BVwG W123 2133597-2

BVwGW123 2133597-213.10.2016

ABGB §914
BVergG 2006 §106 Abs7
BVergG 2006 §12 Abs1 Z3
BVergG 2006 §123
BVergG 2006 §126
BVergG 2006 §127
BVergG 2006 §129 Abs1 Z7
BVergG 2006 §19 Abs1
BVergG 2006 §2 Z8
BVergG 2006 §291
BVergG 2006 §292 Abs1
BVergG 2006 §3 Abs1 Z2
BVergG 2006 §312 Abs1
BVergG 2006 §312 Abs2 Z2
BVergG 2006 §318 Abs1
BVergG 2006 §319 Abs1
BVergG 2006 §319 Abs2
BVergG 2006 §320 Abs1
BVergG 2006 §321 Abs1
BVergG 2006 §322 Abs2
BVergG 2006 §4
BVergG 2006 §97 Abs2
BVergG 2006 §97 Abs3
BVergG 2006 §98 Abs7
BVergG 2006 §98 Abs8
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
ABGB §914
BVergG 2006 §106 Abs7
BVergG 2006 §12 Abs1 Z3
BVergG 2006 §123
BVergG 2006 §126
BVergG 2006 §127
BVergG 2006 §129 Abs1 Z7
BVergG 2006 §19 Abs1
BVergG 2006 §2 Z8
BVergG 2006 §291
BVergG 2006 §292 Abs1
BVergG 2006 §3 Abs1 Z2
BVergG 2006 §312 Abs1
BVergG 2006 §312 Abs2 Z2
BVergG 2006 §318 Abs1
BVergG 2006 §319 Abs1
BVergG 2006 §319 Abs2
BVergG 2006 §320 Abs1
BVergG 2006 §321 Abs1
BVergG 2006 §322 Abs2
BVergG 2006 §4
BVergG 2006 §97 Abs2
BVergG 2006 §97 Abs3
BVergG 2006 §98 Abs7
BVergG 2006 §98 Abs8
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:W123.2133597.2.00

 

Spruch:

W123 2133597-2/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Michael ETLINGER als Vorsitzenden sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Wolfgang WIMMER als Mitglied der Auftraggeberseite und Mag. Hagen PLEILE als Mitglied der Auftragnehmerseite über den Antrag der 1. XXXX, 2. XXXX, beide vertreten durch HULE BACHMAYR-HEYDA NORDBERG Rechtsanwälte GmbH, Franz-Josefs-Kai 47, 1010 Wien, betreffend das Vergabeverfahren "Baumeisterarbeiten Universitätsring 1, 1010 Wien" des Auftraggebers Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H., Hintere Zollamtsstraße 1, 1030 Wien, vom 29.08.2016, zu Recht erkannt:

A)

I.

Der Antrag, das Bundesverwaltungsgericht möge die Ausscheidensentscheidung der Antragsgegnerin vom 19.08.2016 für das Vergabeverfahren "Baumeisterarbeiten Universitätsring 1, 1010 Wien" für nichtig erklären, wird abgewiesen.

Rechtsgrundlage: §§ 19 Abs. 1, 97 Abs. 2 und 3, 98 Abs. 7 und 8, 106 Abs. 7, 129 Abs. 1 Z 7 iVm 312 Abs. 2 Z 2 und 320 Abs. 1 BVergG 2006

II.

Der Antrag, das Bundesverwaltungsgericht möge die Zuschlagsentscheidung der Antragsgegnerin vom 19.08.2016 für das Vergabeverfahren "Baumeisterarbeiten Universitätsring 1, 1010 Wien" für nichtig erklären, wird zurückgewiesen.

Rechtsgrundlage: § 320 Abs. 1 BVergG 2006

III.

Der Antrag, das Bundesverwaltungsgericht möge der Antragsgegnerin binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution den Ersatz der Pauschalgebühren auferlegen, wird abgewiesen.

Rechtsgrundlage: § 319 BVergG 2006

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schriftsatz vom 29.08.2016 stellten die Antragsteller die im Spruch ersichtlichen Begehren und brachten im Wesentlichen vor:

Mit Schreiben vom 19.08.2016 habe die Auftraggeberin den Antragstellern mitgeteilt, dass der Zuschlag der Firma XXXXerteilt werden solle und das Angebot der Antragsteller gleichzeitig auszuscheiden sei, da die Antragsteller vermeintlich vorhandene echte Bieterlücken nicht ausgefüllt hätten und außerdem die Referenz nicht der Ausschreibung entspreche.

Die Antragsteller hätten alle tatsächlich echten Bieterlücken des Leistungsverzeichnisses ausgefüllt. Die Antragsteller hätten ihrem Angebot ein Beiblatt beigelegt, in dem jede einzelne Bieterlücke mit der Positionsnummer laut Leistungsverzeichnis angeführt sei und angegeben, was für ein Produkt oder Material sie anbieten würden. Sofern die Ausschreibung das Produkt, Material oder die Verfahrensart hinreichend konkret beschreibe, hätten die Antragsteller das von der Ausschreibung vorgegebene Produkt, Material oder Verfahrensart angeboten. Zudem handle es sich bei den von der Auftraggeberin genannten sieben Positionen nicht um echte Bieterlücken, da die Leistungen in jenen Positionen des Leistungsverzeichnisses bereits so konkret umschrieben gewesen seien, dass die Ausschreibung hier nicht offengelassen habe, welches Produkt oder welche Leistung der Bieter zu erbringen habe. Und selbst wenn es sich bei einer der von der Auftraggeberin behaupteten Positionen des Leistungsverzeichnisses um eine echte Bieterlücke gehandelt hätte, wäre das unterbliebene Ausfüllen in concreto kein unbehebbarer Mangel gewesen.

