BFG RV/7103472/2015

BFGRV/7103472/201514.4.2016

Geschäftsführerhaftung, Zuständigkeit, Manuduktionspflicht, Zustellung der Grundlagenbescheide, Aufgliederung der Lohnabgaben

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2016:RV.7103472.2015

 

Beachte:
Mit Beschluss vom 12.09.2016, RV/7104154/2016, wurde dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO stattgegeben, weshalb der zugleich erhobene Antrag auf Erstreckung der Frist bis 30.9.2016 zur Erbringung von Beweisanträgen rechtzeitig ist und das Erkenntnis des BFG vom 14.4.2016 aus dem Rechtsbestand tritt. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/7104603/2016 erledigt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., Anschrift, vertreten durch Wirtschaftstreuhänder Dkfm. Dr. Friedrich Heinisch, Seuttergasse 23, 1130 Wien, vom 12.02.2015 gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom 21.01.2015 betreffend Haftung gemäß § 9 BAO zu Recht erkannt: 

 

Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben und die Haftung auf nachstehende Abgaben im Gesamtbetrag von € 55.717,14 eingeschränkt:
 

Umsatzsteuer

05/2012

18.762,16

Umsatzsteuer

06/2012

1.093,88

Umsatzsteuer

07/2012

1.307,04

Umsatzsteuer

10/2012

660,58

Körperschaftsteuer

2011

18.354,00

Lohnsteuer

2012

867,59

Umsatzsteuer

01/2013

392,49

Lohnsteuer

02/2013

223,35

Dienstgeberbeitrag

02/2013

106,08

Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag

02/2013

10,37

Umsatzsteuer

02/2013

9.616,54

Lohnsteuer

03/2013

223,35

Dienstgeberbeitrag

03/2013

106,08

Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag

03/2013

10,37

Lohnsteuer

04/2013

171,24

Dienstgeberbeitrag

04/2013

85,28

Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag

04/2013

8,34

Körperschaftsteuer

2012

3.435,00

Umsatzsteuer

08/2013

283,40

 

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

 

Entscheidungsgründe

 

Mit an den Beschwerdeführer (Bf.) gerichtetem Haftungsvorhalt vom 5. März 2014 führte das Finanzamt aus, dass die XY-GmbH , deren Geschäftsführer er sei, derzeit ausgewiesene Abgabenschulden in Höhe von € 63.444,32 habe, deren Einbringung beim Primärschuldner objektiv nicht gegeben sei.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO sei der Bf. als Geschäftsführer der Gesellschaft verpflichtet gewesen, dafür zu sorgen, dass die Abgaben der Gesellschaft aus deren Mitteln entrichtet würden. Gemäß § 9 Abs. 1 BAO würden die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen für die Abgabenschulden der Gesellschaft haften, wenn sie nicht beweisen würden, dass sie ohne ihr Verschulden gehindert gewesen seien, für die Entrichtung der Abgaben zu sorgen.

Der Geschäftsführer hafte für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden seien, hierzu nicht ausreichen würden, es sei denn, er weise nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe, als andere Verbindlichkeiten.

Das Finanzamt erwäge, die Haftung für die in der Beilage aufgegliederten Abgabenschulden gemäß § 224 Abs. 1 BAO geltend zu machen. Es liegt daher in seinem Interesse, zu beweisen, dass er ohne sein Verschulden daran gehindert gewesen sei, für die Entrichtung der Abgaben zu sorgen. Der Bf. werde ersucht, im Zuge seiner Beweisführung insbesondere folgende Fragen zu beantworten:

1. Was habe ihn daran gehindert, für die Entrichtung der Abgaben der Gesellschaft aus deren Vermögen und laufenden Einnahmen zu sorgen? Wie seien die Einnahmen verwendet worden? Der Bf. werde darauf aufmerksam gemacht, dass er nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht berechtigt gewesen sei, die Entrichtung der Abgaben zugunsten der Entrichtung anderer Schulden hintanzustellen.

2. Wie seien seine wirtschaftlichen Verhältnisse? Woraus bestreite er seinen Lebensunterhalt? Habe er Grundbesitz oder Geldforderungen, wenn ja, welche?

3. Sei ein Schuldenregulierungsverfahren (Privatkonkurs) geplant?

**********

In Beantwortung des Haftungsvorhaltes führte der Bf. im Schreiben vom 20. Mai 2014 aus, dass der Konkurs über die GmbH am Datum-1 eröffnet und am Datum-2 mangels Kostendeckung aufgehoben wurde sei. Dagegen sei jedoch ein Rekurs anhängig.

