihre Unterlagen sichergestellt; nichts von dem hätten sie wieder zurückbekommen. Auch ihre Handys hätten sie ihnen weggenommen. Die Behörden seien korrupt; alles werde von der Mafia beherrscht. Auf den Straßen gebe es nur Drogendealer und Menschenschmuggler. Die Sicherheitslage sei kritisch. Der Erstbeschwerdeführer berichtete weiters über einen Vorfall, bei dem sein Sohn von der bulgarischen Polizei gewaltsam gestoßen und getreten worden und seither psychisch belastet sei. Dieser habe nun Angst vor uniformierten Leuten. Wegen der ihm zugefügten Verletzungen sei sein Sohn nunmehr auch in Behandlung in Österreich. Die Frau des Erstbeschwerdeführers sei beim Versuch, den gemeinsamen Sohn zu schützen, ebenfalls von der bulgarischen Polizei gestoßen worden, sodass sie zu Boden gefallen sei. Darüber hinaus habe es einen weiteren Vorfall mit dem Schlepper gegeben. Dieser hätte zu Unrecht zu viel Geld von den Beschwerdeführern verlangt, ihren 13-jährigen Sohn in Gewahrsam genommen und damit gedroht, ihn umzubringen oder zu verletzen. Sein Sohn habe deswegen Kopfschmerzen, Angst und Panik. Eine Anzeige habe nichts gebracht, da der Schlepper eine gute Beziehung zur bulgarischen Polizei gehabt habe. Dazu befragt, wann sich der Vorfall mit dem Schlepper und dem Sohn des Erstbeschwerdeführers ereignet habe, meinte Letztgenannter, dass dies fast zeitgleich mit dem anderen Vorfall, wo sein anderer Sohn und seine Frau geschlagen worden seien, von Statten gegangen sei. Der Vorfall der Misshandlung seines Sohnes und der Ehefrau sei "fast sofort nach der Ankunft in Bulgarien" gewesen, der Vorfall mit dem Schlepper sei "nur ein paar Tage später" erfolgt (AS 93 des Verwaltungsaktes des Erstbeschwerdeführers). Der Fahrer des anderen Schleppers, der die Beschwerdeführer dann letztendlich von Bulgarien über Serbien nach Österreich gebracht habe, sei selbst ein Polizist gewesen. Nicht nur, dass er eine Uniform angehabt habe, man habe ihm auch bei allen Checkpoints erlaubt, weiterzufahren. Das zeige, wie eng die Polizei mit Menschenschmugglern zusammenarbeite. Am Ende der Einvernahme gab der Erstbeschwerdeführer noch an, sich gemeinsam mit seiner Familie eine Woche in einem geschlossenen und anschließend 12 Tage in einem offenen Flüchtlingslager aufgehalten zu haben. Auf Anraten eines Dolmetschers hätten sie das Lager aber verlassen, um nicht inhaftiert zu werden.

Aus den in der Einvernahme vorgelegten ärztlichen Schreiben den Erstbeschwerdeführer betreffend ergeben sich folgende Diagnosen:

XXXX Hinsichtlich des minderjährigen Viertbeschwerdeführers wurden wiederum diese Diagnosen gestellt: XXXX

1.3. Die Zweitbeschwerdeführerin wurde ebenfalls am 03.09.2014 erstbefragt, wobei sie zu ihrer Reiseroute folgende Angaben machte:

Vor ungefähr 4 1/2 Jahren habe sie gemeinsam mit ihrer Familie das Heimatland verlassen und sei schlepperunterstützt von Afghanistan über den Iran, die Türkei, Bulgarien, Serbien und Ungarn nach Österreich gereist. Die Einreise in Bulgarien sei ihnen erst nach mehreren Versuchen gelungen, da sie von den bulgarischen Behörden immer wieder in die Türkei zurückgeschickt worden seien. Letztendlich hätten ihnen die bulgarischen Polizisten jedoch die Fingerabdrücke abgenommen; auch ihr Geld und ihre Dokumente hätten sie ihnen genommen. Davor hätten sie den Beschwerdeführern jedoch angeboten, ihre Fingerabdrücke gegen Bezahlung zu löschen. Nachdem die Beschwerdeführer dies abgelehnt hätten, seien sie für sieben Tage in Polizeihaft gekommen. Man habe sie auch zur Asylantragstellung gezwungen. Nach ihrer Haftentlassung seien sie in ein Flüchtlingslager gebracht worden, wo sie eine Woche lang aufhältig gewesen seien. Das Asylverfahren in Bulgarien hätten sie nicht abgewartet. Die Zweitbeschwerdeführerin wolle auch nicht dorthin zurück, da die Versorgung schlecht und die Umgangsweise unmenschlich gewesen sei. Die Beschwerdeführer seien von den Polizisten schlecht behandelt und bestohlen worden. Gesundheitliche Probleme schloss die Zweitbeschwerdeführerin aus. Für ihre Kinder würden dieselben Fluchtgründe wie für sie selbst gelten.

Am 28.10.2014 wurde die Zweitbeschwerdeführerin durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Sie gab zunächst an, gesund zu sein und keine Medikamente zu benötigen. Gleich anschließend meinte sie jedoch wiederum, dass eine Hälfte ihrer Körpers fast gelähmt sei seit sie in Bulgarien so brutal behandelt worden sei, dass sie zu Boden gefallen sei. In der linken Seite ihres Körpers habe sie fast kein Gefühl und könne auch die Finger ihrer linken Hand nicht bewegen. Sie mache sich aber mehr Sorgen um ihren 5-jährigen Sohn (den mj. Sechstbeschwerdeführer), der von der bulgarischen Polizei geschlagen worden sei. Auch die Zweitbeschwerdeführerin sei von Polizisten in den Bauchbereich geschlagen worden. Der Sechstbeschwerdeführer habe seither große Angst, wenn er uniformierte Personen sehe und beginne gleich zu weinen. Er habe schon mehrere Panik-Attacken gehabt und lebe ständig in Angst. Es sei ein psychisches Problem. In Behandlung sei er deshalb aber noch nicht gewesen. Ihre übrigen Kinder seien gesund und würden keine Medikamente benötigen. Über Vorhalt der geplanten Überstellung nach Bulgarien gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass sie und ihre Familie dort sehr schlecht behandelt worden seien und vor allem ihre Kinder unter Schock stehen würden. Die bulgarische Polizei habe ihnen sowohl ihr Geld als auch ihre Dokumente weggenommen. Die Beschwerdeführer hätten sich in Bulgarien nicht in Sicherheit gefühlt. Sie seien eine Woche in einem geschlossenen und anschließend zwei Wochen in einem offenen Lager gewesen, wo sie vergeblich ihre Unterlagen zurückverlangt hätten. Im Lager habe ihnen der Dolmetscher gesagt, dass sie alle inhaftiert und nach Afghanistan abgeschoben werden würden. Darüber hinaus habe der Schlepper den mj. Viertbeschwerdeführer als Geisel genommen, da er der Ansicht gewesen sei, dass ihm die Beschwerdeführer zu wenig Geld gegeben hätten. Da der Schlepper eine gute Beziehung zur Polizei gehabt habe, hätten die Beschwerdeführer nichts unternehmen können. Der mj. Viertbeschwerdeführer sei jetzt im Krankenhaus; er stehe unter Schock. In der Kindheit habe er hin und wieder starke Kopfschmerzen gehabt. Vor einer Woche sei er ungefähr fünf Tage in stationärer Behandlung gewesen; gestern sei er erneut aufgenommen worden. Dazu befragt, wann genau der Schlepper ihren Sohn bedroht habe, meinte die Zweitbeschwerdeführerin, dass dies in den letzten Tagen gewesen sei, als sie sich noch in Bulgarien befunden hätten.

Aus der von der Zweitbeschwerdeführerin vorgelegten Überweisung an die Neurologie ist zu entnehmen, dass sie wegen Cephalea (Kopfschmerzen) und Dysaesthesien (Empfindungsstörungen) untersucht werden solle. Die Probleme bestünden bereits seit sechs Monaten.

1.4. Der mj. Drittbeschwerdeführer wurde am 03.09.2014 einer Erstbefragung unterzogen, in der aussagte, von Afghanistan über den Iran, die Türkei, Bulgarien und Serbien nach Österreich gelangt zu sein. Er und seine Familie hätten in Bulgarien eine grüne Karte bekommen. Das Leben dort sei normal gewesen. Er wolle jedoch nicht zurück.

1.5. Am 01.10.2014 wurden Konsultationen betreffend alle Beschwerdeführer mit Bulgarien geführt und hat sich Bulgarien letztlich mit Schreiben vom 17.10.2014 für die Führung ihrer Verfahren bereit erklärt; dies unter Zugrundelegung des Art. 18 Abs. 1 lit. b der VO Nr. 604/2013 (infolge Dublin-III-VO). Zuvor wies das Bundesamt die bulgarischen Behörden auf das Verstreichen der Antwortfrist und die sich daraus ergebende Verpflichtung zur Wiederaufnahme der Beschwerdeführer gemäß Art. 25 Abs. 2 der Dublin III-VO hin.

1.6. Mit Bescheiden vom 15.12.2014 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Bulgarien für die Prüfung der Anträge gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b der III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen die Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Bulgarien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Die Feststellungen zur Lage in Bulgarien wurden im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (gekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):

Allgemeines zum Asylverfahren

Bulgarien war Ende 2013, insbesondere aufgrund der Situation in Syrien, mit einem großen Zustrom von Asylwerbern konfrontiert, die für das Land eine erhebliche Belastung darstellten. (VB 24.10.2013)

Es gab zu diesem Thema eine Reihe von Berichten, vor allem von Seiten des UNHCR, der im vorläufig letzten vom April 2014 zahlreiche Verbesserungen im bulgarischen Asylverfahren und bei den Unterbringungsbedingungen attestierte. (UNHCR 04.2014)

Es gab eine Reihe von Verbesserungen und Beschleunigungen in den Asylverfahren, vor allem bei Syrern, welche die größte Asylwerber-Gruppe in Bulgarien darstellen. Durch diese Konzentration auf Syrer sollen jedoch Nicht-Syrer benachteiligt sein und ihre Verfahren entsprechend länger dauern. (BMB 2014 vgl. AIDA 18.4.2014)

Zuständig für das Asylverfahren ist die Staatliche Agentur für Flüchtlinge beim Ministerrat (State Agency for Refugees with the Council of Ministers, SAR). (SAR o.D.)

SAR hat angesichts der Überlastung in der 2. Hälfte des Jahres 2013 160 neue Mitarbeiter angeworben. Seit 24. Jänner 2014 gibt es eine funktionierende COI-Unit. (EASO 02.2014, vgl. UNHCR 04.2014)

Jeder Asylwerber, mit Ausnahme unbegleiteter Minderjähriger, durchläuft zuerst das sogenannte beschleunigte Verfahren, im Rahmen dessen innerhalb einer Frist von drei Tagen entschieden wird, ob ein Asylantrag offensichtlich unbegründet (z. B. Fluchtgrund rein wirtschaftlicher Natur) ist, oder ob ein ordentliches Verfahren eingeleitet wird. (BT 9.9.2011)

Entzieht sich ein Asylwerber in irgendeiner Weise dem Verfahren, wird dieses ausgesetzt ("ausgesetztes Verfahren"). Innerhalb einer 3-monatigen Frist kann der betreffende AW eine Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen, wenn er eine akzeptable Erklärung für seine Absenz abgeben kann (z.B. Krankenbestätigung etc.). Sind die Erklärungen jedoch unglaubwürdig oder unwahr, wird das Verfahren nach Ablauf der 3 Monate beendet.

Von einem "abgesagten Verfahren" spricht man in zwei Fällen:

?) im beschleunigten Verfahren bei einem offensichtlich unbegründeten Antrag. Die Absage ist dann binnen 7 Tagen anfechtbar.

b) im allgemeinen Verfahren wird eine Absage erteilt, wenn der AW falsche Angaben macht. Die Absage ist dann binnen 14 Tagen anfechtbar. (VB 23.1.2014)

Beschwerdemöglichkeiten

Gegen negative Entscheidungen im ordentlichen inhaltlichen Asylverfahren ist binnen 14 Tagen inhaltliche Beschwerde vor dem regional zuständigen Verwaltungsgericht möglich. Gegen dessen Entscheidungen wiederum ist kassatorische Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof möglich. Beide Beschwerden haben aufschiebende Wirkung. Beschwerdeverfahren dauern in jeder der zwei Instanzen angeblich durchschnittlich 12 Monate. (AIDA 18.4.2014)

Kostenfreie Rechtshilfe

2013 wurde das nationale Gesetz über die Rechtshilfe geändert und verpflichtende staatlich finanzierte Rechtshilfe für AW in allen Phasen des Asylverfahrens eingeführt, wenn diese nicht bereits anderweitig gewährleistet ist. AW haben demnach ab Registrierung ihres Asylantrags das Recht die Bestellung eines Rechtsvertreters zu beantragen. Zuvor war staatliche Rechtshilfe nur in Beschwerdeverfahren vor einem Gericht verfügbar gewesen. In der Praxis hat die für staatliche Rechtshilfe zuständige Stelle (untersteht dem bulg. Justizministerium) keine Finanzmittel zur Verfügung, weswegen zusammen mit dem BHC ein EFF (Europäischer Flüchtlingsfonds)-Projekt eingereicht wurde. Die Rechtshilfe, die im Rahmen von EFF-Projekten gewährt wird, umfasst Rechtsberatung und -vertretung im erstinstanzlichen Verfahren bzw. bei Beschwerden und Übersetzungskosten. Solange Geldmittel zur Verfügung stehen, ist die Rechtshilfe für jeden AW wie oben geschildert im erstinstanzlichen Verfahren verfügbar. Das gilt auch für Folgeantragsteller. In Beschwerdeverfahren, wo auch zuvor bereits Rechtshilfe verfügbar war, geschieht die Finanzierung aus dem Staatshaushalt und wird immer gewährt, außer bei Folgeanträgen ohne neue Elemente. Es gibt lediglich Kritik an der Qualität der Rechtshilfe, die aber auch für Bulgaren nicht besser ist. (AIDA 18.4.2014)

Laut Auskunft der Staatlichen Flüchtlingsagentur erfolgt die verpflichtende staatlich finanzierte Rechtshilfe für Asylwerber in allen Phasen des Asylverfahrens nach dem EFF-Projekt und steht zur Verfügung (VB 29.8.2014b).

Es gibt auch NGOs, die Rechtshilfe anbieten, etwa das Bulgarian Helsinki Committee (BHC), das teilweise von UNHCR finanziert wird; die Legal Clinic for Refugees and Immigrants, das Center for Legal Aid-Voice in Bulgaria und die Foundation for Access to Rights (ECRE 7.2014).

Haft

Grundsätzlich ist die automatische Inhaftierung von Asylwerbern in Bulgarien verboten. Wer in der Haft einen Asylantrag stellt wird in der Regel entlassen. Im beschleunigten Verfahren ist die Inhaftierung des Antragstellers möglich. Rechtsmittel gegen eine Haftentscheidung ist generell binnen 14 Tagen möglich. Eine automatische richterliche Überprüfung der Haft ist nicht vorgesehen, dafür eine monatliche administrative Überprüfung. Haft von Personen unter 18 Jahren ist grundsätzlich verboten (EMN 2014).