Die Auftraggeberin behaupte, dass die Antragsteller die zum Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit geforderten Projektreferenzen nicht erfüllt hätten. Angeblich seien zwei Referenzprojekte keine solche gewesen, die unter Denkmalschutz gestanden seien. Bei den Objekten Wollzeile 1-3 und Engerthstraße 43-49, bei welchen die Auftraggeberin fälschlicherweise vermeinte, sie hätten nicht den Referenzanforderungen entsprochen, sei jeweils eine Komplettsanierung vorzunehmen gewesen. Auch bei diesen Gebäuden habe es sich um solche, die einen historischen und erhaltenswürdigen Altbaubestand aufwiesen, gehandelt. Dessen ungeachtet würden die Antragsteller über diverse Referenzen zu denkmalgeschützten Gebäuden, bei denen das Auftragsvolumen über EURO 5.000.000,-

gelegen habe und die auch sonst alle in Punkt 2.2 der Ausschreibungsunterlagen geforderten Mindestanforderungen erfüllen würden, verfügen. Die Auftraggeberin wäre an sich nach §§ 126, 127 BVergG verpflichtet gewesen, allfällige Zweifel an Referenzen im Zuge der Angebotsprüfung aufzuzeigen und mit den Antragstellern zu erörtern. Die Vorlage jener Referenzen würde keinen unbehebbaren Mangel darstellen, da die Referenzen zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung ja bereits vorgelegen seien und somit nur der Nachweis des an sich bereits bestehenden Umstandes fehlte, womit der Mangel behebbar sei.

2. Am 02.09.2016 erteilte die Auftraggeberin allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren und nahm zum gesamten Antragsvorbringen Stellung.

Im Leistungsverzeichnis würden sich sowohl echte Bieterlücken, als auch unechte Bieterlücken finden. Echte Bieterlücken hätten den Zweck, dass der Auftraggeber ausschließlich anhand objektiver Merkmale angebe, welche Leistung er erwarte. Der Bieter müsse ein Produkt auswählen und anbieten. Dazu seien in der Ausschreibung Bieterlücken vorgesehen, die der Bieter ausfüllen müsse. Fülle er sie nicht oder nur unzureichend aus, sei dem Auftraggeber die Prüfung gemäß § 123 BVergG verwehrt, ob die angebotene Leistung der nachgefragten Leistung entspreche und ob die Preise angemessen seien. Demnach sei das Ausfüllen dieser echten Bieterlücken unbedingt erforderlich, um ein gültiges Angebot abzugeben. Aus dem Angebot der Antragsteller ergebe sich, dass diese echte Bieterlücken des gegenständlichen Leistungsverzeichnisses nicht ausgefüllt hätten.

Das Vorbringen im Nachprüfungsantrag, wonach im Angebot der Antragsteller ein Beiblatt beigelegt sei, könne nicht nachvollzogen werden. Ein solches Beiblatt sei dem Angebot der Antragsteller nicht beigelegen; es sei auch im Angebotseingangsverzeichnis und in der Niederschrift zur Angebotsöffnung im Angebot der Bieter unter Punkt

19.9 "Sonstige Beilagen" nicht erwähnt und der Auftraggeberin sohin unbekannt. Bei der Angebotsöffnung sei die nicht vorhandene Unterlage sohin auch nicht verlesen worden. Der dabei anwesende Vertreter der Antragsteller habe auch nicht eingewandt, dass dem Angebot eine solche Unterlage beiliege und verlesen worden sei. Dadurch, dass die Antragsteller die Bieterlücken in den besagten Positionen nicht ausgefüllt hätten, sei der Leistungsgegenstand nicht definiert und das Angebot damit unvollständig. Bei nicht ausgefüllten echten Bieterlücken handle es sich gemäß ständiger Rechtsprechung um einen nicht behebbaren Mangel, da durch die Möglichkeit der Mängelbehebung und die dem Bieter zusätzlich zur Verfügung gestellte Zeit eine materielle Verbesserung der Wettbewerbsstellung gegenüber den anderen Bietern eintreten würde.

Im Zuge der Angebotsprüfung zu den Projektreferenzen sei festgestellt worden, dass die Projekte Nummer 1 und Nummer 2 nicht in der Liste der denkmalgeschützten Gebäude des Bundesdenkmalamtes stünden und in den Grundbuchsauszügen dieser beiden Liegenschaften keine entsprechende Vermerke vorhanden seien. Sohin hätten die Antragsteller gemeinsam mit dem Angebot nicht drei Projektreferenzen, welche den Mindestanforderungen der Beilage entsprechen würden, vorgelegt und hätten daher nicht den Anforderungen der gegenständlichen Ausschreibung entsprochen. In weiterer Folge hätten die Antragsteller nach Mitteilung der Ausscheidensentscheidung unaufgefordert Referenzen übermittelt. Unabhängig dessen, dass es keine Prüfpflicht der Auftraggeberin von Unterlagen, die Bieter nach dem ihnen mitgeteilten Ausscheiden "nachschieben", gebe, habe die Auftraggeberin diese Referenzen einer Erstsichtung unterzogen und bereits dabei festgestellt, dass auch diese Referenzen nicht den Ausschreibungsunterlagen bzw. den Mindestanforderungen entsprechen würden.

Wie oben dargelegt, sei das Angebot der Antragsteller zu Recht ausgeschieden worden. Es komme daher für eine Zuschlagsentscheidung nicht in Betracht und könne den Antragstellern kein Schaden iSd § 320 Abs. 1 Z 2 BVergG erwachsen.

3. Am 05.09.2016 erstattete die präsumtive Zuschlagsempfängerin eine Stellungnahme zum Nachprüfungsantrag und führte zum Ausscheidensgrund "Referenzprojekt" aus, dass die Auftraggeberin zutreffend den nicht erfolgten Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit als Ausscheidungsgrund angenommen habe. Die von den Antragstellern vorgelegten Referenzen würden in mehrfacher Hinsicht nicht den Mindestanforderungen der Ausschreibung entsprechen.

4. Am 05.10.2016 erstatteten die Antragsteller eine Äußerung und verwiesen auf die in den Angebotsbedingungen enthaltenen Bestimmungen zu den Bieterlücken. Danach habe für die Bieter kein Zwang bestanden, ein Produkt oder Erzeugnis in eine Bieterlücke einzufüllen. Die Ausschreibung würde gerade nicht zwischen echten und unechten Bieterlücken, also Bieterlücken mit und Bieterlücken ohne Leitprodukt, differenzieren. Bei objektivem Verständnis eines durchschnittlich fachkundigen Bieters habe die Auftraggeberin den Eindruck vermittelt, die im Leistungsverzeichnis enthaltenen 29 Bieterlücken wären nur unechte.