Wie bereits in der Niederschrift vom 19. Juli 2013 festgehalten, habe der Bf. im Jahre 2013 einen Schlaganfall und vorher im Jahre 2010 eine Magen-Bypass-Operation gehabt. Diesbezüglich übersende er sowohl das fachärztliche Gutachten vom 15. September 2012 als auch das fachärztliche Gutachten vom 11. März 2014. In beiden Gutachten werde festgestellt:

„Ein großes Problem stellt die psychische Verarbeitung des Alltags für den Patienten dar, da er nicht nur wegen seines veränderten körperlichen Habitus, sondern auch in der Verarbeitung von alltäglichen größeren und kleineren Stressreaktionen in eine vollkommen neue Situation eingetreten ist, für die er noch keine Adaptierungsmöglichkeit besitzt.“

Und an anderer Stelle:

„ .... und er wäre auch durch massive Blutdruckschwankungen daran gehindert, seine täglichen Verrichtungen zu vollführen.“

Diese gesundheitlichen Beeinträchtigungen hätten bereits in der Zeit vor der Konkurseröffnung bestanden und bestünden auch jetzt noch weiter.

In der Niederschrift vom 18. Juli 2013 werde ein Steuerrückstand von € 113.428,57 angeführt, wovon € 400,00 durch den Bf. einbezahlt und am 27. August 2013 € 53.425,21 durch Gutschrift für die Umsatzsteuer 2012 reduziert worden sei, sodass zum Stichtag der Konkurseröffnung nur mehr € 61.407,42 (laut Daten des Steuerkontos) aushaften würden. Also eine Reduktion der Steuerschulden innerhalb von knapp drei Monaten von 47,45%. Die in der Niederschrift angebotene Rate, zahlbar Ende Oktober 2013, von € 10.000,00 habe infolge Konkurseröffnung nicht mehr bezahlt werden können.

Die meisten der bestehenden Lieferverbindlichkeiten seien wegen Bestreitung und Nichtfälligkeit auch nicht bezahlt worden. Außerdem gebe es die Schuld an die Krankenkasse, welche auch bestritten und daher nicht bezahlt worden sei.

Wie schon in der Niederschrift angeführt, besitze der Bf. kein Vermögen.

**********

Mit Bescheid vom 14. Jänner 2015 wurde der Bf. gemäß § 9 Abs. 1 BAO iVm § 80 BAO als Geschäftsführer der XY-GmbH für Abgaben in der Höhe von € 60.313,53, nämlich
 

Abgabe

Zeitraum

Betrag

Fälligkeit

Umsatzsteuer

05/2012

18.762,16

16. 07. 2012

Umsatzsteuer

06/2012

1.093,88

16. 08. 2012

Umsatzsteuer

07/2012

1.307,04

17. 09. 2012

Umsatzsteuer

10/2012

660,58

17. 12. 2012

Körperschaftsteuer

2011

18.354,00

14. 01. 2013

Lohnsteuer

2012

867,59

15. 01. 2013

Dienstgeberbeitrag

2012

696,30

15. 01. 2013

Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag

2012

61,75

15. 01. 2013

Umsatzsteuer

01/2013

392,49

15. 03. 2013

Lohnsteuer

02/2013

223,35

15. 03. 2013

Dienstgeberbeitrag

02/2013

106,08

15. 03. 2013

Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag

02/2013

10,37

15. 03. 2013

Umsatzsteuer

02/2013

9.616,54

15. 04. 2013

Lohnsteuer

03/2013

223,35

15. 04. 2013

Dienstgeberbeitrag

03/2013

106,08

15. 04. 2013

Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag

03/2013

10,37

15. 04. 2013

Lohnsteuer

04/2013

171,24

15. 05. 2013

Dienstgeberbeitrag

04/2013

85,28

15. 05. 2013

Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag

04/2013

8,34

15. 05. 2013

Körperschaftsteuer

2012

3.435,00

03. 10. 2013

Umsatzsteuer

08/2013

283,40

15. 10. 2013

Umsatzsteuer

09/2013

3.838,34

15. 11. 2013

 

zur Haftung herangezogen, da diese durch die schuldhafte Verletzung der ihm als Vertreter der Gesellschaft auferlegten Pflichten nicht hätten eingebracht werden können.