Quellen:

AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and the Bulgarian Helsinki Committee (18.4.2014): National Country Report Bulgaria, http://www.asylumineurope.org/files/report-download/aidabulgariareport_secondupdate_final.pdf , Zugriff 5.12.2014

BMB - Border Monitoring Bulgaria (2014): Trapped in Europe's Quagmire. The Situation of Asylum Seekers and Refugees in Bulgaria, http://bulgaria.bordermonitoring.eu/files/2014/07/Hristova-et.al-Trapped-in-Europes-Quagmire.pdf , Zugriff 5.12.2014

BT - Deutscher Bundestag (9.9.2011): Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke - BT-Drucksache 17/6964, http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/069/1706964.pdf , Zugriff 5.12.2014

EASO - European Asylum Support Office (02.2014): EASO OPERATING PLAN TO BULGARIA. Stock taking report on the asylum situation in Bulgaria, https://zoek.officielebekendmakingen.nl/blg-298373.pdf , Zugriff 5.12.2014

ECRE - European Council on Refugees and Exiles (7.2014): Right to Justice: Quality Legal Assistance for Unaccompanied Children, http://ecre.org/component/downloads/downloads/907.html , Zugriff 5.12.2014

EMN - European Migration Network (2014): The use of detention and alternatives to detention in the context of immigration policies. Synthesis Report for the EMN Focussed Study 2014, http://www.emn.at/images/stories/2014/studien_2014/emn_study_detention_alternatives_to_detention_synthesis_report_en.pdf , Zugriff 5.12.2014

Eurostat (24.3.2014): Pressemitteilung 46/2014, http://epp.eurostat.ec.europa.eu/cache/ITY_PUBLIC/3-24032014-AP/EN/3-24032014-AP-EN.PDF , Zugriff 5.12.2014

Eurostat (8.7.2014): Data in focus 8/2014, http://epp.eurostat.ec.europa.eu/cache/ITY_OFFPUB/KS-QA-14-008/EN/KS-QA-14-008-EN.PDF , Zugriff 5.12.2014

Eurostat (3.10.2014): Data in focus 11/2014, http://epp.eurostat.ec.europa.eu/cache/ITY_OFFPUB/KS-QA-14-011/EN/KS-QA-14-011-EN.PDF , Zugriff 5.12.2014

SAR - State Agency for Refugees with the Council of Ministers (o.D.): About us, http://www.aref.government.bg/?cat=17 , Zugriff 5.12.2014

UNHCR (04.2014): Bulgaria as a country of asylum. UNHCR Observations on the Current Situation of Asylum in Bulgaria, http://www.refworld.org/cgi-bin/texis/vtx/rwmain?page=publisher&docid=534cd85b4&skip=0&publisher=UNHCR&querysi=bulgaria&searchin=title&sort=date , Zugriff 5.12.2014

VB des BM.I in Bulgarien (23.1.2014): Bericht des VB, per E-Mail

VB des BM.I in Bulgarien (24.10.2013): Bericht des VB, per E-Mail

VB des BM.I in Bulgarien (29.8.2014b): Bericht des VB, per E-Mail

Dublin-Rückkehrer

Bulgarien war Ende 2013, insbesondere aufgrund der Situation in Syrien, mit einem großen Zustrom von Asylwerbern konfrontiert, die für das Land eine erhebliche Belastung darstellten. (VB 24.10.2013)

Es gab zu diesem Thema eine Reihe von Berichten, vor allem von Seiten des UNHCR, in denen auch zu einem Moratorium von Dublin-Überstellungen nach Bulgarien aufgerufen wurde. (UNHCR 2.1.2014) Auch der Menschenrechtskommissar des Europarats, Nils Muižnieks, äußerte sich Ende 2013 dahingehend. (ECRE 20.12.2013) Im vorläufig letzten UNHCR-Bericht vom April 2014 wurden Bulgarien zahlreiche Verbesserungen im Asylverfahren und bei den Unterbringungsbedingungen attestiert. Eine generelle Suspendierung der Dublin-Überstellungen erscheint UNHCR daher nicht mehr gerechtfertigt. (UNHCR 04.2014) Eine Meinung, der sich die NGO Border Monitoring Bulgaria nicht anschließt. (BMB 2014) Auch ECRE (April 2014) und Amnesty International (März 2014) äußersten sich gegenteilig. (AIDA 18.4.2014) Ebenso Human Rights Watch. (HRW 04.2014) UNHCR gibt lediglich zu bedenken, dass bezüglich der Dublin-Überstellung bestimmter Gruppen (Vulnerable) weiterhin Gründe gegen eine Überstellung sprechen könnten. (UNHCR 04.2014)

Der Zugang zum Asylverfahren nach Dublin Rücküberstellung hängt vom Stand des Verfahrens in Bulgarien ab.

erstmaliges Stellen eines Asylantrags:

Bei der Aufnahme eines Drittstaatsangehörigen, der zum ersten Mal einen Asylantrag stellt, wird diese Person entsprechend registriert und es wird ein Verfahren zur Prüfung des Antrags eingeleitet. (VB 31.1.2012)

inhaltlich negativ entschiedenes Verfahren:

Wurde über das Vorbringen bereits inhaltlich abschließend negativ entschieden, kann der Rückkehrer einen Folgeantrag stellen. Tut er das nicht, kommt er in ein Abschiebezentrum. (UNHCR 04.2014) Ein Folgeantrag wird auf Vorliegen neuer Elemente geprüft. Liegen solche nicht vor, wird er als offensichtlich unbegründet abgelehnt. (UNHCR 2.1.2014)

inhaltlich nicht entschiedenes Verfahren:

Wenn Personen nach BG rücküberstellt werden, zu deren Vorbringen es noch keine inhaltliche Entscheidung gibt, wird ihr Verfahren an der Stelle wieder eröffnet, an der es ausgesetzt wurde. (UNHCR 04.2014)

Sind zwischen Aussetzung des Verfahrens und Rückkehr des AW mehr als 3 Monate vergangen, ist das Verfahren inzwischen in Abwesenheit beendet worden. Hat noch kein Interview stattgefunden, wird dieses bei Rückkehr nachgeholt. Ohne Interview gibt es keine Entscheidung. (UNHCR 04.2014)

Zwischen 1.1. und 27.3.2014 wurden 11 AW und 2 subsidiär Schutzberechtigte als "take back"-Fälle nach BG überstellt (aus HU, SE, SUI). In einem Fall wurde der AW über die Entscheidung in Abwesenheit in seinem Verfahren informiert und zur Außerlandesbringung inhaftiert. Die anderen wurden offen untergebracht, ihre Verfahren wieder eröffnet und neue Ausweiskarten ausgegeben. (UNHCR 04.2014)

Dublin-Rückkehrer haben in Bulgarien kein Problem beim Zugang zum Asylverfahren. Lediglich im Falle, dass ihr erstinstanzliches Verfahren in Abwesenheit negativ entschieden und dies rechtskräftig wurde, werden sie bei Rückkehr in Abschiebehaft genommen. (AIDA 18.4.2014)

Folgeanträge sind jederzeit möglich und sie haben aufschiebende Wirkung. Auch ist die Zahl der Folgeanträge nicht begrenzt. Wenn keine neuen Elemente vorgebracht werden, werden sie im beschleunigten Verfahren üblicherweise binnen 3 Tagen als unzulässig abgelehnt. Gegen negative Entscheidungen zu Folgeanträgen ist Beschwerde möglich, welche ebenso automatisch aufschiebende Wirkung hat. Zugang zu Unterbringung erhalten Folgeantragsteller jedoch nicht mehr. Die Behörde hat angeblich die Möglichkeit Folgeantragsverfahren monatelang zu verzögern. In Verbindung mit dem fehlenden Recht auf Unterbringung soll das lt. NGOs AW davon abhalten Folgeanträge zu stellen. Priorisiert werden angeblich nur Folgeanträge von Syrern. (AIDA 18.4.2014)

Beschwerdemöglichkeiten

Die Entscheidungen der Staatlichen Agentur für Flüchtlinge beim Ministerrat im Dublin-Verfahren können binnen 7 Tagen beim Verwaltungsgericht Sofia-Stadt beeinsprucht werden. Gem. Gesetz fallen für Gerichtsverfahren keine Gebühren oder anderen Kosten an, mit Ausnahme der Kosten für Expertisen. Auch diese können Asylwerbern erlassen werden, wenn sie am Existenzminimum leben. (VB 6.2.2014)

Beschwerden im Dublin-Verfahren haben keine aufschiebende Wirkung, es sei denn, diese wird vom AW ausdrücklich beantragt. (AIDA 18.4.2014)

Jeder einzelne Verwaltungsakt, unterliegt der Gerichtskontrolle, egal ob ein Beschluss, mit welchem Rücküberstellung an den jeweiligen zuständigen Mitgliedsstaat genehmigt wird, ein Beschluss, mit welchem Asyl in der Republik Bulgarien abgelehnt wird, eine Anordnung zur Unterbringung in speziellen Heimen für illegale Einwanderer, eine Anordnung zur Ausweisung eines Drittstaatsangehörigen bis zur Grenze der Republik Bulgarien, eine Anordnung der Landesverweisung usw. (VB 31.1.2012)

Nach den oben geschilderten Änderungen am nationalen Gesetz über die Rechtshilfe, ist seit 2013 staatlich finanzierte rechtliche Vertretung auch für AW im Dublin-Verfahren möglich. Zusätzlich zur schon zuvor verfügbaren Rechtshilfe im Beschwerdeverfahren vor einem Gericht. In der Praxis bestehen auch hier die o.g.

Finanzierungsprobleme für die Rechtshilfe in erster Instanz. (AIDA 18.4.2014)

Unterbringung nach Rücküberstellung

Je nachdem, in welcher Phase sich das Asylverfahren in der Republik Bulgarien befindet, werden die Dublin-Rückkehrer unterschiedlich untergebracht. Bei noch laufendem Verfahren werden sie in einem offenen Registrierungs- und Aufnahmezentrum der Staatlichen Agentur für Flüchtlinge beim Ministerrat untergebracht. Wenn der Asylantrag bereits abgelehnt wurde, der jeweilige Beschluss rechtskräftig ist und die Abschiebung des jeweiligen Drittstaatsangehörigen aus dem Land bevorsteht, wird dieser in einem Zentrum zur temporären Unterbringung illegaler Fremder untergebracht, damit seine Abschiebung organisiert werden kann. In der Regel darf die Haftdauer 6 Monate nicht überschreiten, ausnahmsweise kann die Festnahme um weitere 12 Monate verlängert werden, jedoch darf die Gesamtdauer nicht mehr als 18 Monate betragen. Die Haftbefehle und die Befehle zur Verlängerung der Haftdauer unterliegen einer Gerichtskontrolle. In diesen Schubhaftzentren werden Familien und Vulnerable ebenfalls in speziellen, abgesonderten Räumlichkeiten untergebracht, welche ihrem Alter und ihren Bedürfnissen entsprechend ausgestattet sind. (VB 31.1.2012)

Quellen:

AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and the Bulgarian Helsinki Committee (18.4.2014): National Country Report Bulgaria, http://www.asylumineurope.org/files/report-download/aidabulgariareport_secondupdate_final.pdf , Zugriff 5.12.2014

BMB - Border Monitoring Bulgaria (2014): Trapped in Europe's Quagmire. The Situation of Asylum Seekers and Refugees in Bulgaria, http://bulgaria.bordermonitoring.eu/files/2014/07/Hristova-et.al-Trapped-in-Europes-Quagmire.pdf , Zugriff 5.12.2014

ECRE - European Council on Refugees and Exiles (20.12.2013): Weekly Bulletin

HRW - Human Rights Watch: Containment Plan (04.2014). Bulgaria's Pushbacks and Detention of Syrian and Other, https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1399451773_bulgaria0414-forupload-0.pdf , Zugriff 5.12.2014

Asylum Seekers and Migrants

UNHCR (04.2014): Bulgaria as a country of asylum. UNHCR Observations on the Current Situation of Asylum in Bulgaria, http://www.refworld.org/cgi-bin/texis/vtx/rwmain?page=publisher&docid=534cd85b4&skip=0&publisher=UNHCR&querysi=bulgaria&searchin=title&sort=date , Zugriff 5.12.2014

UNHCR (2.1.2014): Bulgaria as a country of asylum. UNHCR Observations on the Current Situation of Asylum in Bulgaria, http://www.refworld.org/docid/52c598354.html , Zugriff 5.12.2014

VB des BM.I in Bulgarien (31.1.2012): Bericht des VB, per E-Mail

VB des BM.I in Bulgarien (6.2.2014): Bericht des VB, per E-Mail

VB des BM.I in Bulgarien (24.10.2013): Bericht des VB, per E-Mail

Non-Refoulement

Die Europäische Kommission hat am 1. April 2014 bestätigt, dass gegen Bulgarien ein Vertragsverletzungsverfahren wegen des möglichen Refoulements von syrischen Flüchtlingen an der bulgarisch-türkischen Grenze begonnen wurde. Der erste Schritt des Vertragsverletzungsverfahrens ist der "Letter of formal notice", in dem das Land um seine Einschätzung des Problems gebeten wird. (ECRE 4.4.2014) Es gibt Berichte über derartige "push-backs" an der genannten Grenze, die sich auf Aussagen von Migranten stützen. Die bulgarischen Behörden weisen derartige Vorwürfe in der Regel kategorisch zurück. (UNHCR 04.2014, vgl. BMB 2014 / HRW 04.2014)

Die Regierung gewährt einen gewissen Schutz vor Ausweisung oder Rückkehr von Flüchtlingen in Länder, wo ihr Leben oder ihre Freiheit aufgrund von Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politischer Gesinnung bedroht wäre. UNHCR bestätigt, dass das Risiko für genuine Flüchtlinge, abgelehnt zu werden, gering ist, wenn auch Ausnahmefälle vorkommen. (USDOS 27.2.2014)

Quellen:

BMB - Border Monitoring Bulgaria (2014): Trapped in Europe's Quagmire. The Situation of Asylum Seekers and Refugees in Bulgaria, http://bulgaria.bordermonitoring.eu/files/2014/07/Hristova-et.al-Trapped-in-Europes-Quagmire.pdf , Zugriff 5.12.2014

ECRE - European Council on Refugees and Exiles (4.4.2014): Weekly Bulletin 4 April 2013, per E-Mail

HRW - Human Rights Watch: Containment Plan (04.2014). Bulgaria's Pushbacks and Detention of Syrian and Other, https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1399451773_bulgaria0414-forupload-0.pdf , Zugriff 5.12.2014

UNHCR (04.2014): Bulgaria as a country of asylum. UNHCR Observations on the Current Situation of Asylum in Bulgaria, http://www.refworld.org/cgi-bin/texis/vtx/rwmain?page=publisher&docid=534cd85b4&skip=0&publisher=UNHCR&querysi=bulgaria&searchin=title&sort=date , Zugriff 5.12.2014

USDOS - US Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Bulgaria, https://www.ecoi.net/local_link/270669/399210_de.html , Zugriff 5.12.2014

Versorgung

Unterbringung

AW in Bulgarien haben Anspruch auf Unterbringung und Versorgung während des gesamten Asylverfahrens. Das umfasst Unterkunft, Verpflegung, soziale Unterstützung, Krankenversorgung und psychologische Hilfe. In der Praxis werden bei Platzknappheit mittellose AW prioritär in den Unterbringungszentren versorgt. Spezielle Bedürfnisse und Obdachlosigkeitsrisiko (Vorhandensein von Mitteln, Beruf und potentielle Jobaussichten, Zahl der Familienmitglieder und etwaige Vulnerabilität) werden in jedem Fall berücksichtigt. Folgeantragsteller haben diese Rechte nicht, es sei denn, sie sind vulnerabel. Wenn AW bestätigen, dass sie über Mittel verfügen, können sie auch außerhalb eines Zentrums wohnen. Wird die Unterbringung in einem Zentrum verweigert, ist das vor Gericht binnen 7 Tagen anfechtbar. Dafür ist auch Rechtshilfe vorgesehen. (AIDA 18.4.2014)