Die Antragsteller hätten mit dem Angebot auf dem abgegebenen Datenträger sämtliche Bieterlücken ausgefüllt, in welchem sie explizit angeführt hätten, jeder der insgesamt 29 Bieterlücken wie ausgeschrieben anzubieten. Dies gelte auch für jene 7 Bieterlücken, welche die Auftraggeberin zur Begründung der Ausscheidensentscheidung herangezogen habe.

Jene 7 Bieterlücken hätten überdies keine Auswirkung auf die Qualität, keine Auswirkung auf den Gesamtangebotspreis und keine Auswirkung auf die Bieterreihung. An der Bieterreihung hätte ein anderes Ausfüllen überhaupt nichts geändert. Ebenso wenig hätten jene 7 Bieterlücken irgendeine Auswirkung auf die Wettbewerbsstellung sowohl der Antragsteller als auch der übrigen Bieter.

5. Am 07.10.2016 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. Die Niederschrift lautet auszugsweise:

R: Verwiesen wird auf den verfahrenseinleitenden Schriftsatz vom 29.08.2016, II., 7, 7 Punkt 2.

Der Vertreter der Antragsteller verweist auf die Beilage 7 der Äußerung vom 05.10.2016. Verwiesen wird ferner auf den Datenträger. Die eingesetzten Bieterlücken befinden sich auf dem Datenträger.

Vom Auftraggeber wird ausgeführt, dass verbindlich für das Angebot die Papierform ist. Daher haben wir ein Kurz-LV, das abgegeben wurde von den Antragstellern und auch ein Lang-LV, das entweder preislich ausgefüllt sein kann. In unserem Falle nicht, weil die Antragsteller das Lang-LV nicht händisch ausgefüllt haben. Daher wurden auch keine Bieterlücken im Lang-LV ausgefüllt. Dem Kurz-LV (= Ausdruck des Datenträgers) lag kein Bieterlückenprotokoll bei. Auch im Angebotsöffnungsprotokoll findet sich keine Verlesung von der Antragstellerin, das ein Bieterlückenprotokoll Teil des Angebots war. Der von der Antragstellerin bei der Angebotsöffnung anwesende Mitarbeiter hat bei der Angebotseröffnung auch nicht reklamiert, dass das nunmehr im Nachhinein behauptete Bieterlückenprotokoll auch verlesen wäre.

Der Vertreter der Antragstellerin führt aus, dass die Auftraggeberin ausdrücklich eine Angebotsabgabe mit Datenträger zugelassen hat. Ich verweise auf die Einladung zur Angebotsabgabe und Angebotsbestimmungen. Ziffer 8 der Datenträger ist genormt gemäß der ÖNORM B 2063 und manipulationssicher. Die Vorgabe des Auftraggebers für den Fall der Abgabe auf Datenträger war, dass neben dem automationsunterstützten Angebot auch das Kurzleistungsverzeichnis, sowie die Beschreibung der Leistung in ausgedruckter Form abzugeben ist. Die Abgabe des Bieterlückenprotokolls auch in ausgedruckter Form war nicht verlangt. Aus diesem Grund hat die Antragstellerin das Bieterlückenprotokoll nur auf dem Datenträger abgegeben. Im Übrigen hätte die unterlassene Abgabe des Bieterlückenprotokolls in ausgedruckter Form nur einen behebbaren Mangel dargestellt.

AG-Vertreter: Es gibt ein Bundesvergabegesetz. Verwiesen wird auf § 107 Absatz 1 BVergG. Es ist vollkommen unlogisch und auch vollkommen praxisfern zu allen Ausschreibungen, dass Bieter Kurz-LVs ausfüllen, aber nicht die Bieterlücken, die Teil des Kurz-LV sind, ebenso wie das Kurz-LV ausdrucken und als Teil des Angebotes vorlegen. Dies erfolgt standardmäßig, dass Bieter bei Standardbauausschreibungen der BIG bei Ausdruck des Kurz-LVs auch das Bieterlückenprotokoll als Teil des Angebotes abgeben zum Angebotsabgabezeitpunkt. Des Weiteren verweise ich auf die Einladung zur Angebotsabgabe Punkt 8 letzter Absatz.

Das von der Antragstellerin vorgelegte Bieterlückenprotokoll, Beilage 7, war nach Auskunft des Auftraggebers am Datenträger vorhanden.

Auf die Frage des VR, wie die anderen Bieter die Bieterlücken ausgefüllt haben, gibt der Auftraggeber-Vertreter an, dass diese entweder handschriftlich im Lang-LV ausgefüllt haben oder das Bieterlückenprotokoll im Kurz-LV abgegeben haben.

Dem Senat werden anhand des Angebotes der präsumtiven Zuschlagsempfängerin die Bieterlückentexte gezeigt, in der Produkte eingeführt wurden. Ferner wird auf das Lang-LV verwiesen, in dem die Produkte ebenfalls eingetragen worden sind.

Antragsteller verweist darauf, dass eben jenes Bieterlückenprotokoll auf Datenträger abgegeben wurden, nachdem die Antragsteller kein vom Leistungsverzeichnis abweichendes Fabrikat oder Produkt angeboten haben, besteht insofern auch keine Differenz zwischen dem Papierausdruck des Angebotes und dem Datenträger. Im Übrigen sind die Antragsteller der Auffassung, dass es sich gerade nicht um echte Bieterlücken handelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1. Die Auftraggeberin hat die gegenständlichen Leistungen im Wege eines offenen Verfahrens ausgeschrieben. Die Bekanntmachung in Österreich erfolgte am 30.06.2016, die EU-weite am 02.07.2016.

2. Punkt 2 der "Einladung zur Angebotsabgabe und Angebotsbestimmungen" steht unter der Überschrift "Bieterlücken".

Dieser lautet auszugsweise:

Die in Leistungsverzeichnissen namentlich angeführten bestimmten Leitprodukte (Referenzfabrikate, Typen, Erzeugnisse, Systeme oder Materialien) sollen, über die Leistungsbeschreibung hinausgehend, den gewünschten Standard festlegen. Sofern der Positionstext "oder gleichwertiger Art" enthält, kann der Bieter ein Fabrikat, Type, Erzeugnis, System oder Material seiner Wahl anbieten. [...]

[...]