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO würden die in den § 80ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabenpflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit haften, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden könnten. Nach § 80 Abs. 1 leg. cit. hätten die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen würden, und seien befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen.

Sie hätten insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten würden, entrichtet würden.

Verletzungen abgabenrechtlicher Pflichten würden nur dann zur Haftungsinanspruchnahme berechtigen, wenn die Verletzung schuldhaft erfolgte. Eine bestimmte Schuldform sei hierfür nicht erforderlich (z.B. VwGH 22.2.2000, 96/14/0158; VwGH 7.12.2000, 2000/16/0601; VwGH 16.9.2003, 2003/14/0040). Daher reiche leichte Fahrlässigkeit jedenfalls aus.

Die genannten Beträge seien bei der Gesellschaft als uneinbringlich anzusehen.

Der Geschäftsführer hafte für die nicht entrichtete Umsatzsteuer der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden seien, hierzu nicht ausreichen würden, es sei denn, er weise nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe als andere Verbindlichkeiten.

Unterbleibe der Nachweis, könnten ihm die uneinbringlichen Abgaben zur Gänze vorgeschrieben werden (VwGH 15.6.2005, 2005/13/0048).

Seien unbestritten erzielte Einnahmen nicht zumindest anteilsmäßig auch zur Abstattung der Abgabenschuldigkeiten herangezogen worden, könne von einer die Haftung auslösenden Benachteiligung des Abgabengläubigers ausgegangen werden.

Die Haftung erfahre dann eine Einschränkung auf den Benachteiligungsbetrag, wenn der Haftende den Nachweis erbringe, welcher Abgabenbetrag auch bei einer gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger uneinbringlich geworden wäre (ohne diesen Nachweis hafte er für den Gesamtbetrag der uneinbringlich gewordenen Abgabenschuldigkeiten). Der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung gelte auch für Zahlungen, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlich gewesen seien (Barzahlung von Wirtschaftsgütern, Zug-um-Zug-Geschäfte).

Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen sei, ob der Vertretene die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel gehabt habe, bestimme sich danach, wann die Abgaben bei Beachtung der Abgabenvorschriften zu entrichten gewesen wären (z.B. VwGH 31.10.2000, 95/15/0137; VwGH 17.12.2003, 2000/13/0220; VwGH 23.11.2004, 2001/15/0108).

Eine Ausnahme vom Gleichbehandlungsgrundsatz bestehe für Abfuhrabgaben, nämlich für die Kapitalertragsteuer (VwGH 16.2.2000, 95/15/0046), Beträge gemäß § 99 EStG 1988 und hier der Lohnsteuer.

Der Geschäftsführer hafte für die nichtentrichtete Lohnsteuer, weil diesbezüglich nur eine vom Arbeitnehmer geschuldete Abgabe einzubehalten und abzuführen gewesen sei.

Würden die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichen, so habe er die Lohnsteuer von dem tatsächlichen zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten (§ 78 Abs. 3 EStG 1988). In solchen Fällen dürften Löhne somit nicht in voller Höhe ausbezahlt werden und seien sie (wie auch andere Schuldigkeiten) anteilig zu kürzen; die auf den gekürzten Lohnbetrag entfallende Lohnsteuer sei zur Gänze zu entrichten (vgl. z.B. VwGH 16.2.2000, 95/15/0046).

Persönliche Umstände des Haftenden seien im Rahmen der Ermessensübung zur Geltendmachung der Haftung nicht maßgeblich (VwGH 14.12.2006, 2006/14/0044).

Da der am 5. März 2014 versendete Haftungsprüfungsvorhalt keine angemessene Klärung herbeiführen habe können, sei aufgrund der Aktenlage zu entscheiden gewesen.

***********

In der dagegen am 12. Februar 2015 rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wandte der Bf. ein, dass die angeführten Angaben nicht den Tatsachen entsprechen würden und nicht nachvollziehbar seien. Auch sei er als Geschäftsführer des Unternehmens in keiner Weise in die „Erhebungen“ eingebunden bzw. ihm die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt worden.

Die angeführten Angaben würden sich daher augenscheinlich auf die nebulosen Annahmen des Prüfers beziehen, welche weder begründet noch in der Sache selbst nachvollziehbar seien. Die angenommenen Werte seien daher offensichtlich nicht realitätsnahe bzw. gesetzeskonform erstellt worden. Es werde daher deren Aufhebung beantragt.