Die materielle Versorgung der AW umfasst Unterbringung in Zentren und Sozialhilfe in Form eines monatlichen Handgeldes in Höhe von BGN 65,- (EUR 33,-) pro Person (auch Kinder). Die Höhe dieses Betrags wird von UNHCR als ungenügend kritisiert. Gibt es nach einem Jahr noch keine Entscheidung im Asylverfahren, hat der AW Zugang zum Arbeitsmarkt. Was die monatliche finanzielle Unterstützung betrifft, werden AW nicht schlechter behandelt als Bulgaren, nur verfügen sie in der Regel nicht über Ersparnisse, Besitz oder Familie im Lande, um sich zusätzlich abzusichern. (AIDA 18.4.2014, vgl. UNHCR 04.2014)

Mit Stand 6. Juni 2014 lebten 2.329 AW und Schutzberechtigte in den Zentren. 2.359 lebten unter externen Adressen. Wer außerhalb der Zentren lebt, bekommt das monatliche Handgeld (BGN 65,-) nicht mehr. Die Praxis, eine fixe externe Adresse vorzutäuschen, um außerhalb eines Zentrums leben zu können, soll außerdem immer noch verbreitet sein und zu einem Problem der Obdachlosigkeit unter AW und Schutzberechtigten beitragen, wobei jedoch keinerlei Zahlen hierzu vorhanden sind und sich die NGO BMB auch keinerlei Schätzung zutraut. (BMB 2014)

SAR führt verschiedene Unterbringungseinrichtungen für AW:

Registrierungs- und Empfangszentren (RRC) Sofia und Banja und Harmanli; das Transitzentrum (TC) Pastrogor. Das RRC Sofia besteht seinerseits aus den Zentren Kovacevtsi, Vrazhdebna und Voenna Rampa und verfügt zudem über das Integrationszentrum (IC) Ovcha Kupel (BMB 2014), das AW und Schutzberechtigten den Zugang zu Sprach- und Jobtraining und anderen Aktivitäten bietet, die für die Integration wichtig sind. (UNHCR 2013)

Die bulgarischen Behörden haben Anstrengungen zur Verbesserung der Unterbringungsbedingungen unternommen. Gebäude wurden renoviert und Möblierung sowie Verpflegung verbessert. Gewisse Unzulänglichkeiten sollen jedoch fortbestehen, wie überlastete elektrische und Abwasserleitungen, ungenügende medizinische Versorgung und Mangel an Übersetzern. NGOs klagen über einen Mangel an Sozialarbeitern. Bei Übersetzern sei angesichts der Überzahl an arabischen Antragstellern, eine gewisse Benachteiligung nicht-arabischsprachiger AW feststellbar, da man sich hauptsächlich auf die Bereitstellung von Arabisch-Übersetzern konzentriere. (BMB 2014)

In Busmantsi und Liubimets befinden sich die dem bulgarischen Innenministerium (Direktion für Migration) unterstehenden "Zentren für die vorübergehende Unterbringung von Fremden". Das sind geschlossene Schubhaftzentren. AW kommen mit diesen Zentren in der Regel nur in Kontakt, wenn sie beim illegalen Grenzübertritt betreten wurden und erst in der Haft einen Asylantrag stellten. Im Oktober 2013 wurde von der Direktion für Migration in Elhovo ein sogenanntes "Verteilungszentrum" eröffnet, in dem AW für max. 20 Tage untergebracht werden, bevor sie auf die Unterbringungszentren aufgeteilt werden können. Die Kapazität dieser 3 Haftzentren liegt bei insgesamt 1.000 Plätzen. (AIDA 18.4.2014)

In Busmantsi und Liubiments werden Familien und alleinstehende Frauen getrennt von den anderen Inhaftierten untergebracht. Innerhalb der Zentren ist in der Regel freie Bewegung erlaubt. Bildungsprogramme für Kinder oder Sprachunterricht sind nicht vorgesehen. Kostenlose Übersetzerleistungen werden angeboten. Tägliche Hofgänge sind vorgesehen, es gibt die Möglichkeit für religiöse Betätigung, TV und Sportgelegenheiten. In puncto medizinische Versorgung wird hauptsächlich ambulant und präventiv behandelt. Wenn nötig können Inhaftierte auch in Spitälern behandelt werden. Vulnerable werden je nach Einzelfall gesondert untergebracht, etwa im Krankenrevier (EMN 2014).

Quellen:

AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and the Bulgarian Helsinki Committee (18.4.2014): National Country Report Bulgaria, http://www.asylumineurope.org/files/report-download/aidabulgariareport_secondupdate_final.pdf , Zugriff 5.12.2014

BMB - Border Monitoring Bulgaria (2014): Trapped in Europe's Quagmire. The Situation of Asylum Seekers and Refugees in Bulgaria, http://bulgaria.bordermonitoring.eu/files/2014/07/Hristova-et.al-Trapped-in-Europes-Quagmire.pdf , Zugriff 5.12.2014

EMN - European Migration Network (2014): The use of detention and alternatives to detention in the context of immigration policies. Synthesis Report for the EMN Focussed Study 2014, http://www.emn.at/images/stories/2014/studien_2014/emn_study_detention_alternatives_to_detention_synthesis_report_en.pdf , Zugriff 5.12.2014

UNHCR (2013): Where is my home? Homelessness and Access to Housing among Asylum-Seekers, Refugees and Persons with International Protection in Bulgaria,

http://www.unhcr-centraleurope.org/pdf/where-we-work/bulgaria/where-is-my-home-bulgaria.html , Zugriff 5.12.2014

UNHCR (04.2014): Bulgaria as a country of asylum. UNHCR Observations on the Current Situation of Asylum in Bulgaria, http://www.refworld.org/cgi-bin/texis/vtx/rwmain?page=publisher&docid=534cd85b4&skip=0&publisher=UNHCR&querysi=bulgaria&searchin=title&sort=date , Zugriff 5.12.2014

VB des BM.I in Bulgarien (29.8.2014a): Bericht des VB, per E-Mail

Medizinische Versorgung

AW haben in Theorie und Praxis Zugang zu derselben Krankenversorgung wie bulgarische Staatsbürger, sind aber auch den Unzulänglichkeiten des bulgarischen Gesundheitssystems aufgrund von Unterfinanzierung in gleichem Maße ausgesetzt. SAR ist verpflichtet, die Krankenversicherung der AW zu übernehmen. (AIDA 18.4.2014; vgl. VB 29.8.2014b)

Mit April des Jahres hat SAR in allen Zentren die medizinische Versorgung übernommen. Es gibt Berichte von Antragstellern über unzureichende medizinische Versorgung. Auch soll es, aufgrund der Tatsache, dass die bulgarische Krankenversicherung die Kosten für Medikamente nicht übernimmt, für AW nicht möglich sein von ihren BGN 65,- an monatlichem Handgeld (ca. Euro 33,-), Medikamente in Apotheken zu kaufen. (BMB 2014)

Im Hinblick auf Verbesserung und Erleichterung des Zugangs zu medizinischen Dienstleistungen wurden in allen Unterbringungszentren der Staatlichen Agentur für Flüchtlinge beim Ministerrat Sprechzimmer mit medizinischem Personal eröffnet. Es steht auch die Eröffnung einer Zahnarztpraxis bevor. Anfang Juni 2014 hatten 49,5% der in den Zentren der Staatlichen Agentur für Flüchtlinge untergebrachten Personen internationalen Schutz in Bulgarien erhalten. Unabhängig davon ob sie krankenversichert sind oder nicht, bekommen diese Personen kostenlose medizinische Untersuchung und Betreuung. Die restlichen Personen (50,5 %) sind im Status des Asylwerbers und sind ohnehin gesetzlich krankenversichert. Die Sozialarbeiter der Staatlichen Agentur für Flüchtlinge beim Ministerrat helfen über das BRK bei der Organisation und der Lieferung von kostenlosen Arzneimitteln für Bedürftige. (VB 13.6.2014)

Laut der Gesetzgebung der Republik Bulgarien haben Ausländer im Rahmen des Verfahrens zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz ein Recht auf Krankenversicherung, zugängliche medizinische Grundversorgung und unentgeltliche medizinische Versorgung unter den für bulgarische Staatsbürger geltenden Bestimmungen und Bedingungen, und zwar ab dem Zeitpunkt ihrer Registrierung als Schutzsuchende. Unter Berücksichtigung des besonderen Status dieser Personenkategorie sieht der Gesetzgeber vor, dass ihre Rechte als Krankenversicherte ab dem Datum der Eröffnung eines Asylverfahrens entstehen. Im Zuge des laufenden Asylverfahrens genießen Ausländer Rechte als Krankenversicherte im selben Umfang wie bulgarische Staatsbürger. Im Hinblick auf die Erhaltung der öffentlichen Gesundheit werden AW nach der Eröffnung eines Asylverfahrens einer medizinischen Untersuchung unterzogen. Im Falle einer Krankheit werden entsprechende Behandlungsmaßnahmen eingeleitet. Diese Maßnahmen sind für AW kostenlos und werden in den Unterbringungszentren durchgeführt. Nach Eröffnung eines Asylverfahrens und Erhalt einer Registrierungskarte haben AW das Recht, einen Arzt (Allgemeinarzt) und einen Zahnarzt auszuwählen.

Folgende Leistungen sind umfasst: Prophylaxe; ambulante und Krankenhausbehandlung; Rehabilitation; Versorgung in der Schwangerschaft; Entbindung und Mutterschaft; Abtreibungen aufgrund medizinischer Indikation und nach Vergewaltigung; zahnmedizinische und zahntechnische Behandlung; Verschreibung und Abgabe von zugelassenen Arzneimitteln; usw. Die Kosten werden von der Nationalen Krankenkasse getragen. Wer nicht krankenversichert ist, muss diese Leitungen selbst bezahlen. Immer gewährt wird medizinische Nothilfe. Die Nationale Krankenkasse übernimmt gänzlich oder teilweise die Kosten für Arzneimittel, medizinische Erzeugnisse und diätetische Lebensmittel für spezielle medizinische Zwecke, welche für die häusliche Krankenpflege pflichtversicherter Personen gedacht sind, und zwar für bestimmte Erkrankungen, die mit einer Verordnung des Gesundheitsministers festgelegt worden sind. Asylwerbern mit rechtskräftig negativ abgeschlossenem Asylverfahren, die sich in Schubhaft befinden, wird rund um die Uhr unentgeltliche medizinische Versorgung gewährleistet. Die Untersuchungen und die medizinische Betreuung erfolgen im Medizinischen Institut beim Innenministerium. (VB 24.6.2014)

Es gibt in Bulgarien 3 Zentren in denen AW eine psychologische bzw. psychiatrische Betreuung erhalten können. Es sind dies Sofia, Pastrogor und Harmanli (nur psychologische Behandlung). Es gibt eine enge Kooperation mit der NGO "Asset", welche auf die Betreuung von traumatisierten Personen spezialisiert ist. Für psychiatrische Behandlungen werden die AW von den Psychologen an einen Spezialisten überwiesen. Im Juni begann weiters eine Schulung für die Betreuer von Staatlicher Agentur für Flüchtlinge beim Ministerrat und bulgarischem Rotem Kreuz für den Umgang mit traumatisierten Personen, welche von der israelischen NGO "Isra AID" durchgeführt wird. (VB 13.6.2014)

Die Unterbringung vulnerabler Asylwerber - alleinstehende Frauen mit minderjährigen Kindern - erfolgt in speziellen, entsprechend den Bedürfnissen gestalteten Unterbringungsstellen. Im Registrierungs- und Aufnahmezentrum Harmanli steht ein separates Gebäude mit 180 Plätzen zur Verfügung, momentan ist dies nur zu 25% belegt. Eine andere Unterbringungsstelle wird im Registrierungs- und Aufnahmezentrum in Banja entstehen. Dort werden in Kürze 10 Häuser mit insgesamt 40 Plätzen fertiggestellt. Ältere Leute werden je nach Wunsch zusammen mit Angehörigen untergebracht. Momentan bekommen alle Asylwerber, untergebracht in den territorialen Unterbringungszentren der Staatlichen Agentur für Flüchtlinge beim Ministerrat zweimal am Tag kostenlose Nahrung, sowie unabhängig von ihrem Alter auch eine soziale Unterstützung von 65 BGN/Monat. SAR versorgt die Flüchtlinge zusammen mit dem Bulgarischen Roten Kreuz (BRK) mit Nahrungs- und Hygienepaketen. Seit Anfang des Jahres wurden in allen Unterbringungszentren Sozialarbeiter von der Staatlichen Agentur für Flüchtlinge und Sozialarbeiter und Mediatoren vom BRK angestellt. Im Gebäude für alleinstehende Mütter in Harmanli wurde auch ein Kinderzimmer eingerichtet, wo die Kinder täglich von ihren Eltern und/oder Freiwilligen vom BRK oder NGOs unterhalten und versorgt werden. In allen Zentren werden auch Bulgarisch-Sprachkurse für Kinder und Erwachsene durchgeführt, zu denen jeder Interessierte Zugang hat. (VB 13.6.2014)

Quellen:

AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and the Bulgarian Helsinki Committee (18.4.2014): National Country Report Bulgaria, http://www.asylumineurope.org/files/report-download/aidabulgariareport_secondupdate_final.pdf , Zugriff 5.12.2014

BMB - Border Monitoring Bulgaria (2014): Trapped in Europe's Quagmire. The Situation of Asylum Seekers and Refugees in Bulgaria, http://bulgaria.bordermonitoring.eu/files/2014/07/Hristova-et.al-Trapped-in-Europes-Quagmire.pdf , Zugriff 5.12.2014

VB des BM.I in Bulgarien (13.6.2014): Bericht des VB, per E-Mail

VB des BM.I in Bulgarien (24.6.2014): Bericht des VB, per E-Mail

VB des BM.I in Bulgarien (29.8.2014b): Bericht des VB, per E-Mail

Unterstützung durch NGOs

Eine Reihe von NGOs unterstützen Asylwerber, so etwa der Bulgarische Rat für Flüchtlinge und Migranten (Bulgarian Council on Refugees and Migrants, BCRM). Er arbeitet mit UNHCR zusammen und ist besonders auf den Gebieten Anwaltschaft, Lobbying und Spendensammlung für Asylwerber und der Vernetzung zwischen NGOs und staatlichen Institutionen aktiv. (BCRM o.D.)