Setzt ein Bieter bei den entsprechenden Positionen in die hierfür vorgesehenen Zeilen (Bieterlücken) keine Fabrikate und Typen, Erzeugnisse, Systeme oder Materialien seiner Wahl ein, so gelten die beispielhaft angeführten Leitprodukte (Referenzfabrikate und Typen) als angeboten.

3. Die ständigen Vorbemerkungen im Leistungsverzeichnis, Positionsnummer 03, Brandschutzmaßnahmen BPH 4, lauten auszugsweise:

3. Material/Erzeugnis/Type/Systeme:

Bauprodukte (z. B. Baumaterialien, Bauelemente, Bausysteme) werden mit dem Begriff Material bezeichnet, für technische Geräte und Anlagen werden die Begriffe Erzeugnis/Type/Systeme verwendet.

4. Bieterangaben zum Materialien/Erzeugnisse/Typen/Systeme:

Die in den Bieterlücken angebotenen Materialien/Erzeugnisse/Typen/Systeme entsprechen mindestens den in der Ausschreibung bedungenen oder gewöhnlich vorausgesetzten technischen Anforderungen.

Angebotene Materialien/Erzeugnisse/Typen/Systeme gelten für den Fall des Zuschlages als Vertragsbestandteil. Änderungen sind nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Auftraggebers zulässig.

Auf Verlangen des Auftraggebers weist der Bieter die im Leistungsverzeichnis bedungenen oder gewöhnlich vorausgesetzten technischen Anforderungen vollständig nach (Erfüllung der Mindestqualität).

5. Beispielhaft genannte Materialien/Erzeugnisse/Typen/Systeme:

Sind im Leistungsverzeichnis zu einzelnen Positionen zusätzlich beispielhafte Materialien/Erzeugnisse/Typen/Systeme angeführt, können in der Bieterlücke gleichwertige Materialien/Erzeugnisse/Typen/Systeme angeboten werden. Die Kriterien der Gleichwertigkeit sind in der Position beschrieben.

Setzt der Bieter in die Bieterlücke keine Materialien/Erzeugnisse/Typen/Systeme seiner Wahl ein, gelten die beispielhaft genannten Materialen/Erzeugnisse/Typen/Systeme als angeboten.

4. Die Antragstellerin hat in folgenden Positionen namentlich keine Produkte eingesetzt:

02 11 21 Vorbereiten des Untergrundes

02 11 21 06 Niveauausgleich mit gebundenen (geb.) Stoffen.

02 11 21 06 A Niveauausgleich geb. Stoffe n.W.AN

LT 1 Material nach Wahl des Auftragnehmers (AN)

Angeboten:______________________________

02 11 24 00 A Material zu 11.24 n.W.AN

Das Verwenden nachstehend angebotener Materialien zu den

angegebenen Positionen der ULG 11.24 wird vereinbart:

Betrifft Position(en): ULG 11

Material nach Wahl des Auftragnehmers (AN).

Angeboten:_____________________________

03 03 37 10 A Unterfangungskörper m. DSV KG-Niveau

LT 1 Unterfangungskörper Wand, abgerechnet in m3 auf Basis angegebener

Mindestquerschnitte. Abteufung von KG-Niveau.

Angebotenes System:________________________

03 06 17 00 A Material zu 06.17 n.W.AN

Das Verwenden nachstehend angebotener Materialien zu den

angegebenen Positionen der ULG 06.17 wird vereinbart:

Betrifft Positionen(en): Kanalarbeiten ULG 020617

Material nach Wahl des Auftragnehmers (AN).

Angeboten:_______________________________

03 06 17 00 C Material zu 06.17 Kunststoff halogenfrei

Das Verwenden nachstehender angebotener Materialien zu den

angegebenen Positionen der ULG 06.17 wird vereinbart:

Betrifft Position(en): ULG 020617

Alle Kunststoffteile sind halogenfrei. Halogenfrei bedeutet, dass

Halogene (chemische Elemente wie Fluor, Chlor, Brom und Jod) weder

im Kunststoff noch als Zusatzstoff, etwa als Flammschutzmittel, im

Produkt enthalten sind.

Angeboten:_____________________________________

03 11 21 06 A Niveauausgleich geb. Stoffe n.W.AN

LT 1 Material nach Wahl des Auftragnehmers (AN).

Angeboten:_____________________________________

03 16 00 00 A Material zu LG 16 n.W.AN

Das Verwenden nachstehend angebotener Materialien zu den

angegebenen Positionen der LG 16 wird vereinbart:

Betrifft Position(en): LG 0216

Material nach Wahl des Auftragnehmers (AN).

Angeboten:________________________________________

5. Das Angebot der Antragsteller enthält auf dem Datenträger "Bieterlückentexte". Bei den oben unter 4. aufgezählten Bieterlücken wurde kein Fabrikat bzw. Produkt genannt. Es findet sich in den einzelnen Positionen lediglich der Hinweis "wie ausgeschrieben".

6. Am 19.08.2016 übermittelte die Auftraggeberin den Antragstellern die Ausscheidens- und Zuschlagsentscheidung. Darin wurde insbesondere ausgeführt, dass die Antragsteller die im Leistungsverzeichnis vorhandenen echten Bieterlücken in den Positionen 02 11 21 06 A; 02 11 24 00 A; 03 03 37 10 A; 03 06 17 00 A; 03 06 17 00 C; 03 11 21 06 A; 03 16 00 00 A nicht ausgefüllt haben. Das Angebot der Antragsteller ist daher unvollständig und mit einem unbehebbaren Mangel behaftet, sodass es gemäß § 129 Abs. 1 Z 7 BVergG auszuscheiden ist.

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus dem Verfahrensakt bzw. den Stellungnahmen der Parteien. Bei der Beweiswürdigung haben sich gegen die Echtheit und Richtigkeit der Vergabeunterlagen der Auftraggeberin keine Bedenken ergeben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und Zulässigkeit der Anträge

Auftraggeber iSd § 2 Z 8 BVergG ist die Bundesimmobiliengesellschaft m. b.H. (BIG). Diese ist öffentlicher Auftraggeber gemäß § 3 Abs. 1 Z 2 BVergG. Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich um einen Bauauftrag gemäß § 4 BVergG. Der geschätzte Auftragswert beträgt EURO 8 Mio, sodass es sich gemäß § 12 Abs. 1 Z 3 BVergG um ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich handelt.

Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich und damit im Vollanwendungsbereich des BVergG. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren ist entsprechend § 312 Abs. 1 und 2 BVergG iVm Art 14b Abs. 2 Z 1 lit. e B-VG gegeben.

Da das Vergabeverfahren weder widerrufen noch ein Zuschlag erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht in concreto gemäß § 312 Abs. 2 Z 2 BVergG zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers zuständig.

Der Antrag wurde innerhalb der Anfechtungsfrist gemäß § 321 Abs. 1 BVergG eingebracht. Die Pauschalgebühr wurde jedenfalls in entsprechender Höhe entrichtet (§ 318 Abs. 1 Z 1 BVergG iVm § 1 BVwG-PauschGebV). Ein sonstiger Grund für die Unzulässigkeit des Antrages nach § 322 Abs. 2 BVergG liegt nicht vor.

Inhaltliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.:

Vorweg ist festzuhalten, dass die Ausschreibung nicht rechtzeitig angefochten wurde und daher bestandfest ist. Alle am Vergabeverfahren Beteiligten, inklusive der Auftraggeberin, sind daran gebunden (ständige Rechtsprechung, zum Beispiel VwGH vom 14.04.2011, 2008/04/0065). Die Festlegungen der Ausschreibung sind für alle am Vergabeverfahren Beteiligten bindend (zum Beispiel EuGH vom 22.06.1993, Rs C-243/89 , Kommission/Dänemark-Brücke über den Storebaelt, Slg. 1993, I 3353, Rn 39; VwGH vom 07.09.2009, 2007/04/0090). Die Bieter müssen sowohl zu dem Zeitpunkt, zu dem sie ihre Angebote vorbereiten, als auch zu dem Zeitpunkt, zu dem diese vom öffentlichen Auftraggeber beurteilt werden, gleich behandelt werden (EuGH vom 25.04.1996, Rs-C 87/94 , Wallonische Autobusse, Rz 54).

Allfällige Rechtswidrigkeiten können auch von der Vergabekontrollbehörde nicht mehr aufgegriffen werden (zum Beispiel VwGH vom 07.11.2005, 2003/04/0234). Die Festlegungen der Ausschreibung sind der Auftragsvergabe zugrunde zu legen (zum Beispiel VwGH vom 07.09.2009, 2007/04/0090 mwN; 14.04.2011, 2008/04/0065). Es ist von einer strengen Bindung an die Ausschreibungsunterlagen auszugehen (BVA vom 30.04.2009, N/0021-BVA/10/2009-28; BVA vom 02.05.2011, N/0021-BVA/10/2011-33), andernfalls ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz vorliegen würde (zum Beispiel EuGH vom 22.06.1993, Rs C-243/89 , BVA vom 28.11.2008, N/0131-BVA/12/2008-29).

Die Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen hat nach ständiger Rechtsprechung der Vergabekontrolle und dem einschlägigen Schrifttum auch im Vergaberecht nach den Regeln der §§ 914f ABGB zu erfolgen (siehe u.a. BVA vom 18.01.2008, N/0118-BVA/04/2007-36; vom 11.01.2008, N/0112-BVA/14/2007-20; vom 28.06.2007, N/0057-BVA/11/2007-25 mwN; Rummel, Zivilrechtliche Probleme des Vergaberechts, ÖZW 1999, 1). Demnach kommt es nicht auf den von einer Partei vermuteten Zweck der Ausschreibungsbestimmungen an, sondern ist vielmehr der objektive Erklärungswert der Ausschreibung maßgeblich (siehe VwGH vom 19.11.2008, 2007/04/0018 und 2007/04/0019; VwGH vom 29.03.2006, 2004/04/0144, 0156, 0157; ebenso ua BVA vom 11.01.2008, N/0112-BVA/14/2007-20; BVA vom 02.05 2011, N/0021-BVA/10/2011-33 mwN; ua BVwG vom 01.08.2014, W187 2008946-1/23E; BVwG vom17.06.2014 W139 2003185-1/33E und W139 2005967-1/23E).

Gemäß § 19 Abs. 1 BVergG sind Vergabeverfahren nach einem in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Verfahren, unter Beachtung der unionsrechtlichen Grundfreiheiten sowie des Diskriminierungsverbotes entsprechend den Grundsätzen des freien und lauteren Wettbewerbes und der Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter durchzuführen. Die Vergabe hat an befugte, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmer zu angemessenen Preisen zu erfolgen.

Gemäß § 129 Abs. 1 Z 7 BVergG hat der Auftraggeber vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung den Ausschreibungsbestimmungen widersprechende Angebote, Teil-, Alternativ- und Abänderungsangebote, wenn sie nicht zugelassen wurden, nicht gleichwertige Alternativ- oder Abänderungsangebote und Alternativangebote, die die Mindestanforderungen nicht erfüllen, sowie fehlerhafte oder unvollständige Angebote, wenn deren Mängel nicht behoben wurden oder nicht behebbar sind, auszuscheiden.

Unstrittig steht fest, dass die Antragsteller in den seitens der Auftraggeberin in der Ausscheidensentscheidung einzeln angeführten Positionen keine Fabrikate bzw. Produkte eingesetzt haben (vgl. Sachverhaltsfeststellungen). Demgegenüber hat beispielsweise die präsumtive Zuschlagsempfängerin sowohl im Lang-LV, als auch im Bieterlückenprotokoll Fabrikate bzw. Produkte namentlich angeboten (vgl. Originalangebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin sowie die Aussagen in der mündlichen Verhandlung).

Bei Bieterlücken handelt es sich um freie Zeilen oder Teile davon, in die der Bieter das von ihm angegebene Produkt, Verfahren oder Leistungsmerkmal einträgt (BVwG 17.09.2015, W123 2112177-1/21E).