Der Ordnung halber werde festgehalten, dass gegen den oben angeführten Haftungsbescheid selbst sowie die diesem zu Grunde liegenden Bescheide, Abgaben, etc. Rechtsmittel erhoben werde.

Des Weiteren werde beantragt, dem zu prüfenden Unternehmen sowie den dadurch betroffenen Personen gemäß den gesetzlichen Vorgaben innerhalb einer angemessenen Frist die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme einzuräumen, um die sich nach Ansicht des Finanzamtes ergebenden Fragen beantworten zu können.

Als Unvertretener werde ausdrücklich um Anleitung durch die Behörde ersucht.

***********

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 7. Mai 2015 wurde der Beschwerde teilweise stattgegeben und der Haftungsbetrag auf € 14.298,39 herabgesetzt. Begründend wurde ausgeführt wie folgt:

Wie bereits im Haftungsbescheid ausgeführt, hätten die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen gemäß § 80 Abs. 1 BAO alle Pflichten zu erfüllen, die den von Ihnen Vertretenen oblägen. Sie hätten insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln die sie verwalten würden, entrichtet werden würden.

Die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO sei eine Ausfallshaftung. Voraussetzung sei die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben bei der Primärschuldnerin im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden. Im gegenständlichen Fall stehe diese Uneinbringlichkeit nach Konkursaufhebung betreffend die Primärschuldnerin am 11. April 2014 objektiv fest.

Verletzungen abgabenrechtlicher Pflichten würden nur dann zur Haftungsinanspruchnahme berechtigen, wenn die Verletzung schuldhaft erfolgt sei. Eine bestimmte Schuldform sei hierfür nicht erforderlich. Daher reiche leichte Fahrlässigkeit.

In der Beschwerde werde der Haftungsbescheid beeinsprucht und damit begründet dass, die angeführten Angaben nicht den Tatsachen entsprächen, die Partei nie in die „Erhebungen“ eingebunden worden sei und keine Möglichkeit gehabt habe, dazu Stellung zu nehmen. Die angeführten Angaben seien daher weder begründet noch nachvollziehbar und nicht gesetzeskonform. Es werde daher die Aufhebung und die Anleitung durch die Behörde beantragt.

Aus dem Akteninhalt könne nachweislich entnommen werden, dass die bestrittenen Abgaben zur Umsatzsteuer 06-07/2012, 10/2012, 01-02/2013, 08/2013, zu den Lohnsteuern, Dienstgeberbeiträgen und Dienstnehmerzuschlägen 02-04/2013 von der Primärschuldnerin selbst gemeldet, aber nicht entrichtet worden seien.

Diesbezüglich erachte die Abgabenbehörde die schuldhafte Pflichtverletzung als erfüllt, da gemäß § 21 Abs. 1 UStG der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf den Kalendermonat zweitfolgenden Kalendermonats eine Voranmeldung beim zuständigen Finanzamt einzureichen und spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten habe. Ebenso habe der Arbeitgeber gemäß § 79 Abs. 1 EStG die gesamte Lohnsteuer samt Lohnabgaben, die in einem Monat einzubehalten gewesen seien, spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonates an das Betriebsstättenfinanzamt abzuführen.

In der vorliegenden Nichtentrichtung sei die schuldhafte Pflichtverletzung zu erblicken, zumal die entsprechenden Meldungen durch die Primärschuldnerin selbst erfolgt seien und somit die oben angeführten Berufungseinwendungen nicht nachvollzogen werden könnten.

Im Beschwerdeverfahren gegen den Haftungsbescheid, könnten - solange die fälligen Abgaben dem Rechtsbestand angehören würden, wie dies gegenständlich der Fall sei - Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung nicht mit Erfolg erhoben werden. Hierfür stehe nur das Rechtsmittel betreffend den Bescheid über den Abgabenanspruch zur Verfügung.

Hinsichtlich der Umsatzsteuer 05/2012, Lohnsteuer 2012, Dienstgeberbeitrag 2012, Dienstnehmerzuschlag 2012, sowie Körperschaftsteuer 2011-2012 könne eine Zustellung der abgabenbegründenden Bescheide laut Aktenlage nicht nachvollzogen werden.