Das Bulgarian Helsinki Committee hat sich dem Ziel verschrieben den Respekt vor den Menschenrechten zu fördern, Rechtsreformen in Bulgarien anzustoßen und betreibt unter anderem seit 1994 ein Refugees' and Migrants' Legal Protection Programme. Es wird von UNHCR unterstützt und kooperiert mit der Staatlichen Agentur für Flüchtlinge beim Ministerrat. Es bietet jährlich ca. 5.000 Menschen Rechtsberatung und -vertretung und hilft bei der Integration von Flüchtlingen in Bulgarien oder bei der Rückkehr in das Herkunftsland. Die rechtliche Beratung ist kostenlos und das Team des Bulgarian Helsinki Committee vertritt Asylwerber in Asylverfahren und vor Gericht und anderen Behörden. (BHC o.D.a /BHC o. D.b)

Der Refugee-Migrant Service (RMS) des Bulgarischen Roten Kreuzes (BRC) engagiert sich seit 1997 in der Flüchtlingshilfe, Integrationsförderung für Flüchtlinge, Toleranzvermittlung etc. Das BRC ist die größte NGO Bulgariens, die soziale Dienste und Hilfe für Flüchtlinge anbietet. Der RMS bietet finanzielle und andere Hilfe für anerkannte Flüchtlinge, Personen mit humanitärem Aufenthaltsrecht, Asylwerber, abgelehnte Asylwerber und andere Migranten und betreut jedes Jahr 1.500 bis 2.000 Personen. Seit 2005 bietet man Antragstellern an den Grenzen Verpflegung und Medikamente an. Die Hilfe für Asylwerber und anerkannte Flüchtlinge gehört zu den Hauptaktivitäten des BRC. Im bulgarischen Gesetz wird das BRC als Organisation genannt, die mit der Regierung bei Unterbringung, sozialer Anpassung und in allen Aspekten der Integration von Flüchtlingen in Bulgarien zusammenarbeitet. Der RMS arbeitet mit der Staatlichen Agentur für Flüchtlinge beim Ministerrat, dem UNHCR, IOM, der Grenzpolizei u.a. zusammen und unterhält Kontakte zu allen aktiven bulgarischen NGOs. (BRC o.D.) BRC unterstützt die Insassen der Registrierungs- und Empfangszentren mit Essenspaketen, Medikamenten und Handgeldern. (UNHCR 2013)

Die NGO Legal Clinic for Refugees and Immigrants stellt Asylwerbern kostenlose Rechtsberatung zur Verfügung. Es werden auch inhaftierte Flüchtlinge, Asylwerber und Immigranten betreut. Das Zentrum Busmanti wird wöchentlich besucht. Die Mitarbeiter verfassen Beschwerden u.a. Dokumente usw.

Momentan nimmt die NGO keine neuen Fälle mehr an, die kostenlose Beratung wird aber weiterhin angeboten. (lcrien o.D.)

Quellen:

BCRM - Bulgarian Council on Refugees and Migrants (o.D.):

http://www.bcrm-bg.org/en/index.html , Zugriff 5.12.2014

BHC - Bulgarian Helsinki Committee (o.D.a): About BHC, o.D., http://www.bghelsinki.org/en/about-us/ , Zugriff 5.12.2014

BHC - Bulgarian Helsinki Committee (o.D.b): Legal protection of refugees and migrants programme, o.D.

http://www.bghelsinki.org/en/about-us/programs/refugees-and-migrants-legal-protection-programme/ , Zugriff 5.12.2014

BRC - Bulgarian Red Cross (o.D.): Activities, Work with Refugees and Asylum Seekers - Work with Refugees and Asylum Seekers, http://en.redcross.bg/activities/activities8/rms1.html , Zugriff 5.12.2014

lcrien - Legal Clinic for Refugees and Immigrants (o.D.): Free legal aid, http://lcrien.wordpress.com/our-activities/free-legal-aid/ , Zugriff 5.12.2014

UNHCR (2013): Where is my home? Homelessness and Access to Housing among Asylum-Seekers, Refugees and Persons with International Protection in Bulgaria,

http://www.unhcr-centraleurope.org/pdf/where-we-work/bulgaria/where-is-my-home-bulgaria.html , Zugriff 5.12.2014

Schutzberechtigte

Es gibt für Personen mit Schutzstatus keine finanzielle Hilfe oder Unterstützung bei der Wohnungssuche, weshalb einige, denen die Mittel fehlen sich selbständig unterzubringen, in den Unterbringungszentren für AW bleiben, was zu deren Überbelegung beiträgt. (UNHCR 7.2.2014, vgl. EASO 02.2014 / UNHCR 04.2014)

Mit Stand 6. Juni 2014 lebten 2.329 AW und Schutzberechtigte in den Zentren. 2.359 lebten unter externen Adressen. Schutzberechtigte haben grundsätzlich die Möglichkeit bis zu 6 Monate nach Statuszuerkennung im Unterbringungszentrum bleiben zu können. Wer außerhalb der Zentren lebt, bekommt die BGN 65,- monatliches Handgeld nicht mehr. Die Praxis, eine fixe externe Adresse vorzutäuschen, um außerhalb eines Zentrums leben zu können, soll immer noch verbreitet sein und zu einem Problem der Obdachlosigkeit unter AW und Schutzberechtigten beitragen, wobei jedoch keinerlei Zahlen hierzu vorhanden sind und sich die NGO BMB auch keinerlei Schätzung zutraut. (BMB 2014)

Fremde müssen sich binnen 14 Tagen ab der Zuerkennung eines Schutzstatus in der Gemeinde melden, in der sie zu leben gedenken, damit sie ins Melderegister aufgenommen werden können. Gemäß Gesetz haben sie die Möglichkeit für 6 Monate eine finanzielle Unterstützung für Wohnen zu erhalten. Ihr Aufenthalt im Zentrum kann entsprechend verlängert werden. Unterstützung durch das nationale Programm zur Flüchtlingsintegration (NPIR) kann binnen 2 Monaten ab Statuszuerkennung beantragt werden. Nach einem Interview wird ein individueller Integrationsplan erstellt und unterzeichnet. Die Teilnehmer verpflichten sich, Sprachtraining, Kurse zur kulturellen und sozialen Anpassung, sowie Jobtraining ein Jahr lang regelmäßig zu besuchen. Die Leistungen des NPIR sind sehr umfassend und detailliert festgelegt, die Plätze im NPIR sind jedoch auf 60 pro Jahr begrenzt und nur in Sofia verfügbar. 2011 waren von 194 Schutzberechtigten 83 im NPIR, 37 davon schlossen es ab. (UNHCR 2013)

Laut UNHCR ist momentan kein nationales Programm zur Flüchtlingsintegration (NPIR) operativ, ein neues Programm sei aber in Ausarbeitung und solle 2.000 Schutzberechtigte abdecken. Das Budget hierfür sei aber noch nicht beschlossen. (UNHCR 04.2014) SAR berichtet, dass im Rahmen des neuen nationalen Programms zur Flüchtlingsintegration (NPIR) für den Zeitraum 2014-2016,. Schutzberechtigte 1 Jahr lang an dem Programm teilnehmen und im Rahmen dessen für 6 Monate folgende Leistungen und Beihilfen beziehen können: Krankenversicherung, ein Stipendium von 8 BGN pro Tag für Bulgarisch-Sprachkurse und Job-Training; kostenlosen Transport, Unterstützung bei der Wohnungssuche und ein finanzieller Beitrag zur Monatsmiete. (VB 3.4.2014) Laut BMB gab es Anfang Juni 2014 noch immer kein funktionierendes NPIR und die diesbezüglich vorgestellte Strategie verfüge über keine gesicherte Finanzierung. (BMB 2014) Laut SAR wurde ein nationaler Plan zur Verwirklichung der Integrationsstrategie 2014 und eine Jahresfinanzberechnung für die zu treffenden Maßnahmen vorbereitet. Der Plan und die Finanzberechnung, seien jedoch nicht angenommen worden (VB 29.8.2014b). Mit ein Grund dafür dürften die Neuwahlen in Bulgarien im Oktober gewesen sein (vgl. AJ 19.8.2014).

Gemeindewohnungen zu erhalten ist für Personen mit einem Schutzstatus in BG aufgrund diskriminierender Bestimmungen oder geringer Kapazitäten in den meisten großen Städten angeblich nicht möglich. Obdachlose Personen mit einem Schutzstatus können in den Obdachlosenheimen untergebracht werden. Diese stellen aber keine Dauerlösungen dar. In einem dieser Zentren in Sofia existieren Zugangshindernisse wie das Erfordernis eines Unbescholtenheitszeugnisses. Obdachlose Fremde verlassen sich hauptsächlich auf Hilfe von Bekannten innerhalb der jeweiligen ethnischen Community. Der RMS des BRC bietet finanzielle Hilfe für das Anmieten von Unterkünften; Medizin und Essenspakete. Neben den NGOs, welche die Hauptunterstützer von obdachlosen Fremden sind, sind die Kirchen als Unterstützer zu nennen. Katholische Kirche und das Prelom Christian Center bieten soziale Hilfe. Wie die Sozialmediatoren des BRC, unterstützt Prelom die Fremden auch bei Problemen mit der Bürokratie. Generell werden die Maßnahmen des bulgarischen Staates von den Betroffenen positiv bewertet, stellenweise seien aber zusätzliche Anstrengungen nötig. (UNHCR 2013)

UNHCR berichtet, dass es in der Praxis zu einer Lücke in der medizinischen Versorgung nach der Anerkennung von AW als Schutzberechtigte kommen könne, die durch den Statuswechsel verursacht würde und bis zu 2 Monate betragen könne, während derer die Schutzberechtigten in den Datenbanken der nationalen Krankenversicherung als "nicht versichert" aufschienen. Zusätzlich müssen sie BGN 17,-- (EUR 8,7) monatlich an die Versicherung abführen, wie bulgarische Bürger auch. Die Krankenversicherung umfasst keine Medikamente und keine psychologische Betreuung. (UNHCR 7.2.2014 / UNHCR 04.2014) SAR bestätigt, dass Schutzberechtigte zu medizinischer Versorgung im selben Umfang wie bulgarische Staatsbürger berechtigt sind. Die Krankenversicherung decke einerseits Medikamente ab, die in den Listen der Krankenkasse als kostenlos geführt werden und andererseits solche, bei denen ein Selbstbehalt besteht. Auch wird bestätigt, dass Schutzberechtigte die Krankenversicherungsbeiträge selbst tragen müssen bzw. ein allfälliger Arbeitgeber. (VB 29.8.2014b).

Die Rechte und Pflichten von Ausländern, denen in der Republik Bulgarien Schutz gewährt worden ist, sind in der nationalen Gesetzgebung geregelt. Auf Grundlage des Art. 36 des Asyl- und Flüchtlingsgesetzes hat ein subsidiär Schutzberechtigter die Rechte und Pflichten eines Ausländers mit erteilter Daueraufenthaltsberechtigung in der Republik Bulgarien. Mit der Zuerkennung des Flüchtlingsstatus oder des subsidiären Schutzes erwerben Ausländer die gleichen Rechte wie bulgarische Staatsbürger in Bezug auf Arbeit und sie dürfen sich auch bei dem nach aktuellem Wohnsitz zuständigen Arbeitsamt arbeitslos melden. Gemäß Gesetz über die soziale Unterstützung und seiner Durchführungsverordnung haben Personen mit zuerkanntem Flüchtlingsstatus oder subsidiärem Schutz das Recht auf Sozialhilfe wie bulgarische Staatsbürger. Sozialhilfe bedeutet Unterstützung in Form von Geldhilfe und Sachleistungen und Sozialleistungen. Jegliche direkte oder indirekte Diskriminierung auf Grund des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen Zugehörigkeit, der Staatsangehörigkeit, der politischen Gesinnungen, der Religion, einer Behinderung, des Alters, der sexuellen Orientierung, der familiären Situation oder der Herkunft, usw. ist unzulässig. Gemäß Gesetz über die Pflichtkrankenversicherung, ist die Krankenversicherung für Personen mit zuerkanntem Flüchtlingsstatus oder subsidiär Schutzberechtigte verbindlich und diese sind als eigene Krankenversicherungsgruppe einbezogen. (VB 4.9.2011)

Es existieren Berichte über Probleme beim Zugang zu Gesundheitsversorgung, diese dürften aber zu einem gewissen Grad Informations- und Verständigungsdefiziten geschuldet sein. Größere Probleme soll für AW und Schutzberechtigte der Kauf von Medikamenten bereiten, die selbst bezahlt werden müssen. Das bulgarische Rote Kreuz hilft hier zwar mit Kostenübernahmen, das scheint aber nicht automatisch der Fall zu sein. Familien mit kleinen Kindern werden demnach vorgereiht. (UNHCR 2013)

Es gibt Berichte, dass Schutzberechtigte, die weiter in den Zentren untergebracht waren, Probleme mit der medizinischen Behandlung im Zentrum gehabt hätten, weil diese ihre Krankversicherungsbeiträge selbst entrichten müssen und sich einen Hausarzt auszusuchen haben. Jeder Besuch bei diesem Hausarzt kostet BGN 2,- (ca Euro 1,-). Diese Umstände führen angeblich dazu, dass Schutzberechtigte "üblicherweise außerhalb des Gesundheitssystems" bleiben würden. (BMB 2014)

In Bezug auf die medizinische Betreuung von anerkannten Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten verhält es sich so, dass bei Nichtzahlung einer Rate der Pflichtkrankenversicherung (bei Arbeitslosen ist dies ein Fixbetrag von BGN 16,80 bzw. € 8,58 pro Monat), die Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigten nicht sofort ihre Rechte auf Krankenversicherung verlieren. Gemäß Gesetz ist das erst der Fall, wenn Personen, die verpflichtet sind eine Krankenversicherung zu zahlen, mehr als drei Monatsraten im Zeitraum von 36 Monaten nicht bezahlt haben. Personen, die ihre Krankenversicherung unterbrochen haben, sind verpflichtet medizinische Leistungen selbst zu bezahlen. Um ihre Rechte wiederherzustellen, müssen sie alle pflichtmäßigen Krankenversicherungsraten für die letzten 36 Monate bezahlt haben. Die Krankenversicherung gilt dann wieder ab dem Zahlungsdatum. Kosten für Personen bis zum 18. Lebensjahr werden vom Staat getragen. Dasselbe gilt auch für Lehrlinge über 18 Jahre bis zum Abitur sowie für reguläre Studenten bis zum 26. Lebensjahr und für Doktoranden, unabhängig vom Alter. Bei dringender Notwendigkeit haben anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte das Recht auf einmalige Sozialhilfe, wofür sie sich bei den Direktionen für Sozialhilfe beim Ministerium für die Arbeit und Sozialpolitik je nach Meldeadresse und ungeachtet des Krankenversicherungsstatus bewerben können. Im Hinblick auf Verbesserung und Erleichterung des Zugangs zu medizinischen Dienstleistungen wurden in allen Unterbringungszentren der Staatlichen Agentur für Flüchtlinge beim Ministerrat Sprechzimmer mit medizinischem Personal eröffnet. Es steht auch die Eröffnung einer Zahnarztpraxis bevor. Momentan haben 49,5% von den in den Zentren der Staatlichen Agentur für Flüchtlinge untergebrachten Personen internationalen Schutz in Bulgarien erhalten. Unabhängig davon ob sie krankenversichert sind oder nicht, bekommen diese Personen kostenlose medizinische Untersuchung und Betreuung. Die restlichen Personen (50,5 %) sind im Status des Asylwerbers und sind ohnehin gesetzlich krankenversichert. Die Sozialarbeiter der Staatlichen Agentur für Flüchtlinge beim Ministerrat helfen über das BRK bei der Organisation und der Lieferung von kostenlosen Arzneimitteln für Bedürftige. (VB 13.6.2014)

Die NGO Bulgarischer Rat für Flüchtlinge und Migranten (Bulgarian Council on Refugees and Migrants, BCRM) arbeitet u.a. auf dem Gebiet der Integration von Flüchtlingen. Sie arbeitet mit UNHCR zusammen und ist besonders auf den Gebieten Anwaltschaft, Lobbying und Spendensammlung für Asylwerber und der Vernetzung zwischen NGOs und staatlichen Institutionen aktiv. (BCRM o.D.)