Bei Bieterlücken mit Nennung eines Leitprodukts handelt es sich um "unechte Bieterlücken", bei solchen ohne Nennung eines Leitprodukts um "echte Bieterlücken". Echte Bieterlücken haben den Zweck, dass der Auftraggeber ausschließlich anhand objektiver Merkmale angibt, welche Leistung er erwartet. Der Bieter muss ein Produkt auswählen und anbieten. Dazu ist in der Ausschreibung eine Bieterlücke vorgesehen, die der Bieter ausfüllen muss. Füllt er sie nicht oder nur unzureichend aus, ist dem Auftraggeber die Prüfung gemäße § 123 BVergG verwehrt, ob die angebotene Leistung der nachgefragten Leistung entspricht und ob die Preise angemessen sind. (BVA 30.05.2012, N/0040-BVA/10/2012-27)

Soweit die Antragsteller in ihrem Schriftsatz vom 05.10.2016 vermeinen, dass nach den Festlegungen der Ausschreibung für die Bieter kein Zwang bestanden habe, ein Produkt oder Erzeugnis in eine Bieterlücke einzufüllen, verkennen sie, dass die von ihnen selbst zitierte Ziffer 2 der Vorbemerkungen nur die sog. "unechten Bieterlücken" definiert. Dies erhellt sich schon daraus, dass der Inhalt dieser Bestimmung "namentlich angeführte bestimmte Leitprodukte" regelt. Demgegenüber stehen die ständigen Vorbemerkungen im Leistungsverzeichnis, Positionsnummer 03, Brandschutzmaßnahmen BPH. Punkt 4 regelt die sog. "echten Bieterlücken", Punkt 5 die sog. "unechten" (vgl. Feststellungen).

Der Auftraggeber kann auch ohne Nennung eines Leitproduktes im Fall einer Beschreibung der anzubietenden Leistung gemäß § 97 Abs. 2 oder 3 BVergG vom Bieter verlangen, dass er das angebotene Produkt oder System spezifiziert und bezeichnet. Da die Ausschreibung dafür Raum vorsehen muss, handelt es sich um eine der Bieterlücke ähnliche Angabe. Sie wird auch als "echte Bieterlücke" bezeichnet (BVA 27.09.2010, N/0071-BVA/10/2010-34).

In einem vergleichbaren Fall hat das BVA folgendes festgehalten (siehe dazu BVA 27.09.2010, N/0071-BVA/10/2010-34):

In den ständigen Vertragsbestimmungen des Leistungsverzeichnisses in Hauptgruppe 00 Obergruppe 00 wird zuerst unter dem Titel "Bieterangaben" als allgemeine Regel gefordert, dass der Bieter an den im Leistungsverzeichnis vorgesehenen Stellen in den Bieterlücken "Materialien/Erzeugnisse/Typen" angibt. Diese werden Vertragsbestandteil und dürfen nur mit Zustimmung des Auftraggebers geändert werden. Bei Nennung von Leitprodukten wird danach unter dem Titel "Beispielhafte Materialien/Erzeugnisse/Typen" die Möglichkeit eingeräumt, andere als die von der Auftraggeberin genannten "Materialien/Erzeugnisse/Typen" anzubieten. Als Ausnahme kann in diesem Fall die Nennung eines Produktes bei Vorliegen einer entsprechenden Erklärung des Bieters ganz entfallen. Die Auftraggeberin verwendet Bieterlücken mit Leitprodukten, "unechte Bieterlücken", und Bieterlücken ohne Leitprodukte, "echte Bieterlücken".

Die beiden Arten von Bieterlücken unterscheiden sich auch systematisch. Die technischen Spezifikationen der Leistung können gemäß § 98 Abs 7 und 8 BVergG ausnahmsweise durch Nennung eines bestimmten Produkts mit dem Beisatz "oder gleichwertig" erfolgen. Macht der Auftraggeber von dieser Möglichkeit Gebrauch, muss er zur Wahrung des Wettbewerbs eine Bieterlücke vorsehen. Nennt der Bieter kein Produkt, gilt das Leitprodukt gemäß § 106 Abs 7 BVergG als angeboten. §§ 98 Abs 7 und 106 Abs 7 BVergG sind auch die einzigen Stellen, an denen das BVergG das Wort "Bieterlücke" erwähnt. Dabei handelt es sich um die Bieterlücken, die das BVergG definiert. Sie werden auch als "unechte Bieterlücke" bezeichnet.

Der Auftraggeber kann jedoch auch ohne Nennung eines Leitproduktes im Fall einer Beschreibung der anzubietenden Leistung gemäß § 97 Abs 2 oder 3 BVergG vom Bieter verlangen, dass er das angebotene Produkt oder System spezifiziert und bezeichnet. Da die Ausschreibung dafür Raum vorsehen muss, handelt es sich um eine der Bieterlücke ähnliche Angabe. Sie wird auch als "echte Bieterlücke" bezeichnet (idS auch BVA 11. 8. 2008, N/0075-BVA/07/2008-36, RPA-Slg 2008/40; 15. 2. 2010, N/0120-BVA/05/2009-52, Tunnel Amras, RPA 2010, 149 [Estermann] = ZVB 2010/68 [Hackl]).

Auch im gegenständlichen Fall hat die Auftraggeberin für die - von den Antragstellern nicht angebotenen - Bieterlücken Raum für das anzubietende Produkt vorgesehen. Daher musste ein redlicher Erklärungsempfänger davon ausgehen, dass er das dafür anzubietende Produkt auch einzusetzen hat. Es handelt sich daher bei den seitens der Antragsteller nicht ausgefüllten Positionen um Bieterlücken ohne Leitprodukte, daher um "echte Bieterlücken".

Das BVA hatte sich in dem oben zitierten Bescheid (BVA 27.09.2010, N/0071-BVA/10/2010-34) auch mit den rechtlichen Konsequenzen von nicht ausgefüllten "echten Bieterlücken" auseinanderzusetzen. Die Erwägungen des BVA lauten auszugsweise:

Das Angebot der Antragstellerin wurde ausgeschieden. Unstrittig hat sie in den Bieterlücken in den Positionen 01 04 85.07 00 A, 01 04 87 01.00 A, 01 04 87.03 00 A, 01 04 87.06 00 A, 01 04 87.07 00 A, 01 04 87.08 00 A, 01 04 88.01 00 A, 03 04 62.01 00 A, 03 04 62.02 00 A, 03 04 62.03 00 A, 03 05 87.02 00 A, 03 05 87.06 00 A, 03 05 87.10 00 A, 04 01 46.09 00 A und 05 01 46.09 00 A kein Produkt genannt.

[...]

Dadurch, dass die Antragstellerin diese Positionen nicht ausgefüllt hat, ist ihr Angebot unvollständig und damit mangelhaft (Öhler/Schramm in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Bundesvergabegesetz² [2009] § 129 Rz 77).