Es hätten somit diese Bescheide keine Rechtswirkungen entfalten können. Die Bescheide seien gemäß § 210 BAO nicht fällig und gemäß § 226 BAO nicht vollstreckbar geworden und seien die diesen Bescheiden zugrunde gelegten Abgaben demgemäß aus dem Haftungsbescheid auszuscheiden gewesen.

Die Geltendmachung einer Haftung gemäß § 9 BAO für aushaftende Abgabenbeträge richte sich nach deren Fälligkeitszeitpunkt. Die Fälligkeiten der für die im Haftungsbescheid geltend gemachte Umsatzsteuer 09/2013 falle nicht mehr in die Zeit der Geschäftsführung des Bf. und sei ebenso nicht mehr in den Haftungsbescheid aufzunehmen gewesen.

Die behördliche Begründung im Haftungsbescheid hinsichtlich einer unzureichenden Klärung des Haftungsprüfungsvorhaltes sei in der Beschwerde nicht beeinsprucht und somit als unstrittig angenommen worden.

Habe der Geschäftsführer Gesellschaftsmittel zur Verfügung gehabt, die zur Befriedigung sämtlicher Schulden der Gesellschaft nicht ausgereicht hätten, so sei er für die Umsatzsteuer, Dienstgeberbeiträge und Dienstnehmerzuschläge nur dann haftungsfrei, wenn er nachweise, dass die noch vorhandenen Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet worden seien.

Unterbleibe dieser Nachweis, könnten ihm die uneinbringlichen Abgaben zur Gänze vorgeschrieben werden.

Es bestehe somit für den Vertreter eine qualifizierte Mitwirkungspflicht in der Form, dass dieser im Haftungsverfahren die Gleichbehandlung aller Gläubiger ziffernmäßig darzustellen habe. Es seien die eingebrachten Einwendungen des Beschwerdeführers nicht geeignet gewesen, die Gläubigergleichbehandlung und somit ein fehlendes Verschulden an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichterfüllung darzulegen.

Aus diesen Gründen habe die Behörde daher zu Recht von einer schuldhaften Pflichtverletzung als Ursache für die Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben ausgehen können.

Die Geltendmachung der Haftung im Sinne des § 9 BAO liege im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen des § 20 BAO zu halten habe. Innerhalb dieser Grenzen seien Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff Billigkeit sei dabei berechtigtes Interesse der Partei, dem Gesetzesbegriff Zweckmäßigkeit das öffentliche Anliegen an der Einbringung der Abgaben mit allen gesetzlich vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten beizumessen.

Gründe für ein Absehen von der Geltendmachung der Haftung als Ausfluss des Ermessens seien im gegenständlichen Fall somit nicht vorgelegen, sodass das Finanzamt mit Recht den Zweckmäßigkeitsüberlegungen den Vorrang gegenüber einer allfälligen Billigkeit eingeräumt habe, da die Geltendmachung eine geeignete Maßnahme gewesen sei, um den Abgabenausfall zu verhindern.

Gemäß § 113 BAO hätten die Abgabenbehörden den Parteien, die nicht durch berufsmäßige Vertreter vertreten seien, auf Verlangen die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen zu geben und sie über die mit ihren Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar verbundenen Rechtsfolgen zu belehren. Diese Rechtsbelehrungspflicht beziehe sich allerdings nur auf Verfahrensangelegenheiten und nicht auf Fragen des materiellen Rechts.

Die von der Partei im Hinblick auf die Rechtsbelehrungspflicht geltend gemachte Anleitung stehe in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung und werde dies in der Beschwerde auch nicht näher ausgeführt.

***********

Fristgerecht beantragte der Bf. mit Schreiben vom 11. Juni 2015 die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht und brachte ergänzend vor, dass nachweislich bekannt gewesen sei, dass der gemäß § 27 Abs. 2 BAO genau definierte „Ort der Geschäftsleitung“, somit der Ort, an dem sich der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung befinde, nicht im Zuständigkeitsbereich des ausstellenden Finanzamtes befinde. Mehrfach sei durch den Prüfer selbst festgestellt worden, dass sich dieser in 1230 Wien befinde und daher die örtliche Zuständigkeit des Finanzamtes Wien 1/23 gegeben sei.

Trotz dieser Tatsache sei von Mitarbeitern des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart augenscheinlich wider den gesetzlichen Bestimmungen weitere Maßnahmen gesetzt worden.