Die NGO Bulgarian Helsinki Committee betreibt u.a. seit 1994 ein Programm zum Rechtsschutz für Flüchtlinge. Es wird von UNHCR unterstützt und kooperiert mit der Staatlichen Agentur für Flüchtlinge beim Ministerrat. Es bietet jährlich ca. 5.000 Menschen Rechtsberatung und -vertretung und hilft bei der Integration von Flüchtlingen in Bulgarien oder bei der Rückkehr in das Herkunftsland. Die rechtliche Beratung ist kostenlos und das Team des Bulgarian Helsinki Committee vertritt Asylwerber in Asylverfahren und vor Gericht und anderen Behörden. (BHC o.D.b)

Der Refugee-Migrant Service (RMS) des Bulgarischen Roten Kreuzes (BRC) engagiert sich seit 1997 in der Flüchtlingshilfe, Integrationsförderung für Flüchtlinge, Toleranzvermittlung etc. Das BRC ist die größte NGO Bulgariens, die soziale Dienste und Hilfe für Flüchtlinge anbietet. Der RMS bietet finanzielle und andere Hilfe für anerkannte Flüchtlinge, Personen mit humanitärem Aufenthaltsrecht, Asylwerber, abgelehnte Asylwerber und andere Migranten und betreut jedes Jahr 1.500 bis 2.000 Personen. Seit 2005 bietet man Antragstellern an den Grenzen Verpflegung und Medikamente an. Die Hilfe für Asylwerber und anerkannte Flüchtlinge gehört zu den Hauptaktivitäten des BRC. Im bulgarischen Gesetz wird das BRC als Organisation genannt, die mit der Regierung bei Unterbringung, sozialer Anpassung und in allen Aspekten der Integration von Flüchtlingen in Bulgarien zusammenarbeitet. Der RMS arbeitet mit der Staatlichen Agentur für Flüchtlinge beim Ministerrat, dem UNHCR, IOM, der Grenzpolizei u.a. zusammen und unterhält Kontakte zu allen aktiven bulgarischen NGOs. (BRC o.D.)

Die NGO Legal Clinic for Refugees and Immigrants stellt Flüchtlingen kostenlose Rechtsberatung zur Verfügung. Es werden auch inhaftierte Flüchtlinge, Asylwerber und Immigranten betreut. Momentan nimmt die NGO keine neuen Fälle mehr an, die kostenlose Beratung wird aber weiterhin angeboten. Kostenlose Rechtsberatung wird angeboten für Verwaltungsverfahren, Gerichtsverfahren usw. (lcrien o.D.)

Quellen:

AJ - Al Jazeera (19.8.2014): Bulgaria grapples with Mideast refugee surge,

http://www.aljazeera.com/indepth/features/2014/08/bulgaria-grapples-with-mideast-refugee-surge-2014819124227217604.html , Zugriff 5.12.2014

BMB - Border Monitoring Bulgaria (2014): Trapped in Europe's Quagmire. The Situation of Asylum Seekers and Refugees in Bulgaria, http://bulgaria.bordermonitoring.eu/files/2014/07/Hristova-et.al-Trapped-in-Europes-Quagmire.pdf , Zugriff 5.12.2014

BCRM - Bulgarian Council on Refugees and Migrants (o.D.):

http://www.bcrm-bg.org/en/index.html , Zugriff 5.12.2014

BHC - Bulgarian Helsinki Committee (o.D.b): Legal protection of refugees and migrants programme, o.D.

http://www.bghelsinki.org/en/about-us/programs/refugees-and-migrants-legal-protection-programme/ , Zugriff 5.12.2014

BRC - Bulgarian Red Cross (o.D.): Activities, Work with Refugees and Asylum Seekers - Work with Refugees and Asylum Seekers, http://en.redcross.bg/activities/activities8/rms1.html , Zugriff 5.12.2014

EASO - European Asylum Support Office (02.2014): EASO OPERATING PLAN TO BULGARIA. Stock taking report on the asylum situation in Bulgaria, https://zoek.officielebekendmakingen.nl/blg-298373.pdf , Zugriff 5.12.2014

lcrien - Legal Clinic for Refugees and Immigrants (o.D.): Free legal aid, http://lcrien.wordpress.com/our-activities/free-legal-aid/ , Zugriff 5.12.2014

UNHCR (2013): Where is my home? Homelessness and Access to Housing among Asylum-Seekers, Refugees and Persons with International Protection in Bulgaria,

http://www.unhcr-centraleurope.org/pdf/where-we-work/bulgaria/where-is-my-home-bulgaria.html , Zugriff 5.12.2014

UNHCR (04.2014): Bulgaria as a country of asylum. UNHCR Observations on the Current Situation of Asylum in Bulgaria, http://www.refworld.org/cgi-bin/texis/vtx/rwmain?page=publisher&docid=534cd85b4&skip=0&publisher=UNHCR&querysi=bulgaria&searchin=title&sort=date , Zugriff 5.12.2014

UNHCR (7.2.2014): Refugee Situation Bulgaria. External Update, http://www.unhcr-centraleurope.org/pdf/where-we-work/bulgaria/refugee-situation-in-bulgaria-7-february-2014.html?utm_source=Weekly Legal Update&utm_campaign=2c8d13aa9c-WLU_14_02_2014&utm_medium=email&utm_term=0_7176f0fc3d-2c8d13aa9c-419650341 , Zugriff 16.4.2014

VB des BM.I in Bulgarien (4.9.2011): Auskunft des VB, per E-Mail

VB des BM.I in Bulgarien (3.4.2014): Auskunft des VB, per E-Mail

VB des BM.I in Bulgarien (13.6.2014): Bericht des VB, per E-Mail

VB des BM.I in Bulgarien (29.8.2014b): Bericht des VB, per E-Mail

Prüfung subsidiärer Schutz

Gemäß bulgarischer Gesetzgebung wird der subsidiäre Schutz Ausländer gewährt, die gezwungen sind, ihr Herkunftsland wegen der Gefahr eines ernsthaften Schadens zu verlassen. Als ernsthafter Schaden gelten Todesstrafe oder Hinrichtung; reale Gefahr schwerer Angriffe, Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung; sowie persönliche Bedrohung im allgemeinen Sinn, wenn die Lage im Herkunftsland selbst eine Angriffsgefahr darstellt. Zuerst wird geprüft, ob der Antragsteller die Voraussetzungen für den Status als anerkannter Flüchtling erfüllt. Falls der Status "anerkannter Flüchtling" nicht gewährt wird, wird der "subsidiäre Schutz" geprüft. Demgemäß enthalten die Entscheidungen der Flüchtlingsagentur zur Gewährung von subsidiärem Schutz zwei Punkte. Im ersten Punkt wird der Status "anerkannter Flüchtling" negativ beschieden; im zweiten Punkt wird der subsidiäre Schutz gewährt. In solchen Fällen hat der Asylwerber die Möglichkeit, die Entscheidung für die Nichtgewährung des Status "anerkannter Flüchtling" anzufechten (VB 30.9.2014).

Beschwerden gegen Entscheidungen der Staatlichen Flüchtlingsagentur in welchen der Flüchtlingsstatus verwehrt und subsidiärer Schutzstatus gewährt wurde, sind selten. 2014 gab es bis Mitte November nur fünf solcher Beschwerden, von denen zu jenem Zeitpunkt noch keine entschieden war. Während des Beschwerdeverfahrens haben die Beschwerdeführer alle Rechte eines subsidiär Schutzberechtigten. Gemäß dem Verwaltungsprozesskodex werden die Ladungen für die Parteien im Beschwerdeverfahren an die den Behörden zuletzt bekannte Adresse zugestellt. Wenn eine Verfahrenspartei verhindert ist, vertagt das Gericht die Verhandlung. Eine weitere Verschiebung aus demselben Grund ist jedoch nicht erlaubt und das Verfahren wird verhandelt. Gibt es vom Beschwerdeführer keine oder eine falsche Adresse, wird eine Frist von 7 Tagen gestellt, in der dieser Umstand zu beheben ist. Passiert das nicht (und bleiben Ladungen somit unzustellbar), wird das Verfahren eingestellt. Der Antragsteller kann das Verfahren insofern wieder aufnehmen lassen, als es ihm freisteht einen neuen Asylantrag zu stellen. Die Behörden haben den Antrag und auf neue Umstände und Fakten zu prüfen. Im positiven Fall wird der Flüchtlingsstatus zuerkannt und gleichzeitig der subsidiäre Schutz eingestellt (VB 17.11.2014).

Subsidiärer Schutz wird unbefristet gewährt, wobei die Subschutzberechtigten bulgarische Identitätsdokumente mit einer Gültigkeit von 3 Jahren erhalten. Nach Ablauf der 3-jährigen Gültigkeit können neue beantragt werden. Wenn keine gesetzlichen Gründe zur Aufhebung oder Aberkennung des gewährten subsidiären Schutzes bestehen, werden die Dokumente für dieselbe Dauer neu ausgestellt (VB 30.9.2014).

Quellen:

VB des BM.I für Bulgarien (30.9.2014): Bericht des VB, per E-Mail

VB des BM.I für Bulgarien (17.11.2014): Bericht des VB, per E-Mail

Politische Lage

Die Republik Bulgarien hat auf einer Fläche von 110.897 Quadratkilometer 6,9 Mio. Einwohner (7. 2014 est.). Die Bevölkerung setzt sich zusammen aus 76,8% Bulgaren, 8% Türken, 4,4% Roma, und anderen (darunter Russen, Armenier usw.) (CIA 23.7.2014).

Bulgarien ist eine parlamentarische Republik. Staatsoberhaupt ist seit 22.01.2012 Präsident Rosen Plevneliev. Regierungschef ist Premierminister Boiko Borissov. Dessen Partei Gerb wurde in den Neuwahlen vom 5. Oktober mit gut einem Drittel der Stimmen mit Abstand stärkste Kraft im Parlament, das sich aus insgesamt acht Fraktionen zusammensetzt. Gerb und der Reformblock (RB) kommen auf 107 von 240 Sitzen. Um die notwendige parlamentarische Mehrheit von mehr als 120 Sitzen zu erreichen, versicherte sich Borissov der Unterstützung der Patriotischen Front (PF, 19 Sitze) und der Alternative für Bulgarische Widergeburt (ABV, 11 Sitze) (AA 3.2014a / KAS 7.11.2014).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (3.2014a): Bulgarien, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Bulgarien_node.html , Zugriff 5.12.2014

CIA - Central Intelligence Ageny (23.6.2014): The World Factbook:

Bulgaria,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/bu.html , Zugriff 5.12.2014

KAS - Konrad Adenauer Stiftung (7.11.2014): Bulgarien hat eine neue Regierung, http://www.kas.de/bulgarien/de/publications/39439/ , Zugriff 5.12.2014

Rechtsschutz/Justizwesen

Verfassung und Gesetze sehen eine unabhängige Justiz vor, aber Korruption, Ineffektivität und fehlende Verantwortlichkeit sind weiterhin allgegenwärtige Probleme. Das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Justiz ist aufgrund der Wahrnehmung von Einflussnahme und Ungleichheit in der Rechtsprechung extrem niedrig. Der Oberste Justizrat ernennt, diszipliniert und entlässt Richter und Staatsanwälte. Er untersucht angebliches richterliches Fehlverhalten und empfiehlt Maßnahmen. Seine disziplinären Entscheidungen werden als intransparent kritisiert. Mit Oktober 2013 waren 30 Disziplinarverfahren eröffnet worden. In 19 davon wurden Sanktionen ausgesprochen, davon drei Entlassungen. Arbeitsrückstand ist ein Problem bei größeren Kompetenzbereichen und lange Verzögerungen bei Strafverfahren sind üblich. Die Gesetze kennen die Unschuldsvermutung. Verfahren sind in der Regel öffentlich. Geschworenenprozesse gib es keine. Bei Fällen ernster Verbrechen entscheiden ein professioneller und zwei Laienrichter im Kollegium. Geht es um einen Strafrahmen von mehr als 15 Jahren Gefängnis, entscheiden zwei professionelle und drei Laienrichter im Kollegium. Geht es um einen Strafrahmen von mehr als 10 Jahren Gefängnis oder ist der Angeklagte ein Jugendlicher, Fremder oder geistig/körperlich Behinderter, ist ein Verteidiger Pflicht. Verurteilung in Abwesenheit ist möglich, es muss dann aber ein Verteidiger anwesend sein. Es gibt ein Recht auf Beschwerde, das weithin genutzt wird. Es gibt keine Berichte über politische Gefangene. Das Gesetz sieht eine unabhängige und unteilbare Zivilgerichtsbarkeit vor, aber auch hier kommt es zu langen Verzögerungen. Bulgarien unterliegt der Rechtsprechung des EGMR. Laut NGOs ist die Umsetzung der EGMR-Urteile oft mangelhaft (USDOS 27.2.2014).

Das Gerichtssystem umfasst den Verfassungsgerichtshof, den Obersten Gerichtshof, den Obersten Kassationsgerichtshof, den Obersten Verwaltungsgerichtshof, Berufungsgerichte, Militärgerichte und Bezirksgerichte. Der Oberste Justizrat, der Selbstverwaltungskörper der Justiz, ist wohl die meistkritisierte Institution des Justizsystems in Bulgarien. Die Hälfte seiner 25 für fünf Jahre ernannten Mitglieder werden vom Parlament bestellt, was politische Einflussnahme ermöglicht. Obwohl die bulgarische Justiz von Reformen im Zuge des EU-Beitritts profitierte, kam die Europäische Kommission 2012 zu dem Schluss, dass dies zu keinen praktischen Verbesserungen der Verantwortlichkeit geführt hat. Bulgarien wird daher von der Kommission im Rahmen des Cooperation and Verification Mechanism (CVM) streng überwacht. Im Juli 2013 entließ der Oberste Justizrat zum ersten Mal seit 1991 eines ihrer Mitglieder im Zusammenhang mit einem Skandal um Lauschangriffe auf Richter (FH 12.6.2014).

Quellen:

FH - Freedom House (12.6.2014): Nations in Transit - Bulgaria, https://www.ecoi.net/local_link/277845/411140_de.html , Zugriff 5.12.2014

USDOS - US Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Bulgaria, https://www.ecoi.net/local_link/270669/399210_de.html , Zugriff 5.12.2014

Allgemeine Menschenrechtslage

Die zivilen Behörden üben die effektive Kontrolle über die Sicherheitsbehörden aus. Sicherheitsbehörden verübten Fälle von Verstößen gegen die Menschenrechte, darunter übermäßige Gewaltanwendung, willkürliche Verhaftung, Drohung und Einschüchterung. Es gab 2013 auch Vorwürfe betreffend illegale Lauschangriffe. Die Marginalisierung der Roma ist eines der dringendsten Menschenrechtsprobleme des Landes. Problematisch ist auch die Tendenz der Medien zur Selbstzensur aufgrund von Druck aus Unternehmen und Politik. Die Korruption unterminiert weiterhin das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Justiz und andere Regierungsbehörden. Weitere Probleme sind überbelegte Gefängnisse und harte Haftbedingungen. Gewalt gegen Frauen und Kinder, zunehmender Antisemitismus im Internet und Diskriminierung sexueller Minderheiten. Die Regierung unternahm aber Schritte Beamte in Sicherheitsbehörden und anderswo, die sich Verfehlungen zuschulden kommen ließen, anzuklagen und zu bestrafen. Diese Bemühungen sind jedoch ungenügend und Straflosigkeit ist ein Problem (USDOS 27.2.2014).

