OGH 20Ds12/20z; 23Ds2/24g (RS0133576)

OGH20Ds12/20z; 23Ds2/24g30.7.2025

Rechtssatz

Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs ist die vorübergehende Abwesenheitsmeldung im ERV nur dann disziplinär, wenn dadurch die Interessen der Mandanten des Rechtsanwalts nicht mehr ordnungsgemäß verfolgt werden können oder wenn den Mandanten aus dem Unterlassen der Teilnahme sonstige Nachteile erwachsen. Die Tatsache allein, dass die Teilnahme am ERV kurzfristig unterbrochen wird, stellt per se noch keine Beeinträchtigung der schutzwürdigen Interessen der Mandanten dar. Die mit der kurzfristigen Nichtteilnahme am ERV für Gerichte, Staatsanwaltschaften oder andere Institutionen sowie für die übrigen Teilnehmer zweifellos verbundene Beeinträchtigung ist bei einer Interessenabwägung nicht so weitgehend, um vom Rechtsanwalt die permanente Erreichbarkeit zu fordern; das gilt insbesondere mit Blick auf die Tätigkeit von Einzelanwälten oder sogenannten „kleinen Anwaltskanzleien“. Voraussetzung ist allerdings, dass die Abschaltung nicht missbräuchlich geschieht, etwa, um die ordnungsgemäße Durchführung von Verfahren zu hindern oder sonst Dritten zu schaden.

Normen

RAO §9 Abs1
RAO §10a Abs2
RAO §23 Abs6
StAG §34 Abs5
GOG §89c Abs5

20 Ds 12/20zOGH15.03.2021

Beisatz: Hier: Übermittlung der Bestätigung der Erstmeldung durch die Treuhandeinrichtung. (T1)

23 Ds 2/24gOGH30.07.2025

vgl; Beisatz: Aus der Verpflichtung in § 89c Abs 5 Z 1 GOG und der Bezugnahme auf die Erfordernisse einer geordneten Rechtspflege in § 9 RAO ist aber auch abzuleiten, dass die Verpflichtung, Zustellungen im Wege des ERV entgegenzunehmen, ganz allgemein die geordnete und zügige Abwicklung von Verfahren sicherstellen soll, und zwar im Interesse der Behörden, die Zustellungen vornehmen, und der (anderen) Verfahrensbeteiligten. (T2)<br/>Beisatz: Abgesehen von missbräuchlicher Nichtteilnahme am ERV ist die mit einer kurzfristigen Rückverkehrssperre verbundene Unmöglichkeit von Zustellungen im Regelfall noch keine Berufspflichtenverletzung, wobei als Höchstgrenze eine etwa zweiwöchige Unterbrechung angesehen werden kann (so schon 20 Ds 12/20z). Das gilt nicht, wenn durch die Rückverkehrssperre zu erwartende Zustellungen in anhängigen eilbedürftigen Verfahren (etwa Haftsachen, Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung oder dringende Sorgerechtssachen) verhindert werden könnten. (T3)

Dokumentnummer

JJR_20210315_OGH0002_0200DS00012_20Z0000_001

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)