OGH 8Ob93/14f (RS0130435)

OGH8Ob93/14f29.9.2015

Rechtssatz

Ohne einen konkreten Anfangsverdacht ist ein Abschlussprüfer nicht verpflichtet, der bloßen Möglichkeit von kriminellen Vorgängen nachzuspüren. Eine sorgfältige Abschlussprüfung führt aber sehr wohl zur Aufdeckung von Fehlern oder Unregelmäßigkeiten des Rechnungswesens und Schwächen einer Unternehmensstruktur, also Umständen, die Malversationen erst ermöglichen oder zumindest erleichtern. Zwar kann nicht schlechthin jeder bei der Bilanzprüfung unterlaufene Fehler eine Haftung des Prüfers für Drittschäden begründen, wohl aber Fehler, die schon ex ante beurteilt geeignet waren, das verwirklichte Anleger- oder Kreditgeberrisiko zu erhöhen. Ist die mit dem Bestätigungsvermerk des Prüfers versehene Unternehmensinformation objektiv unrichtig, weil das Rechnungswesen in Wahrheit nur mangelhaft geprüft wurde und der Jahresabschluss ein verzerrtes Bild der Lage der Gesellschaft vermittelt, liegt eine Steigerung des Risikos für potentielle Anleger oder Kreditgeber auf der Hand. Es besteht dann nicht nur die allgemeine Gefahr, dass negative wirtschaftliche Entwicklungen nicht rechtzeitig erkannt werden, sondern es steigt - gerade wenn es um Finanzanlagen geht - wesentlich auch das Risiko unentdeckter krimineller Machenschaften.

Normen

ABGB §1299 E
UGB §269, UGB §274, UGB §275

8 Ob 93/14fOGH29.09.2015

Beisatz: Hier: Die ohne Einschränkung von der Beklagten erteilten Bestätigungsvermerke vermittelten Anlegern, die eine Genussscheinbeteiligung ins Auge fassten, das Bild formal makellos organisierter und dokumentierter Unternehmen, deren publizierte Daten von Fachleuten geprüft und für richtig und vollständig befunden wurden. Aufgrund dieser Bestätigungsvermerke durften Anleger darauf vertrauen, dass der Sicherheit ihrer Investition wenigstens in dieser Hinsicht keine Gefahr drohen werde. (T1); <br/>Veröff: SZ 2015/105

Dokumentnummer

JJR_20150929_OGH0002_0080OB00093_14F0000_002

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