Die Bürgerrechte werden von der Verfassung garantiert und von allen staatlichen Institutionen respektiert. Bulgarische Bürger werden durch Mechanismen und Institutionen geschützt, die es ermöglichen Verletzungen der Bürgerrechte anzuklagen, zu bestrafen und zu entschädigen. 2012 stellte der EGMR in 58 Fällen zumindest eine Verletzung der EMRK durch Bulgarien fest. Der bulgarische Ombudsmann hat die Möglichkeit bei der Verletzung von Bürgerrechten und -freiheiten zu intervenieren. Die Mehrheit der Beschwerden betrifft die Qualität öffentlicher Leistungen. Frauen haben zwar dieselben Rechte wie Männer, sind aber Diskriminierung bei der Bezahlung ausgesetzt. Der Nationale Rat für Gleichheit zwischen Frauen und Männern unter Leitung des Sozial- und Arbeitsministers ist als hauptsächlich beratendes Gremium für die Einhaltung der Rechte der Frau verantwortlich und fördert die Kooperation und Koordination zwischen NGOs und Regierungsinstitutionen. Die Kommission zum Schutz gegen Diskriminierung ist sehr aktiv. Die Zahl ihrer Fälle nimmt jedes Jahr zu und ethnische Diskriminierung ist ein wichtiger Teil ihrer Arbeit, vor allem strukturelle Diskriminierung. Die Kommission ist dabei immer wieder Anfeindungen nationalistischer Politiker ausgesetzt, die sie beschuldigen ein politisches Instrument der Partei der bulgarischen Türken zu sein (BS 2014).

Quellen:

BS - Bertelsmann Stiftung (2014): Bertelsmann Transformationsindex:

Bulgaria Country Report,

http://www.bti-project.de/fileadmin/Inhalte/reports/2014/pdf/BTI 2014 Bulgaria.pdf , Zugriff 5.12.2014

USDOS - US Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Bulgaria, https://www.ecoi.net/local_link/270669/399210_de.html , Zugriff 5.12.2014

Grundversorgung/Wirtschaft

Nach ansehnlichen Wachstumsraten zwischen 2000 und 2008 - meistens über 6% - ging der weltweite Konjunktureinbruch 2009 auch an Bulgarien nicht spurlos vorüber (BIP: -5,5%). 2010 wurde die Wende geschafft: +0,2%; 2011: +1,8%, 2012: +0,8%; 2013: +0,9%. Das Bruttoinlandsprodukt Bulgariens beträgt rund 40 Mrd. €, das sind zum Vergleich 1,5% des deutschen BIP. Bulgarien ist das ärmste EU-Land mit rund 46% des EU-BIP pro Kopf (nach Kaufkraftstandards; nominal sind es nur rund 20%). Die öffentliche Infrastruktur, insbesondere im Verkehrs- und Gesundheitswesen, sowie bei Bildung und Forschung, ist unterdurchschnittlich entwickelt. Staatliche Unternehmen sind überschuldet (Bahn, Energiesektor, Krankenhäuser) und können nicht privatisiert werden. Das Land leidet zudem unter einem alarmierenden Bevölkerungsrückgang. Die Inflation lag im Jahresdurchschnitt 2011 bei 2,8%, stieg 2012 auf 4,2%, sank dann in der Folge gar auf negative Werte (-1,6% 2013). Die Arbeitslosenquote steigt seit 2010 und hat Ende 2013 13,1% erreicht. Oberste Priorität der Finanzpolitik war bislang ein weitgehend ausgeglichener Staatshaushalt. Soziale und konjunkturbelebende Maßnahmen sowie Bildungsinvestitionen sollen vor allem durch EU-Mittel finanziert werden. Wichtige Wirtschaftszweige sind Energieerzeugung, Nahrungsmittel und Getränke, Metallindustrie, Maschinenbau, Bergbau, Tourismus, Software-Entwicklung, Pharmaindustrie, Landwirtschaft. Bulgarien ist ein wichtiger Standort für Callcenter und technische Unterstützung per Internet (AA 3.2014 c).

Bulgarien wird unter den Ländern mit der höchsten relativen Armutsquote in der Europäischen Union geführt. Wie andere ex-kommunistische Ländern hat Bulgarien erhebliche institutionelle Veränderungen und eine nahezu konstante wirtschaftliche Umstrukturierung erlebt, wodurch viele wichtige wirtschaftliche und soziale Indikatoren in ständigem Fluss waren. Einkommensunterschiede sind für ein europäisches Land recht hoch. Ungleichheit ist strukturell verfestigt, speziell im Falle der Roma. Maßnahmen zur sozialen Inklusion stehen nicht ganz oben auf der Agenda der Regierung, sondern sind eher ein Reagieren auf Schwankungen der Wirtschaft, ohne ausreichende soziale Puffer für arme Haushalte. Sozialleistungen in Bulgarien sind ungenügend und oft von schlechter Qualität, weil chronisch unterfinanziert (BS 2014).

Es gibt in Bulgarien ein verpflichtendes Pensionsversicherungssystem in das Angestellte, Arbeitgeber und Selbständige bestimmte Beträge einzahlen, sowie ein System mit verpflichtenden individuellen Pensionsversicherungen. Der Staat deckt Defizite ab, sowie beitragslose Pensionen. Es gibt eine Invaliditätspension, sowie eine Hinterbliebenenrente. Des Weiteren sind im Rahmen der Sozialversicherung Leistungen für Mutterschaft und Krankheit, sowie für Arbeitsunfälle und Arbeitslosigkeit vorgesehen. Im Rahmen staatlicher Sozialhilfe gibt es einkommensabhängige Leistungen für Familien und Mutterschaft. Die Mindestalterspension liegt bei 150 Leva monatlich; für eine Teilpension gibt es 127,5 Leva; die einkommensabhängige Alterspension (Sozialpension) liegt bei 110 Leva. Die Mindestpension wird jährlich per Gesetz festgelegt. Die Mindestinvalidenrente liegt bei 85% der Mindestalterspension. Die Mindesthinterbliebenenpension liegt bei 50% der Mindestalterspension. Arbeitslosengeld beträgt mindestens 7,20 Leva am Tag; Arbeitslosengeld wird je nach Arbeitsjahren für vier bis 12 Monate ausbezahlt (SSA 9.2014).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (3.2014c): Bulgarien Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_1D8F4460D2D44E6DC74CE196FDBB6E61/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Bulgarien/Wirtschaft_node.html , Zugriff 5.12.2014

BS - Bertelsmann Stiftung (2014): Bertelsmann Transformationsindex:

Bulgaria Country Report,

http://www.bti-project.de/fileadmin/Inhalte/reports/2014/pdf/BTI 2014 Bulgaria.pdf , Zugriff 5.12.2014

SSA - US Social Security Administration (9.2014): Social Security Programs Throughout the World: Europe, 2014, http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1414008400_bulgaria.pdf Zugriff 5.12.2014

Medizinische Versorgung

Das bulgarische Krankenversicherungssystem ist obligatorisch. Es bietet allen Bürgern und Einwohnern des Landes ungeachtet einer möglichen Erwerbstätigkeit einen Versicherungsschutz. Mit dem Gesetz zur Einführung der nationalen Krankenversicherung hat die bulgarische Regierung den nationalen Gesundheitsversicherungsfonds (National Health Insurance Fund, NHIF) eingeführt, der aus 28 regionalen Fonds besteht. Er schließt mit den Leistungserbringern Verträge ab und legt einmal jährlich in Absprache mit dem Gesundheitsministerium den Leistungskatalog fest. Der Versicherungsschutz der nationalen Krankenversicherung deckt die Akut- und die Notversorgung sowie Teile der Arzneimittelversorgung ab. Im ambulanten Sektor zählen Einzelpraxen, Gesundheitszentren und Polikliniken zu den Leistungsanbietern. Haus- beziehungsweise Familienärzte arbeiten meist freiberuflich, Fachärzte als Angestellte in Gesundheitszentren und Krankenhäusern. Für Facharztbesuche ist eine Überweisung des Familienarztes nötig. Allerdings dürfen Hausärzte nur eine begrenzte Anzahl an Patienten pro Monat zum Facharzt überweisen. Ist die Grenze überschritten, muss der Patient entweder warten, oder die Behandlung selbst bezahlen. Die stationäre Versorgung stellen die überwiegend staatlichen Allgemeinkrankenhäuser und spezialisierte Kliniken sicher. Ihre Anzahl ist - gemessen an der Einwohnerzahl - sehr hoch. Sowohl im Krankenhaus als auch beim Arztbesuch und bei Arzneimitteln fallen Zuzahlungen an. Die Selbstbeteiligung zählt zu den höchsten innerhalb der EU. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation müssen die Bulgaren knapp 50% aller Leistungen selbst bezahlen. Die Versorgung in Notfalleinrichtungen, die Krankenhäusern angegliedert sind, ist für alle kostenlos. Private Vollversicherer gibt es nicht. Etwa 16 Unternehmen bieten Zusatzversicherungen an (AOK o.D.).

Pflichtversicherte Personen haben das Recht auf Zugang zu einem Grundpaket an medizinischen Dienstleistungen, die vom Budget der Nationalen Krankenkasse (NZOK) gewährleistet werden:

Medizinische und zahnmedizinische Dienstleistungen zur Vorbeugung von Krankheiten;

Medizinische und zahnmedizinische Dienstleistungen zur frühen Erkennung von Krankheiten;

Ambulante Behandlung und Krankenhausbehandlung zur Diagnose und Behandlung im Falle einer Erkrankung;

Medizinische Rehabilitation;

Ärztliche Soforthilfe;

Medizinische Versorgung bei Schwangerschaft, Entbindung und Mutterschaft;

Hebammendienste für alle Frauen, die nicht krankenversichert sind, in einem Umfang und gemäß den Bestimmungen, die mit einer Verordnung des Ministers für das Gesundheitswesen festgelegt worden sind;

Abtreibungen aus medizinischer Indikation und nach Vergewaltigung;

Zahnmedizinische und zahntechnische Behandlung;

Verschreibung und Abgabe von zugelassenen Arzneimitteln, welche für die häusliche Krankenpflege auf dem Territorium des Landes bestimmt sind;

Verschreibung und Abgabe von medizinischen Erzeugnissen und diätetischen Lebensmitteln für spezielle medizinische Zwecke;

Medizinische Begutachtung der Erwerbsfähigkeit;

Transportdienstleistungen aus medizinischer Indikation.

Wer nicht krankenversichert ist, muss für diese Leistungen zur Gänze selbst bezahlen. Ungeachtet des Krankenversicherungsstatus werden jedoch medizinische Notversorgung und Hebammendienste kostenlos gewährt.

Alle medizinischen Dienstleistungen außerhalb des von der NZOK gewährleisteten Grundpakets, sind durch die Patienten zu bezahlen, und zwar zu Preisen, die von den jeweiligen medizinischen Einrichtungen festgelegt werden.

Die NZOK übernimmt die Bezahlung für einen gewissen Umfang an zahnärztlichen Leistungen pflichtversicherter Personen. Wer nicht krankenversichert ist, muss für diese Leistungen zur Gänze selbst bezahlen. Alles über das Grundpaket hinaus müssen auch pflichtversicherte Personen selbst tragen.

Pflichtversicherte Personen haben das Recht, einen Allgemeinarzt wie auch einen Zahnarzt auszuwählen. Je nach Einschätzung des ausgewählten Allgemeinarztes oder -zahnarztes können krankenversicherte Personen zur Beratung und Durchführung gemeinsamer Behandlung auch an einen Facharzt (z.B. an einen Neurologen, Chirurgen, Frauenarzt o.ä.) bzw. an einen Fachzahnarzt (einen Chirurgen, Kieferorthopäden o.ä.) verwiesen werden. Die Einweisung in ein Krankenhaus können alle Ärzte vornehmen.

Die NZOK übernimmt gänzlich oder teilweise die Kosten für Arzneimittel, medizinische Erzeugnisse und diätetische Lebensmittel für spezielle medizinische Zwecke, welche für die häusliche Krankenpflege pflichtversicherter Personen gedacht sind, und zwar für bestimmte Erkrankungen, die mit einer Verordnung des Gesundheitsministers festgelegt worden sind. Pflichtversicherte Personen, die unter chronischen Erkrankungen leiden, welche in der "Liste der Erkrankungen, bei denen dem chronisch Erkrankten ein Rezepturbuch ausgestellt wird" aufgeführt sind, sind zu einem "Rezepturbuch des chronisch Erkrankten" berechtigt, mit dem man verschriebene Arzneimittel gänzlich oder teilweise durch die NZOK übernommen werden. Die verschriebenen Medikamente dürfen nur in einer Apotheke ausgefolgt werden, die bei der NZOK unter Vertrag steht. Die NZOK übernimmt die Kosten für bis zu drei Arzneimittel, die zugunsten des chronisch Erkrankten zur Behandlung einer Erkrankung für ein und denselben Zeitraum verschrieben worden sind. Unversicherte Personen müssen alles selbst tragen (VB 24.6.2014).

Während der Wirtschaftskrise wurden die Gesundheitsleistungen schlechter. Das Gesundheitssystem gilt in der Öffentlichkeit als größtes Feld der Unzufriedenheit (BS 2014).

Der Gesundheitssektor gilt in Bulgarien als der korrupteste nach der Justiz und den politischen Parteien (FH 12.6.2014).

Quellen:

AOK - Bundesverband (o.D.): Das Gesundheitssystem in Bulgarien, http://www.aok-bv.de/politik/europa/index_01375.html , Zugriff 5.12.2014

BS - Bertelsmann Stiftung (2014): Bertelsmann Transformationsindex:

Bulgaria Country Report,

http://www.bti-project.de/fileadmin/Inhalte/reports/2014/pdf/BTI 2014 Bulgaria.pdf , Zugriff 5.12.2014

FH - Freedom House (12.6.2014): Nations in Transit - Bulgaria, https://www.ecoi.net/local_link/277845/411140_de.html , Zugriff 5.12.2014

VB des BM.I in Bulgarien (24.6.2014): Bericht des VB, per E-Mail

Es folgten in den angefochtenen Bescheiden die Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung zu den beiden Spruchpunkten. Zusammengefasst wurde festgehalten, dass ein von den Beschwerdeführern im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen besonderer, bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer hier relevanten Verletzung des Art. 4 GRC bzw. von Art. 3 EMRK im Falle einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen lassen würde, im Verfahren nicht hervorgekommen sei. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG sei nicht erschüttert worden und es habe sich kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben. Die gesundheitlichen Probleme der Beschwerdeführer seien nicht lebensbedrohlich. Da in Bulgarien auch die medizinische Grundversorgung für Asylwerber ausreichend gegeben sei, könne im gegenständlichen Fall nicht von krankheitsbedingten Abschiebungshindernissen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK gesprochen werden. Insgesamt gesehen gebe es auch keine Hinweise auf einen unzulässigen Eingriff in das durch Art. 8 EMKR gewährleistete Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens, zumal alle gemeinsam aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Bulgarien ausgewiesen werden würden.

1.7. Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, in welchen festgehalten wurde, dass sich zu Beginn des Jahres 2014 gravierende Mängel im bulgarischen Asylwesen gezeigt hätten. Auch wenn nunmehr eine Verbesserung in einigen Bereichen eingetreten sei, seien zumindest in Bezug auf besonders vulnerable Gruppen die Gründe, die gegen eine Überstellung nach Bulgarien sprechen, genau zu prüfen. Im gegenständlichen Fall seien die Beschwerdeführer als Familie mit vier minderjährigen Kindern, wovon eines behandlungsbedürftig sei, zu einer vulnerablen Gruppe zu zählen. Der mj. Viertbeschwerdeführer leide an XXXX und werde medikamentös eingestellt. Die nächste Kontrolle solle am 23.01.2015 erfolgen. Die Zweitbeschwerdeführerin habe seit sechs Jahren eine XXXX, die nunmehr dringend ausgetauscht bzw. entfernt werden müsse, um einer Entzündung vorzubeugen. Sowohl die Unterbringungsmodalitäten als auch die medizinische Versorgung seien in Bulgarien mangelhaft. Bezüglich der Rechtsschutzmöglichkeiten wurde auf die herrschende Korruptionsproblematik und die sonstigen Defizite im Rechtssystem verwiesen. In Fällen misshandelter Asylwerber, die eine Anzeige gegen Polizeibeamte machen würden, sei kein effektiver Rechtsschutz gegeben. Sollten die Beschwerdeführer nach Bulgarien zurückgeschickt werden, sei eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Viertbeschwerdeführers, eine Inhaftierung aller sowie eine anschließende Abschiebung nach Afghanistan nicht auszuschließen.