Fraglich ist, ob es sich um einen verbesserbaren oder einen unverbesserbaren Mangel handelt. Eine Verbesserung könnte nur darin bestehen, dass die Antragstellerin Produkte in den oben genannten "echten Bieterlücken" einsetzt und das Angebot auf diese Art ausschreibungskonform macht.

[...]

Stellt der Auftraggeber Mängel fest, hat er die Frage der Verbesserbarkeit zu beurteilen. Bei der Beurteilung der Behebbarkeit eines Mangels sind die Grundsätze eines freien und lauteren Wettbewerbs sowie der Gleichbehandlung aller Bieter zu berücksichtigen. Zudem liegt es nach ständiger Rechtsprechung des VwGH und des BVA nicht im Belieben des Auftraggebers, Mängel als unbehebbar oder behebbar zu deklarieren (Fink/Hofer in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht³ [2010] Rz 1426). Es ist vielmehr ein objektiver Beurteilungsmaßstab anzulegen. Verbesserbar sind nach Aicher (Aicher, Wettbewerbsrechtliche und wettbewerbspolitische Überlegungen zur Regierungsvorlage eines Vergabegesetzes, in Korinek/Rill, Zur Reform des Vergaberechtes [1985] 111) nur jene Mängel, "die nicht nach Angebotsöffnung zu einer Veränderung der Wettbewerbsstellung der Bieter führen". Kropik betrachtet die Behebung eines Mangels nur dann als zulässig, wenn ein zivilrechtliches Angebot vorliegt, sowie durch die Mängelbehebung weder Wert noch Preis der angebotenen Leistung modifiziert und die zur Leistungserbringung aufzuwendenden Kosten nur in einem unwesentlichen Ausmaß geändert werden. Die zwingenden Ausschlussbestimmungen sind einzuhalten, der ursprüngliche Angebotswille darf nicht verloren gehen, die Vergabegrundsätze dürfen nicht verletzt werden und die Mängelbehebung muss eindeutig, transparent und nachvollziehbar sein (Kropik, Mängel im Angebot [2001] 66). Schramm geht nur dann von einem behebbaren Mangel aus, wenn zwar eine Wert- oder Preisänderung eintritt, es jedoch zu keiner Veränderung der Wettbewerbsstellung kommt (Schramm, Zum Ausscheiden von Angeboten, in Schramm/Aicher, Vergaberecht und PPP [2004] 45).

Der VwGH schloss sich der "Aicher-Formel" an (VwGH 26. 2. 2003,

2001/04/0037, VwSlg 16031 A/2003 = ÖJZ 2004/55 A [VwGH A] = wbl

2003/262 = ZfVB 2004/784 = ZVB 2003/69 [G. Gruber] = ZVB-LSK

2003/70). Er hat ausgesprochen, dass "bei der Abgrenzung zwischen

behebbaren und unbehebbaren Mängeln darauf abzustellen [ist], ob

durch eine Mängelbehebung die Wettbewerbsstellung des Bieters

gegenüber seinen Mitbietern materiell verbessert würde". Eine andere

Sicht könnte nur dann geboten sein, "wenn durch eine Mängelbehebung

eine 'wenn auch nur mittelbare' materielle Verbesserung der

Wettbewerbsstellung insofern eintreten würde, als damit nicht alle

Bieter nach der Veröffentlichung der Bekanntmachung über denselben

Zeitraum verfügen würden, um ihre Angebote auszuarbeiten", oder ein

derartiger formaler Mangel vorliegt, "dass dem Auftraggeber eine

Bearbeitung nicht zugemutet werden könne" (VwGH 25. 2. 2004,

2003/04/0186, Ansprechpartner Tunnelbau, RdW 2004/317 [Öhler] = RPA

2004, 92 [Latzenhofer] = ZVB 2004/102 [G. Gruber] = ZVB-LSK 2004/80

= ZVB-LSK 2004/81). Für die Unterscheidung zwischen behebbarem und

unbehebbarem Mangel kommt es nicht darauf an, ob die Behebung eines Mangels einen Bietersturz zur Folge hätte. Vielmehr kann ein Mangel auch dann als unbehebbar gelten, wenn die Mängelbehebung nicht zu einem Bietersturz führen würde (Öhler/Schramm in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Bundesvergabegesetz² [2009] § 129 Rz 84). "Maßgeblich für die Qualifikation als unbehebbarer Mangel ist, ob die nachträgliche Änderung des ursprünglichen Angebotes den Bieter gegenüber seinen Konkurrenten begünstigt. Dies würde den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter und den Transparenzgrundsatz verletzen (vgl. dazu VwGH 2003/04/0186 und EuGH Rs C-87/94 , Rz 56)." (RV 1171 BlgNR 22 GP 85)

Die Frage des Ausscheidens oder Nichtausscheidens des Angebots der

Antragstellerin beeinflusst in erster Linie ihre Teilnahme an der

Auswahl des Angebots für den Zuschlag. Der Angebotspreis und die

einzige Angabe, die qualitativ bewertet wird, die Verlängerung der

Gewährleistungsfrist, würden durch eine Verbesserung nicht

verändert. Ihre Wettbewerbsstellung wird durch die Herstellung eines

ausschreibungskonformen Angebots vorerst formal verbessert

(Öhler/Schramm in Schramm/Aicher/ Fruhmann/Thienel,

Bundesvergabegesetz² [2009] § 129 Rz 83). Im Gegensatz dazu zieht

der Verwaltungsgerichtshof die Grenze zwischen verbesserbaren und

unverbesserbaren Mängeln bei der materiellen Verbesserung der

Wettbewerbsstellung, die auch in einem längeren Zeitraum zur

Erstellung des Angebots bestehen kann (VwGH 25. 2. 2004,

2003/04/0186, Ansprechpartner Tunnelbau, RdW 2004/317 [Öhler] = RPA

2004, 92 [Latzenhofer] = ZVB 2004/102 [G. Gruber] = ZVB-LSK 2004/80

= ZVB-LSK 2004/81).