Diesbezüglich werde ausdrücklich auf die eingebrachten Sachverhaltsdarstellungen gegen diese Bediensteten unter anderem wegen des Verdachtes des Missbrauches der Amtsgewalt, Urkundenunterdrückung, Untreue, gerichtlichen Falschaussage, Urkundenfälschung sowie Verletzung der Kontroll- und Aufsichtspflicht verwiesen.

Die bisher bereits eingereichten Fragebeantwortungen seien offensichtlich durch den Prüfer in keiner Weise beachtet bzw. dahin gehend gewürdigt worden, dass er offensichtlich der Auffassung sei, dass eine Bearbeitung der angeführten Fragebeantwortungen nicht erforderlich sei.

Abschließend werde beantragt, sämtliche Bescheide des eindeutig unzuständigen Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart auszusetzen und sämtliche Agenden betreffend die angeführte Steuernummer an das offensichtlich nicht unzuständige Finanzamt Wien 1/23 zu übertragen. Diesbezüglich werde angeführt, dass der stellvertretende Leiter des Finanzamtes Wien 1/23 betreffend diese Angelegenheit durch den Bf. informiert worden sei und seine Bereitschaft zur Übernahme der laufenden Steueragenden mitgeteilt habe.

**********

Mit Vorhalt vom 18. August 2015 forderte das Bundesfinanzgericht den Bf. zur Erbringung eines Gleichbehandlungsnachweises sowie Vorlage eines im internistischen Gutachten erwähnten eventuellen psychiatrischen Gutachtens auf.

**********

Am 29. September 2015 teilte der Bf. telefonisch mit, dass er den Liquiditätsstatus erst Ende Jänner 2016 erbringen könne. Ein psychiatrisches Gutachten existiere nicht.

**********

Mit Schreiben vom 30. September 2015 hielt der Bf. fest, dass aufgrund seiner aktuellen gesundheitlichen Beeinträchtigungen die Abgabe der gewünschten Stellungnahme in der gegenständlichen Angelegenheit bis zum 30. September 2015 leider nicht möglich sei. Es sei daher eine Fristerstreckung bis Ende Jänner 2016 vereinbart worden.

Es werde dem Bundesfinanzgericht die Einsicht in seine Krankenunterlagen eingeräumt und ersucht, mitzuteilen, welche Unterlagen eingesehen werden wollen, da die vorhandenen Unterlagen der leider sehr zahlreich erforderlichen Behandlungen sehr umfangreich seien. Diesbezüglich werde ersucht, Unterlagen zu seinem Gesundheitszustand nicht in den normalen Akt einzulagern, sondern entsprechend vertraulich zu handhaben.

Da ein überwiegender Anteil der durch das Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart offensichtlich erstellten Unterlagen bis dato dem Bf. nicht zugegangen seien, werde die Akteneinsicht beantragt. Diese werde gewährt und diesbezüglich festgehalten, dass ein legitimierter Vertreter des Bf. nach telefonischer Terminvereinbarung die Akteneinsicht wahrnehmen könne.

Als Unvertretener werde um Anleitung ersucht.

**********

Daraufhin teilte das Bundesfinanzgericht dem Bf. am 30. September 2015 mit, dass lediglich eine Einsicht in ein psychiatrisches Gutachten gewünscht sei, dass aber nach den Angaben des Bf. gar nicht existiere. Die Krankenunterlagen seien ohnedies aktenkundig.

**********

Am 16. Oktober 2015 nahm Herr A.T. in Vollmacht des Bf. Einsicht in den Akt des Bundesfinanzgerichtes und scannte ihn zur Gänze ein.

**********

Mit Schreiben vom 30. November 2015 bedankte sich der Bf. für die Gewährung der zugesagten Akteneinsicht, halte aber fest, dass die einzelnen Berichte durch das ausführende Finanzamt offensichtlich nicht vollständig übermittelt worden seien, weshalb die Nachvollziehung der diversen Vorgänge und Entscheidungen nicht ersichtlich sei.

Da dies aber die Voraussetzung zur Abgabe einer Stellungnahme seinerseits sei, werde beantragt, dem ausführenden Finanzamt die Vorlage der folgenden Unterlagen aufzutragen:

 

Zulässigkeit einer Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Entscheidung folgt vielmehr der dargestellten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

 

 

Wien, am 14. April 2016

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 4 AVOG 2010, Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz 2010, BGBl. I Nr. 9/2010
§ 113 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 248 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Stichworte