Im Anhang an die Beschwerden wurden weitere ärztliche Unterlagen vorgelegt. Demnach ist bei der Zweitbeschwerdeführerin die Laufzeit der XXXX abgelaufen und wird ihr ein Wechsel der XXXX bzw. der Umstieg auf eine andere Verhütung empfohlen; es sei derzeit jedoch kein Hinweis auf einen Infekt gegeben.

Der mj. Drittbeschwerdeführer wurde laut ärztlichem Schreiben vom 02.12.2014 bis zum 03.12.2014 nach einem beim Fußballspiel zugezogenen Schädel-Hirn-Trauma an der Unfallchirurgischen Abteilung behandelt. Neben der Einnahme von Tabletten bei Bedarf wurde eine Abschlusskontrolle in einer Woche durch den Hausarzt empfohlen.

Der mj. Viertbeschwerdeführer leidet laut einem Ambulanzbericht vom 03.10.2014, Arztbrief vom 06.10.2014 und einer Kurzinformation vom 28.10.2014 an einer XXXX XXXX XXXX, wobei eine entsprechende XXXX Therapie eingeleitet worden sei. Der stationäre Aufenthalt vom 29.09.2014 bis zum 03.10.2014 habe sich als komplikationslos dargestellt, sodass er am 03.10.2014 beschwerdefrei und in gutem Allgemeinzustand habe entlassen werden können. Als Therapie wurde ihm die Einnahme von Tabletten empfohlen und eine Kontrolle für den 17.10.2014 angesetzt.

Hinsichtlich der mj. Fünftbeschwerdeführerin erfolgte am 30.10.2014 eine stationäre Aufnahme aufgrund von starken Kopfschmerzen. Nach Einleiten einer symptomatischen Therapie habe sich der Kopfschmerz rasch gebessert, sodass sie am 31.10.2014 in gutem Allgemeinzustand habe entlassen werden können. Die Fünftbeschwerdeführerin solle Tabletten gegen die Schmerzen einnehmen und bei Bedarf ein Kopfschmerztagebuch führen.

1.8. Mit Eingabe vom 11.02.2015 wurde insbesondere auf den schlechten Gesundheitszustand des mj. Viertbeschwerdeführers verwiesen, eine Zusammenfassung über ein Gespräch mit ihm vom 05.02.2015 über den ihn betreffenden Vorfall in Bulgarien und - neben den bereits vorgelegten medizinischen Unterlagen - eine aktuelle ärztliche Kurzinformation vom 22.01.2015 übermittelt. Darin wird unter anderem festgehalten: "Die stationäre Aufnahme ... erfolgte bei neuerlichem Krampfgeschehen bei bekannter XXXXXXXX. ... Von neurologischer Seite wird eine Verlaufskontrolle mit Routine-EEG an der hiesigen Ambulanz für den 02.04.2015 vereinbart und eine schrittweise Dosissteigerung derXXXX Therapie auf XXXX. Der weitere klinische Verlauf gestaltet sich unkompliziert, ein weiteres Krampfgeschehen tritt im Rahmen des stationären Aufenthaltes nicht mehr auf. Dementsprechend kann D. am 22.01.2015 in stabilem AEZ nach Hause entlassen werden."

1.9. Am 19.02.2015 wurden die Beschwerdeführer nach Bulgarien überstellt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführer stellten am 03.09.2014 Anträge auf internationalen Schutz in Österreich. Zuvor suchten sie im August 2014 um die Gewährung von Asyl in Bulgarien an.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 01.10.2014 Wiederaufnahmeersuchen an Bulgarien, welche zunächst nicht fristgerecht beantwortet wurden. Letztendlich stimmte Bulgarien mit Schreiben vom 17.10.2014 zu, die Verfahren der Beschwerdeführer gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b der Dublin-III-VO zu führen.

Besondere, in der Person der Beschwerdeführer gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Bulgarien sprechen, liegen nicht vor.

Der Erstbeschwerdeführer leidet an XXXX rechts mehr als links, Zustand bei XXXX, weshalb eine XXXX erfolgen soll.

Der Zweitbeschwerdeführerin wurde ein XXXX oder der Umstieg auf eine andere Verhütung empfohlen, zumal die Laufzeit ihrer XXXX abgelaufen ist; aktuelle Hinweise auf einen Infekt liegen nicht vor. Hinsichtlich ihres vorgebrachten Lähmungsgefühls an der linken Seite ihre Körpers legte sie eine Überweisung an die Neurologie vor. Als Grund der Überweisung wurde eine fachärztliche Untersuchung und Behandlung von XXXX undXXXXangegeben. Ein Ergebnis über diese Untersuchung wurde bis dato nicht vorgelegt.

Der mj. Drittbeschwerdeführer wurde wegen eines Schädel-Hirn-Traumas an der Unfallchirurgischen Abteilung behandelt. Bei Bedarf soll er Tabletten einnehmen und sich zusätzlich einer einmaligen Abschlusskontrolle durch den Hausarzt unterziehen.

Der mj. Viertbeschwerdeführer leidet an einer XXXX XXXX XXXX, wobei eine entsprechende XXXXTherapie eingeleitet wurde. Vom 29.09.2014 bis zum 03.10.2014 war er stationär aufhältig, konnte jedoch danach in gutem Allgemeinzustand entlassen werden. Als Therapie wurde ihm die Einnahme von Tabletten empfohlen und eine Kontrolle für den 17.10.2014 angesetzt. Am 21.01.2015 musste er wegen eines neuerlichen Krampfgeschehens stationär aufgenommen werden, konnte aber gleich am nächsten Tag wieder entlassen werden. Seine Therapie soll in Tablettenform erfolgen. Eine Kontrolle wurde für den 02.04.2015 vereinbart.

Die mj. Fünftbeschwerdeführerin musste am 30.10.2014 wegen starken Kopfschmerzen stationär aufgenommen werden. Nach Einleiten einer symptomatischen Therapie konnte sie am 31.10.2014 in gutem Allgemeinzustand entlassen werden. Sie soll Tabletten gegen die Schmerzen einnehmen und bei Bedarf ein Kopfschmerztagebuch führen.

Hinsichtlich des mj. Sechstbeschwerdeführers wurden trotz Aufforderung keinerlei ärztliche Unterlagen vorgelegt.

Die Beschwerdeführer haben in Österreich keine familiären und keine besonderen privaten Bindungen.

Sie sind am 19.02.2015 nach Bulgarien überstellt worden.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Reiseweg der Beschwerdeführer und zu ihrer Antragstellung in Bulgarien ergeben sich aus dem eigenen Vorbringen in Zusammenhalt mit dem Antwortschreiben der bulgarischen Dublin-Behörde vom 17.10.2014.

Die Feststellung bezüglich der Zustimmung Bulgariens zur Wiederaufnahme der Beschwerdeführer ergibt sich aus dem durchgeführten Konsultationsverfahren zwischen den österreichischen und den bulgarischen Dublin-Behörden.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand ergeben sich ebenfalls aus der Aktenlage (insbesondere aus den vorgelegten ärztlichen Schreiben). Diesbezüglich wurde kein Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren.

Die festgestellten, persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführer ergeben sich aus den eigenen Angaben und der damit im Einklang stehenden Aktenlage.

Eine die Beschwerdeführer konkret treffende Bedrohungssituation in Bulgarien wurde nicht ausreichend substantiiert vorgebracht (siehe dazu die weiteren Ausführungen unten).

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat ergibt sich aus den umfangreichen und durch ausreichend aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen der angefochtenen Bescheide, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen.

Hervorzuheben ist, dass jene in UNHCR-Berichten vom Jänner und Februar 2014 empfohlene Aussetzung von Rückführungen nach Bulgarien nicht mehr aktuell ist. Den Länderfeststellungen zufolge - insbesondere basierend auf dem UNHCR-Update-Bericht vom April 2014 - wird eine vormals ausgesprochene Anregung einer generellen Suspendierung von Dublin-Überstellungen nicht mehr aufrechterhalten.

Der Umstand der am 19.02.2015 erfolgten Überstellung der Beschwerdeführer nach Bulgarien ergibt sich aus einer Information des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.02.2015.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Die gegenständlichen Beschwerden sind nach dem 01.01.2014 beim Bundesverwaltungsgericht anhängig geworden, sodass insgesamt nach der Rechtslage ab diesem Tag vorzugehen ist.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBl I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt. In Asylverfahren tritt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an die Stelle des Bundesasylamtes (vgl § 75 Abs 18 AsylG 2005 idF BGBl I 2013/144).

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Das Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist im vorliegenden Fall in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I 144/2013 anzuwenden. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

...

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I 144/2013 lautet:

§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I 144/2013 lautet:

§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine

Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. ...

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.

Im vorliegenden Fall ist gemäß ihres Art. 49 (Inkrafttreten und Anwendbarkeit) die Dublin III-VO anzuwenden:

Art. 49

Inkrafttreten und Anwendbarkeit

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Die Verordnung ist auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten gestellt werden und gilt ab diesem Zeitpunkt - ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung - für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern. Für einen Antrag auf internationalen Schutz, der vor diesem Datum eingereicht wird, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach den Kriterien der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 .

Die in dieser Verordnung enthaltenen Verweise auf die Verordnung (EU) Nr. 603/2013 , Richtlinie 2013/32/EU und Richtlinie 2013/33/EU gelten, bis zu ihrer jeweiligen Anwendbarkeit, als Verweise auf die Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 , Richtlinie 2003/9/EG bzw. Richtlinie 2005/85/EG .

Da die Dublin III-VO am 29.06.2013 im Amtsblatt der EU veröffentlicht wurde, trat sie am 19.07.2013 in Kraft und gilt jedenfalls für Anträge wie die vorliegenden, die nach dem 01.01.2014 (nach dem ersten Tag des sechsten Monats nach Inkrafttreten der VO) gestellt wurden.

Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO lauten:

Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

Art. 7 Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.

Art. 13 Einreise und/oder Aufenthalt

(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.

(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller - der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können - sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Art. 16 Abhängige Personen

(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.

(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.

(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.

(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

Art. 17 Ermessensklauseln

(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.

Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.

Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.

Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.

Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.

Artikel 18 Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats

(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:

a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;

b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.

(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab.

Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird.

In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird. In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen.

Zur Frage der Unzuständigkeit Österreichs für die Durchführung der gegenständlichen Verfahren pflichtet das Bundesverwaltungsgericht der Verwaltungsbehörde bei, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit Bulgariens ergibt. Dies folgt aus den Regelungen des Art. 13 iVm 18 Abs. 1 lit. b der Dublin-III-VO.

Das Bundesamt hat von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre:

Die bloße Möglichkeit einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigenden notorischen Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter, auf den betreffenden Fremden bezogene Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 09.05.2003, 98/18/0317; 26.11.1999, 96/21/0499; vgl. auch 16.07.2003, 2003/01/0059). "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, 2006/01/0949).

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl. VwGH 17.02.1998, 96/18/0379; EGMR 04.02.2005, 46827/99 und 46951/99, Mamatkulov und Askarov/Türkei Rz 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung, ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK, sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde. Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 25.04.2006, 2006/19/0673; 31.05.2005, 2005/20/0025; 31.03.2005, 2002/20/0582), ebenso weitere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung³, K13 zu Art. 19).

Der EuGH sprach in seinem Urteil vom 10.12.2013, C-394/12 , Shamso Abdullahi/Österreich Rz 60, aus, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO festgelegten Kriteriums zugestimmt hat, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, welche ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC ausgesetzt zu werden.

Mit der Frage, ab welchem Ausmaß von festgestellten Mängeln im Asylsystem des zuständigen Mitgliedstaates der Union ein Asylwerber von einem anderen Aufenthaltsstaat nicht mehr auf die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes durch die innerstaatlichen Gerichte im zuständigen Mitgliedstaat und letztlich den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Wahrnehmung seiner Rechte verwiesen werden darf, sondern vielmehr vom Aufenthaltsstaat zwingend das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-Verordnung (nunmehr Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung) auszuüben ist, hat sich der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10 , N.S./Vereinigtes Königreich, (zu vergleichbaren Bestimmungen der Dublin II-VO) befasst und, ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Entscheidung vom 02.12.2008, 32733/08, K.R.S./Vereinigtes Königreich, sowie deren Präzisierung mit der Entscheidung des EGMR vom 21.01.2011, 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland, ausdrücklich ausgesprochen, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechtes durch den zuständigen Mitgliedstaat, sondern erst systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes durch den Aufenthaltsstaat gebieten (Rn. 86). An dieser Stelle ist auch auf das damit in Einklang stehende Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 14.11.2013 in der Rechtssache C-4/11 , Bundesrepublik Deutschland/Kaveh Puid zu verweisen (Rn. 36, 37).

Somit ist unionsrechtlich zu prüfen, ob im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorherrschen, und - soweit damit noch notwendig und vereinbar - aus menschenrechtlichen Erwägungen, ob die Beschwerdeführer im Falle der Zurückweisung ihrer Anträge auf internationalen Schutz und ihrer Außerlandesbringung nach Ungarn gemäß §§ 5 AsylG und 61 FPG - unter Bezugnahme auf ihre persönliche Situation - in ihren Rechten gemäß Art. 3 und/oder 8 EMRK verletzt werden würden, wobei der Maßstab des "real risk" anzulegen ist, wie ihn EGMR und VfGH auslegen.

Mögliche Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK:

Die angefochtenen Bescheide enthalten - wie oben dargestellt - ausführliche Feststellungen zum bulgarischen Asylwesen. Diese Länderberichte basieren auf einer aktuellen Zusammenstellung der Staatendokumentation des Bundesamtes, zu den einzelnen Passagen sind jeweils detaillierte Quellenangaben angeführt.

Schon vor dem Hintergrund der jüngsten Lagebeurteilung durch UNHCR und der erstinstanzlichen Erwägungen kann nicht erkannt werden, dass im Hinblick auf Asylwerber, die von Österreich im Rahmen der Dublin-VO nach Bulgarien überstellt werden, aufgrund der bulgarischen Rechtslage und/oder Vollzugspraxis systematische Verletzungen von Rechten gemäß der EMRK erfolgen würden, oder dass diesbezüglich eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit im Sinne eines "real risk" für den Einzelnen bestehen würde.

Eine wie in der Entscheidung des EGMR vom 21.01.2011 in der Rechtssache M.S.S./Belgien und Griechenland in Bezug auf Griechenland beschriebene Situation systemischer Mängel im Asylverfahren in Verbindung mit schweren Mängeln bei der Aufnahme von Asylwerbern kann in Bulgarien im Hinblick auf die erstinstanzlichen Länderfeststellungen nicht erkannt werden.

Im gegenständlichen Fall konnten die Beschwerdeführer keine mögliche Gefährdung ihrer Person in Bulgarien, welche die Rechtsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 in Frage stellen könnte, glaubhaft machen.

Dem Vorbringen, dass die Beschwerdeführer gezwungen worden wären, in Bulgarien ihre Fingerabdrücke abzugeben, kommt verfahrensgegenständlich keine Relevanz zu, als EU-Staaten gehalten sind, behauptetermaßen verfolgten Drittstaatsangehörigen ehebaldigst ein Asylverfahren zu eröffnen.