Im vorliegenden Fall bekäme die Antragstellerin durch die Verbesserung, die inhaltlich eine Ergänzung ihres Angebots darstellt, eine längere Frist für die Erstellung ihres - vollständigen - Angebots. Weiters hat sie es in der Hand, in Kenntnis der Angebotspreise der anderen Bieter den Wert ihres Angebots zu beeinflussen. Der Mangel ist unbehebbar (BVA 10. 11. 2009, N/0109-BVA/08/2009-52, RdW 2010/99 = ZVB 2010/18 [Grasböck]; UVS Steiermark 19. 4. 2007, 44.7-1/2007; VKS Wien 4. 7. 2003, VKS-4497/03). Daher schied die Auftraggeberin ihr Angebot zu Recht gemäß § 129 Abs 1 Z 7 BVergG aus.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den rechtlichen Ausführungen in der zitierten Entscheidung des BVA an. Auch im gegenständlichen Vergabeverfahren haben die Antragsteller die im Sachverhalt unter Punkt II., 4, einzeln angeführten Bieterlücken nicht ausgefüllt. Daher ist das Angebot der Antragsteller mit einem Mangel behaftet, der nicht verbesserbar ist. Soweit die Antragsteller darauf hinweisen, dass jene 7 Bieterlücken keine Auswirkung auf die Qualität, keine Auswirkung auf den Gesamtangebotspreis und keine Auswirkung auf die Bieterreihung hätten, verkennen sie, dass es nach der Rechtsprechung des VwGH für die Unterscheidung zwischen behebbarem und unbehebbarem Mangel nicht darauf ankommt, ob die Behebung eines Mangels einen (Best- bzw. Billigst‑)Bietersturz zur Folge hätte. Vielmehr kann ein Mangel auch dann als unbehebbar gelten, wenn die Mängelbehebung nicht zu einem Bietersturz führen würde (Öhler/Schramm in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel (Hrsg), Bundesvergabegesetz 2006 - Kommentar, § 129 Rz 84). Zudem ist anzumerken, dass schon aufgrund des Grundsatzes der Gleichbehandlung iSd § 19 Abs. 1 BVergG den übrigen (nicht ausgeschiedenen) Bietern eines Vergabeverfahrens grundsätzlich das Recht auf das Ausscheiden eines tatsächlich auszuscheidenden Angebotes zukommt. Hätte sich beispielsweise die Auftraggeberin den rechtlichen Ausführungen der Antragsteller angeschlossen und die Zuschlagsentscheidung zugunsten der Antragsteller getroffen, hätten die übrigen Mitbieter erfolgreich das unterlassene Ausscheiden der Antragsteller mit eigenen Nachprüfungsanträgen bekämpfen können.

Die Entscheidung der Auftraggeberin, das Angebot der Antragsteller aus diesem Grunde auszuscheiden, erfolgte daher zu Recht. Somit musste auf den zweiten Ausscheidenstatbestand (Referenznachweise) nicht mehr eingegangen werden.

Zu Spruchpunkt II.:

Gemäß § 320 Abs. 1 BVergG kann ein Unternehmer bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zur Widerrufserklärung die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahrens wegen Rechtswidrigkeit beantragen, soferne er ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet (Z 1) und ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht (Z 2).

Wurde das Angebot der Antragstellerin (bereits) durch den Auftraggeber ausgeschieden, so ist die Rechtmäßigkeit dieser Auftraggeberentscheidung und damit die Frage, ob das Angebot der Antragstellerin zu Recht ausgeschieden wurde, die Hauptfrage und nicht bloß Vorfrage des Nachprüfungsverfahrens (Hinweis E vom 11. November 2009, 2009/04/0203, mwN). Kommt die Nachprüfungsbehörde zum Ergebnis, dass die Antragstellerin zu Recht ausgeschieden worden ist, so hat sie den Nachprüfungsantrag ungeachtet allfälliger Rechtswidrigkeiten im Rahmen des Verfahrens zur Wahl eines Angebotes für den Zuschlag jedenfalls abzuweisen (Hinweis E vom 12. September 2007, 2005/04/0181, mwN). In dem E vom 18. Mai 2005, 2004/04/0094, führte der Verwaltungsgerichtshof zusätzlich aus, der Systematik des BVergG 2002 folgend könne ein Bieter, dessen Angebot zu Recht ausgeschieden wurde, durch Rechtswidrigkeiten, die das Verfahren betreffend die Wahl eines - nicht ausgeschiedenen - Angebots für den Zuschlag betreffen, nicht in Rechten verletzt werden. Dies gilt auch nach der Rechtslage des BVergG 2006. (VwGH 20.05.2010, 2007/04/0077)

Der Antrag auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung wurde abgewiesen, da das Angebot der Antragsteller zu Recht ausgeschieden wurde. Da das Angebot der Antragsteller aber zu Recht ausgeschieden wurde, kann ihnen auch aus einer allfälligen rechtswidrigen Zuschlagsentscheidung kein Schaden entstehen, da ihr - zu Recht ausgeschiedenes - Angebot für eine Zuschlagserteilung ohnehin nicht in Betracht kommt. Es mangelt den Antragstellern daher hinsichtlich des Antrages auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung an der Antragslegitimation, weshalb der hierauf gerichtete Antrag zurückzuweisen war. (siehe dazu bereits BVA 10.05.2007, N/0007-BVA/15/2007-67; siehe auch Thienel in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel [Hrsg), Bundesvergabegesetz 2006 - Kommentar, § 320 Rz 46). Ein dem EuGH in der Rs C-100/12 , Fastweb SpA, vergleichbarer Sachverhalt liegt gegenständlich nicht vor und wurde von den Antragstellern auch nicht behauptet.

Zu Spruchpunkt III.:

Gemäß § 319 Abs 1 BVergG hat der vor dem Bundesverwaltungsgericht wenn auch nur teilweise obsiegende Antragsteller Anspruch auf Ersatz seiner gemäß § 318 BVergG entrichteten Gebühren durch den Auftraggeber. Der Antragsteller hat ferner Anspruch auf Ersatz seiner gemäß § 318 entrichteten Gebühren, wenn er während des anhängigen Verfahrens klaglos gestellt wird.

Da den Nachprüfungsanträgen nicht stattgegeben wurde, besteht kein Anspruch auf Ersatz der Pauschalgebühr.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (siehe dazu etwa VwGH 20.05.2010, 2007/04/0077; VwGH 26.2.2003, 2001/04/0037; VwGH 25.2.2004, 2003/04/0186), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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