Zur weiteren Behauptung, wonach die bulgarische Polizei den Beschwerdeführern ihr Geld, ihre Handys und ihre Unterlagen unrechtmäßig weggenommen und die Zweitbeschwerdeführerin und einen ihrer Söhne misshandelt habe, ist festzuhalten, dass - bei Zutreffen dieser Behauptungen - die Beschwerdeführer die Rechtsverstöße zur Anzeige bringen hätten können. Es ist jedenfalls nicht davon auszugehen, dass Bulgarien an sich nicht in der Lage und willens wäre, die Beschwerdeführer bei allfälligen gegen sie gerichteten Rechtsverletzungen (auch durch Organwalter) zu schützen und rechtliche Schritte einzuleiten. Von einer generellen Schutzunfähigkeit bzw. Schutzunwilligkeit Bulgariens, eines Rechtsstaates und Mitglieds der EU, ist nicht auszugehen und ergeben sich hiefür auch aus den Länderfeststellungen keine entsprechenden Hinweise.

Für den Fall, dass die Amtshandlungen der Sicherheitskräfte tatsächlich nicht maßhaltend gewesen sein sollten, ist nicht zu erwarten, dass die Beschwerdeführer im Fall einer Dublin-Rücküberstellung (neuerlich) mit Übergriffen von Sicherheitskräften zu rechnen hätten, da diese Rücküberstellung durch geschulte Beamte im Wege einer angekündigten geordneten Übernahme erfolgen würde.

Auch aus dem Umstand, dass sie nach dem illegalen Grenzübertritt in Bulgarien nach eigenen Angaben in Haft angehalten wurden, kann kein Indiz dafür abgeleitet werden, dass die Beschwerdeführer nach einer Überstellung in Bulgarien Grundrechtsverletzungen zu befürchten hätten, zumal die bulgarischen Behörden der Wiederaufnahme ausdrücklich zugestimmt und sich damit zur Durchführung der Asylverfahren bereit erklärt haben. Es geht aus den Länderberichten auch nicht hervor, dass Bulgarien in (menschen-)rechtswidriger Weise Haft über Asylsuchende verhängen würde. Eine solche ist in Bulgarien - wie auch in anderen EU-Mitgliedstaaten - ausschließlich in einem gesetzlich vorgesehenen Rahmen zulässig.

Vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen kann ferner nicht erkannt werden, dass die Beschwerdeführer von einer Kettenabschiebung nach Afghanistan bedroht wären, zumal sie - wie bereits oben dargestellt - im Rahmen der Überstellung offiziell den bulgarischen Behörden übergeben würden, die sich zu ihrer Rücknahme explizit bereit erklärt haben.

Zum Vorbringen, wonach ein Schlepper den mj. Viertbeschwerdeführer als Geisel genommen und gedroht habe, diesen zu töten, da die Beschwerdeführer seiner Ansicht nach zu wenig Geld an ihn gezahlt hätten, ist zu sagen, dass es sich hierbei lediglich um eine in den Raum gestellte Behauptung handelt, die nicht geeignet ist, eine reale Gefahr der Verletzung des Art. 3 EMRK darzustellen. Im Übrigen haben sich die Beschwerdeführer bei der Schilderung dieses Vorfalls widersprochen. So hat der Erstbeschwerdeführer gemeint, dass sich das Geschehen nur ein paar Tage nach der Ankunft in Bulgarien ereignet haben soll (vgl. AS 93 des Verwaltungsaktes des Erstbeschwerdeführers), wohingegen die Zweitbeschwerdeführerin den Vorfall zeitlich in die letzten Tage ihres Aufenthaltes in Bulgarien eingeordnet hat (vgl. AS 95 des Verwaltungsaktes der Zweitbeschwerdeführerin).

Die Beschwerdeführer haben darüber hinaus dargetan, dass der Schlepper eng mit der bulgarischen Polizei vernetzt gewesen sei, sodass eine Anzeige nichts gebracht hätte. Aus der gesamten, dem gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegten Berichtslage gibt es jedoch keinerlei Anhaltspunkte, dass bulgarische Sicherheitsbehörden die öffentliche Sicherheit in Bulgarien nicht regelmäßig gewährleisten könnten oder dass im bulgarischen Asylwesen eine rechtswidrige Zusammenarbeit von Schleppern mit bulgarischen Behörden oder Polizeibeamten zu beobachten wäre.

Die Beschwerdeführer brachten ferner vor, dass die (Versorgungs-) Lage in Bulgarien schlecht gewesen sei. Nach der aktuellen UNHCR-Empfehlung vom April 2014 ist allerdings eine Verbesserung der Situation eingetreten und wird die in den Berichten von UNHCR vom Jänner und Februar 2014 empfohlene Aussetzung von Rückführungen nach Bulgarien nicht aufrechterhalten. Im Falle einer Überstellung haben die Beschwerdeführer Behördenkontakt, sodass sie entsprechend den Feststellungen die ihnen dort zustehenden (medizinischen) Versorgungs-, Unterkunfts-, und Sozialleistungen erhalten werden.

Medizinische Krankheitszustände; Behandlung in Bulgarien:

Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Bulgarien nicht zulässig wäre, wenn durch die Überstellung eine existenzbedrohende Situation drohte und diesfalls das Selbsteintrittsrecht der Dublin VO zwingend auszuüben wäre.

Sofern in der Beschwerde die medizinische Versorgung in Bulgarien bemängelt wird, ist vorerst auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9) zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).

Zusammenfassend führt der VfGH aus, dass sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).

Weitere Rechtsprechung des EGMR (N vs UK, 27.05.2008) und Literaturmeinungen (Premiszl, Migralex 2/2008, 54ff, Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren") bestätigen diese Einschätzung, wobei noch darauf hinzuweisen ist, dass EU-Staaten verpflichtet sind, die Aufnahmerichtlinie umzusetzen und sohin jedenfalls eine begründete Vermutung des Bestehens einer medizinischen Versorgung besteht.

Aus diesen Judikaturlinien des EGMR ergibt sich jedenfalls der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Prüfungsmaßstab.

Nach der geltenden Rechtslage ist eine Überstellung dann unzulässig, wenn die Durchführung eine in den Bereich des Art. 3 EMRK reichende Verschlechterung des Krankheitsverlaufs oder der Heilungsmöglichkeiten bewirken würde (siehe Feststellungen des Innenausschusses zu § 30 AsylG 2005 in der Stammfassung); dabei sind die von den Asylinstanzen festzustellenden Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat als Hintergrundinformation beachtlich, sodass es sich quasi um eine "erweiterte Prüfung der Transportfähigkeit" handelt.

Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung der Art. 3 EMRK- Relevanz einer psychischen Erkrankung angesichts einer Abschiebung sind Aufenthalte in geschlossenen Psychiatrien infolge von Einweisungen oder auch Freiwilligkeit, die Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität der Inanspruchnahme medizinisch-psychiatrischer Leistungen, die Möglichkeit einer wenn auch gemessen am Aufenthaltsstaat schlechteren medizinischen Versorgung im Zielstaat sowie die vom Abschiebestaat gewährleisteten Garantien in Hinblick auf eine möglichst schonende Verbringung. Rechtfertigen diese Kriterien eine Abschiebung, hat eine denkmögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustands außer Betracht zu bleiben, geschweige denn vermag die Verursachung von überstellungsbedingtem mentalen Stress eine Abschiebung unzulässig machen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Angaben zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführer und die vorgelegten ärztlichen Bestätigungen berücksichtigt und kommt zu dem Ergebnis, dass keiner von ihnen eine psychische oder physische Erkrankung aufweist, die jene Gravität erreichen würde, dass sie eine Unzulässigkeit der Überstellung nach Bulgarien nach sich ziehen würde.

Zum gesundheitlichen Zustand des Erstbeschwerdeführers ist anzuführen, dass bei ihm eine XXXX (mehr ausgeprägt auf der rechten als der linken Seite) diagnostiziert und eine XXXX für notwendig erachtet wurde. Eine lebensbedrohliche Erkrankung des Erstbeschwerdeführers konnte nicht festgestellt werden.

Dies gilt auch in Hinblick auf die Zweitbeschwerdeführerin, deren Probleme gynäkologischen Ursprungs sind und sich im Wesentlichen darauf reduzieren, dass die Laufzeit ihrer XXXX abgelaufen ist. Aktuell leidet sie dadurch jedoch an keine gesundheitlichen Beschwerden, soll aber aus ärztlicher Sicht weitere Maßnahmen setzen (konkret wurde ihr ein XXXXXXXX oder der Umstieg auf andere Verhütungsmittel empfohlen). Zu jenen in der Einvernahme vom 28.10.2014 aufgezeigten Beschwerden, wonach sie aufgrund der Misshandlung durch die bulgarische Polizei Lähmungserscheinungen an ihrer linken Körperhälfte verspüre, ist zu sagen, dass in dem von ihr vorgelegten Überweisungsschreiben an eine Neurologie von Kopfschmerzen und Empfindungsstörungen die Rede ist, und zum anderen die Beschwerden nicht auf die Zeit ihres Aufenthaltes in Bulgarien zurückgeführt werden können, zumal sie diese laut eigenen Angaben schon seit ungefähr sechs Monaten (demnach seit April 2014) habe. Die Einreise in Bulgarien erfolgte jedoch Mitte August 2014. Ergebnisse hinsichtlich der Neurologie-Untersuchung wurden bis dato nicht vorgelegt.

Auch die übrigen Beschwerden des Drittbeschwerdeführers (behandeltes Schädel-Hirn-Trauma), des Viertbeschwerdeführers (XXXXXXXX XXXX) und der Fünftbeschwerdeführerin (Migräneattacke) weisen offenkundig keine solche besondere Schwere auf, die nach o.a. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes zu Art. 3 EMRK eine Überstellung nach Bulgarien als eine unmenschliche Behandlung erscheinen ließe; insbesondere besteht auch kein konkreter Anhaltspunkt dafür, dass die erwähnten, einzelnen Erkrankungen akut lebensbedrohlich wären. Darüber hinaus wurden die genannten Beschwerden in Österreich behandelt bzw. therapiert, sodass die Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer alle wieder in gutem Allgemeinzustand nach einer stationären Aufnahme entlassen werden konnten.

An dieser Stelle ist noch insbesondere zum mj. Viertbeschwerdeführer zu sagen, dass dieser zwar laut einem ärztlichen Schreiben vom 22.01.2015 neuerlich aufgrund eines Krampfanfalls bei der bereits bekannten XXXXXXXX kurz für einen Tag stationär aufgenommen wurde, jedoch handelt es sich bei seinem diagnostizierten Krankheitsbild jedenfalls nicht um einen existenzbedrohenden oder tödlichen Krankheitszustand; es ist insbesondere nicht davon auszugehen, dass sich der Gesundheitszustand des Viertbeschwerdeführers im Falle einer Überstellung nach Bulgarien in einem lebensbedrohenden Maße verschlechtern wird. Diese Sichtweise wird durch den relativ weit in die Zukunft gelegten Kontrolltermin (02.04.2015) eines näher bezeichneten Krankenhauses gestützt. Das ärztliche Schreiben ließ keine akute Gefährdung erkennen. Es ergaben sich auch keine Hinweise auf einen akuten intensivmedizinischen Behandlungsbedarf. Im vorliegenden Fall eines im Familienverbund stehenden Minderjährigen, der keinen akut existenzbedrohenden Befund aufweist und sich im Zeitpunkt kurz vor der Überstellung am 19.02.2015 nicht in stationärer Behandlung befand, kann keine entscheidend andere Einschätzung getroffen werden, als sie vom Bundesamt vorgenommen wurde. Für das erkennende Gericht bestehen auch keine Zweifel, dass bei der Überstellung die zuständigen österreichischen Organe auf den Gesundheitszustand des Viertbeschwerdeführers hinreichend Bedacht genommen haben, andernfalls sie ihr Handeln mit Rechtswidrigkeit belasten würden.

Zudem ergibt sich aus den getroffenen Länderfeststellungen, dass eine ausreichende medizinische Versorgung für Asylwerber in Bulgarien zur Verfügung steht. Es ist somit davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer bei Bedarf notwendige ärztliche Untersuchungen auch in Bulgarien durchführen können.

Hinsichtlich des mj. Sechstbeschwerdeführers wurden zwar psychische Probleme ins Treffen geführt, jedoch keine medizinischen Unterlagen in Vorlage gebracht. Über Nachfrage wurde sogar dargelegt, dass sich der Sechstbeschwerdeführer nicht in Behandlung befinde, weshalb nicht davon auszugehen ist, dass seine Beschwerden gravierend wären.

Mögliche Verletzung von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK:

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem auch, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt. Ein Recht auf Familienleben gem. Art. 8 EMRK kann sich nicht nur in Bezug auf die Kernfamilie ergeben, sondern auch auf andere verwandtschaftliche Verhältnisse (wie bspw. zwischen erwachsenen Geschwistern), insofern bestimmte Voraussetzungen einer hinreichend stark ausgeprägten Nahebeziehung erfüllt sind. Diese Voraussetzungen sind u.a. gegenseitige finanzielle Abhängigkeit, ein gemeinsamer Wohnsitz sowie sonstige Abhängigkeit wie beispielsweise gegenseitige Pflege.

Im gegenständlichen Fall liegt ein Familienverfahren vor. Während des gesamten Verfahrens haben die Beschwerdeführer keine anderweitigen familiären Anknüpfungspunkte in Österreich ins Treffen geführt. Der Erstbeschwerdeführer hat lediglich einen in Deutschland lebenden Neffen und einen in der Schweiz aufhältigen Stiefbruder erwähnt.

Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte - im Inland befindliche - Familie betroffen, wie auch im vorliegenden Beschwerdefall, greift sie allenfalls lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein.

Nachdem keine besonderen Integrationsschritte der Beschwerdeführer ersichtlich sind, ist in casu der Eingriff in ihr Privatleben als gerechtfertigt anzusehen, womit keine Verletzung des Art. 8 EMRK vorliegt.

Da die Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erlassung der gegenständlichen Entscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhältig waren, war festzustellen, dass die aufenthaltsbeendende Maßnahme zum Zeitpunkt der Erlassung rechtmäßig war. Nach den Informationen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurden die Beschwerdeführer am 19.02.2015 nach Bulgarien überstellt.

Nach § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

In seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, Zlen. Ra 2014/20/0017 und 0018, erachtete der Verwaltungsgerichtshof für die Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG folgende Kriterien als maßgeblich: "Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen."

Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der Feststellung der Zuständigkeit des Mitgliedstaates Bulgarien zur Prüfung der Anträge der Beschwerdeführer und der Zulässigkeit der Außerlandesbringung gegeben. Der Sachverhalt ist im gegenständlichen Fall aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerden als geklärt anzusehen. Es ergab sich sohin auch kein Hinweis auf die Notwendigkeit, den maßgeblichen Sachverhalt mit den Beschwerdeführern zu erörtern (vgl. VwGH 23.01.2003, 2002/20/0533, VwGH 01.04.2004, 2001/20/0291).

Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 17 BFA-VG lagen zu keinem Zeitpunkt des gegenständlichen Verfahrens vor.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im vorliegenden Fall liegen die tragenden Elemente der Entscheidung allein in der Bewertung der Asyl- und Aufnahmesituation im Mitgliedsstaat, die auf den umfassenden und aktuellen Feststellungen der Behörde über die Lage im Vertragsstaat beruht, sowie in der Bewertung der Intensität des Privat- und Familienlebens der Beschwerdeführer und demgemäß in Tatbestandsfragen.

Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte und des EGMR bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den rechtlichen Erwägungen wiedergegeben.

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